Ewa A.

1001 Dattelkeks


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vor neugierigen Blicken, denn auch das matte Licht der Fackeln und Laternen verlor sich nach wenigen Schritten in der Nacht. Shanli ließ sich neben Parviz nieder und sah ihn erwartungsvoll an. Die braunen Augen des Schahs glitten unruhig über ihre Gestalt und machten sie noch nervöser. Ihr wurde schlagartig warm.

      »Du bist wunderschön, Shanli. Aber das weißt du bestimmt«, raunte er.

      Die Bäckerstochter kicherte verlegen und senkte ihren Blick, der zufällig auf die Wasseroberfläche fiel. Im ersten Moment zuckte sie zusammen, denn sie hatte ihr übliches Spiegelbild erwartet. Aber stattdessen sah sie eine zierliche Blondine. Zwar hatte Shanli die vergangenen Tage schon öfters ihr verändertes Gesicht mit den hellen Haaren gesehen, aber dennoch war es ihr noch immer fremd. Aus irgendeinem Grund konnte sie nicht glauben, dass sie dieses Mädchen war. Es fühlte sich komisch an. Hastig schob Shanli die verwirrenden Gedanken beiseite, denn sie wollte voll und ganz Parviz' Aufmerksamkeit genießen.

      Dieser hatte die Gelegenheit genutzt und war näher an sie herangerückt. »Meine süße Perle, darf ich deine Wange berühren? Deine Haut schimmert wie Seide, und ich verzehre mich danach, sie zu streicheln.«

      Shanli brachte keinen Mucks mehr heraus, sondern konnte nur noch stumm nicken. Sacht legte Parviz seine Hand an ihre Wange, und sofort liebkoste sein Daumen ihr Gesicht. Er blickte tief in Shanlis Augen und sie glaubte, ihr Herz würde aufhören, zu schlagen.

      Immer weiter beugte sich Parviz ihr entgegen, und Shanli hielt den Atem an. Instinktiv wusste sie, was nun kommen würde, denn sein Verlangen war unverkennbar. Jeden Moment würde er sie küssen. Endlich! Und sie würde im Himmel schweben. Nur noch ein Windhauch trennte ihre Lippen, … als Navid plötzlich aus einem nahegelegenen Strauch herausstürzte.

      »Shanli Amir al Zadat, ich bin entsetzt!«, rief er empört. »Benimmt sich so etwa ein anständiges Mädchen?«

      Erschrocken stoben Parviz und Shanli auseinander. Doch während der Schah sich über die Unterbrechung amüsierte, war Shanli äußerst erbost darüber.

      »Wie … kannst du nur?«, presste sie zwischen ihren Zähnen hervor. Ihr war zum Heulen zumute. Warum musste er ausgerechnet jetzt aus dem Busch springen? Hatte er nicht noch einen Moment warten können? Grenzenlose Frustration ließ sie Navid garstig anschreien: »Was fällt dir ein? Du kannst doch nicht dazwischenplatzen und … und …«

      Shanli fragte sich, was in ihren Dschinn gefahren war. Schließlich wusste er doch, dass sie in Parviz verliebt war. Sie verstand nicht, warum er sie um diesen Kuss gebracht hatte. Sie wäre noch verblüffter gewesen, wenn sie geahnt hätte, dass es Navid ähnlich erging. Noch im gleichen Augenblick, als er Shanli angekeift hatte, fragte er sich nämlich, warum er aus dem Gebüsch gestürmt war und den Kuss hatte verhindern wollen.

      Navids Frauengesicht wirkte ebenso erzürnt wie ihres. Warum hatte er Shanli mit seinem Nachnamen betitelt? Gut, er kannte ihren nicht. Aber warum hat er dann nicht auf ihn verzichtet?

      Etwas verunsichert von seinen eigenem unbedachten Tun, fiel der Dschinn in ihre Rede ein: »Was mir einfällt?! Na, ich sehe, wie du dich einem Mann hingibst, mit dem du nicht verheiratet bist.« Entschiedener meinte er: »Schäme dich, Schwester!«

      Die Augen der Bäckerstochter wurden zunehmend runder, und ihre Brust schwoll vor unterdrücktem Zorn an.

      »Ganz ruhig, meine Täubchen«, sprach Parviz mild und versuchte, die Wogen zu glätten. Mit einem arroganten Schmunzeln wandte er sich an Navid. »Kein Grund zur Eifersucht, Anita. Es wäre nur ein unschuldiger Kuss geworden.«

      »Navida. Ich heiße Navida!«, bellte die blonde Dschinni und ballte zähneknirschend ihre Fäuste.

      Shanli stutzte, um dann noch lauter als zuvor zu brüllen: »Genau, das ist es!« Behände sprang sie auf die Beine und reckte kämpferisch den Hals. »Du bist eifersüchtig!«

      Navids Brauen hoben sich in einer abfälligen Geste. »Auf dich?! Mach dich nicht lächerlich, Shanli!«

      Die Augen der Bäckerstochter wurden schmal. Sie stand kurz davor, ihrem Dschinn den Kopf abzureißen, Wünsche hin oder her.

      Erneut mischte sich Parviz ein. »Du brauchst es nicht zuzugeben, mein kleiner Smaragd. Wir wissen alle, dass es so ist.«

      Die ungeheure Blasiertheit des Schahs stahl den zwei Blondinen die Worte. Baff, aber noch immer wütend aufeinander, starrten sie sich verbittert an, bis Shanli sich entschloss, das Weite zu suchen, da die Romantik nun so oder so flöten gegangen war.

      »Weißt du was, Anita? Du bist jetzt an der Reihe, ich überlass ihn dir.«

      Navids Augen weiteten sich vor Schreck. »Shanli, nein! Du kannst mich doch jetzt nicht mit ihm hier allein lassen.«

      »Oh, doch!«, gab diese zurück und lief davon. »Das kann ich!« Mit einem dreisten Grinsen rief sie dem Schah über die Schulter zu: »Viel Spaß mit meiner eifersüchtigen Schwester, Hoheit. Sie tut übrigens nur so, als wäre sie keusch, in Wirklichkeit ist sie ein mannstolles Luder!«

      Der junge Herrscher lachte vergnügt, erhob sich allmählich und nahm umgehend die Witterung seiner neuesten Beute auf.

      Derweil stierte Navid Shanli noch mit einem rachsüchtigen Grollen hinterher, welches ihm allerdings im Halse stecken blieb, als er Parviz auf sich zukommen sah. Dessen lauernder Blick ließ ihn fahrig kichern.

      »Ihr glaubt doch nicht, was meine Schwester sagt?«

      »Warum sollte ich das nicht, wenn es doch offensichtlich ist, dass es dich nach einem Kuss von mir dürstet.«

      Parviz kam immer näher, und Navid versuchte fortwährend, ihm auszuweichen, was sich jedoch als sinnloses Unterfangen herausstellte. Der Schah folgte jeder seiner Bewegungen, sodass Navid letztlich aufgab. Er sagte sich, dass Angriff in dieser Lage wohl die bessere Verteidigung sei, und blieb stehen. Überheblich schüttelte er seine langen blonden Locken, legte den Kopf in den Nacken und verschränkte die Arme vor seiner weiblichen Oberweite.

      »Ihr wollt also einen Kuss von mir?«

      »Ich glaube eher, du willst mich verschlingen, mit Haut und Haaren«, erwiderte Parviz rau und baute sich dicht vor der blonden Dschinni auf, die genauso groß war wie er.

      Navid legte allen Hochmut in seine Miene, den er aufbringen konnte. »Oh, nein, nein, mein lieber Schah, so leicht bin ich nicht herumzukriegen!«

      Er packte Parviz mit einer Hand an den Wangen und presste diese grob zusammen, sodass sich dessen Mund zu einer komischen Schnute verschob. Mutig rückte er sogar noch näher an den Schah heran und hauchte verrucht: »Für einen Kuss müsst Ihr mir schon einiges bieten, Ihr Schlingel.« Langsam ließ er ihn los, tätschelte dann sacht seine Wange und meinte: »Glaubt Ihr etwa, ich küsse jeden Kerl?« Der letzte Schlag fiel allerdings um einiges härter aus und klatschte schallend. Umgehend versüßte Navid dem Schah den Hieb mit einem Eingeständnis: »Ihr wärt aber der Erste. Und das nicht nur im Küssen.«

      Dieser wurde angesichts dieser Aussichten ganz hibbelig und grunzte gierig: »Mein Juwel. Ich werde dir Dinge bieten, die tausend Küsse rechtfertigen. Und noch vieles mehr.«

      »Wir werden sehen, mein wilder Hengst«, schnurrte Navid und wandte dem Schah hochnäsig den Rücken zu, um langsam zum Fest zurückzuschreiten.

      Shanli hatte sich, wider ihrer Androhung, Navid mit Parviz allein zu lassen, im Schutz der Dunkelheit in der Nähe versteckt und beobachtete die beiden. Ihre Wut kühlte allerdings nicht ab, sondern stieg mit jeder von Navids Berührungen an. Die Bäckerstochter sah nicht, dass Parviz den weiblichen blonden Navid bedrängte, sondern lediglich, dass er größeren Gefallen an ihrer vermeintlichen Schwester und deren grünen Augen hatte als an ihr. Sie hatte zwar keine Ahnung, ob es funktionierte, wenn der Dschinn sie nicht hörte, aber dennoch wisperte sie gehässig ihren geheimen Wunsch: »Ich wünschte, Navid würde stinken wie ein Kamelfurz.«

      Parviz hatte Navids Verfolgung aufgenommen und pirschte ihm schnüffelnd hinterher. Die grünäugige Schönheit war wirklich ein ganz besonderer Edelstein. Sie zeigte nicht nur offen ihre Eifersucht, sondern auch ihre Wollust.