Bastian Litsek

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie


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Bieders Kopf knallte gegen das Lenkrad und die Airbags sprangen an (den Drink in seiner Hand verschüttete er nicht).

      Das Pferd jedoch fungierte wie eine massive Wand aus Fleisch, das dem enorm schnellen Objekt, das es getroffen hatte, keinen wirklichen Widerstand bot. Seine Beine brachen wie morsche Zweige und die Schnauze rammte es durch die Frontscheibe ins Innere des Wagens.

      So kam es, dass Dr. Bieder einem höchst irritierten Ackergaul in die Augen sah, der ihm den letzten Atemzug seines Pferdelebens ins Gesicht blies und dabei dachte: Karotte.

      Phill rappelte sich auf und versuchte erfolglos, sich die Schürfwunden vom Körper zu klopfen. Die Perücke saß noch immer, nur den Hut hatte er eingebüßt. Er ging zurück zu seinem Pferd. Beim Anblick des toten Tiers drehte sich ihm der Magen um. Der Bauch war aufgeplatzt und Gedärme quollen dampfend auf den kalten Asphalt der Herbstnacht.

      „Verfluchte Spesenadel“, rief Phill und hielt sich den Arm gegen den Gestank vor die Nase. Ohne weiter zu zögern, griff er nach der Winchester hinten am Pferd und lud sie durch.

      Eine volle Patrone flog aus dem Lauf auf den Boden, aber es war einfach cooler, wenn die Waffe dieses Ritsch-Ratsch-Geräusch machte.

      „Um Siegfrieds willen, Mann“, sagte der Arzt besorgt. Er trug einen Nadelstreifen-Anzug und sein Gesicht war ausgezehrt, wie es nur harter Alkohol und ein unendlicher Geldvorrat schafften, der einem über viele Jahre über jede Dummheit hinweg geholfen hatte. „Ist Ihnen etwas passiert?“, fragte er. „Haben Sie Durst?“, legte er nach und zeigte auf seinen Whiskey mit Eis, den er noch immer in der anderen Hand hielt.

      „Wer sind Sie?“, forderte Phill ein.

      „Dr. Bieder“, sagte er und zeigte auf die Leuchtreklame, „das hier ist mein kleines Scheusal.“

      „Oh“, sagte Phill und senkte die Waffe.

      Schnell, tu was Verrücktes, flüsterte ihm sein Unterbewusstsein zu. Er dachte daran, sich Haare auszureißen, damit ihm das Blut aus den Wunden schoss und über das Gesicht lief. Das kam ihm dann aber doch zu bescheuert vor. Außerdem tat so was weh, und Schmerzen waren nicht sein Ding.

      Er richtete die Winchester auf den Pferdekopf und drückte zweimal ab.

      BANG!

      Ritsch-Ratsch

      BANG!

      Dann warf er die Waffe auf den Rasen, hielt beide Hände in die Höhe und rief „Ich ergebe mich und möchte gestehen“, sagte er und stand da.

      Dr. Bieder beobachtete alles stillschweigend und nippte an seinem Drink.

      „Sagen Sie werter Herr“, fragte er, ging um den Porsche herum, holte etwas Scotch aus dem Handschuhfach und füllte sein Glas nach, „Sie sind nicht zufällig Privatpatient?“

      „Wie es der Zufall will, ja.“

      „Ich glaube, dass ich Ihnen helfen kann“, sagte Dr. Bieder mit einem Tonfall, wie ihn nur Magnaten bekommen, wenn sie einen baldigen hohen Zahlungseingang für eines ihrer Konten witterten.

      Phill wollte antworten, da wurde die Unterhaltung jäh unterbrochen. Ein Blitzlicht erhellte die Nacht. Gleich noch eines. Irgendwer schoss Fotos von den beiden und ihrem Unfallszenario.

      Dr. Bieder machte einen Schritt nach vorne, trat gegen die Winchester, sodass sie in die Luft flog, fing sie am Repetierhebel auf, lud eine Patrone in den Lauf und schoss, ohne auch nur zu blinzeln, zwei Kugeln in Richtung Blitzlicht.

      „Aua!“, schrie eine Stimme.

      Ein Fotograf sprang aus dem Gebüsch und gab Fersengeld.

      Dr. Bieder legte auf ihn an, doch der Mann war zu schnell. Er rannte, als wäre Robert Murdoch persönlich hinter ihm her.

       „So ein Mist“, sagte Dr. Bieder und senkte das Gewehr. „Das steht schon morgen in der Super Illu.“

      Er drehte den Kopf zu Phill. „Die sind einfach zu vertreiben, aber bald schon werden die Pressevertreter in Scharen hierher zurückkehren.“ Dr. Bieder schulterte die Winchester. „Kommen Sie mit mir. Wir besorgen Ihnen ein Zimmer. Wer sind Sie eigentlich?“

      „Phill Jerkoff“, sagte der und ließ sich auf die Beine helfen.

      Dr. Bieder erstarrte. „Der Vater des toten Kindes, mit dem ich gerade eben telefoniert habe?“

      „Das ist bereits mehrere Stunden her“, korrigierte ihn Phill.

      „So was“, sagte Dr. Bieder erstaunt und nahm einen Schluck Whiskey-Scotch-Mischung. „Muss vor dem Losfahren eingeschlafen sein. Merkwürdig“, sagte er und trank das Glas leer. Schwungvoll feuerte er es ins Gebüsch und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab.

      „Lassen Sie uns reingehen“, sagte er. Gemächlich liefen sie auf die Anstalt zu. „Wer hat Sie geschickt? Die Polizei?“

      „Ach, es ist eine Mischung aus Versicherungsangelegenheiten, Neugier und am Ende geht es um Geld.“

      „Ach, das gute alte Geld. Es ist wie mit den Frauen. Oder waren es Kinder? Man kann nicht mit ihnen leben, aber ohne sie schon.“

      „Stimmt es, dass Sie viele berühmte Insassen behandeln?“

      Er zog einen Flachmann aus seinem Jackett und nahm einen Schluck. Wortlos reichte er ihn an Phill weiter, der

      zugriff. „Wissen Sie, die meisten Leute, die in einem Hotel zur weichen Birne untergebracht sind, sind alles handelsübliche Irre.“ Er begann, an den Finger abzuzählen: „Alleinerziehende Väter, Politiker, die bei der Wahl gescheitert sind und fleißig an ihrem eigenen Wikipedia-Artikel arbeiten, weil keiner ihre Memoiren will, und natürlich irgendwelche schwachsinnigen Autoren oder Schauspieler, die nur kurz Nachforschungen anstellen wollten, dann aber doch auf Dauer bleiben, weil sie sich bei uns wohler fühlen als in Freilandhaltung.“

      „Gibt es denn gar niemand Berühmten?“, fragte Phill, nahm einen Schluck Schnaps. Es brannte in seinem Mund und er wollte meinen einen Hauch Duschgel rauszuschmecken. Er schluckte das Gesöff schweren Notes gerade so runter und reichte den Flachmann zurück.

      „Gut, oder?“, fragte Dr. Bieder. „Hab ich in der Therapiebadewanne gebraut. Und ja, wir haben da schon ein paar Sonderkandidaten. Da wäre der Buchprüfer. Er fesselt seine Opfer nackt an Händen und Füßen. Lässt sie dabei frei im Raum stehen. Dann rechnet er deren letzte Steuererklärung auf ihrem Körper nach, dabei ritzt er die Zahlen mit einem Skalpell ein. Bei einer Abweichung, die zu hoch ist, schlitzt er ihnen nach und nach die Arterien auf. Wer überlebt, ist für immer grotesk tätowiert. Dann wäre da noch der Zahnarzt.“

      „Was hat der verbrochen?“

      „Er ist nur ein normaler Zahnarzt. Recht unbeliebt auch unter den Patienten. Weigert sich, eine Betäubungsspritze zu verwenden. Hat mir einmal eine Krone gesetzt. Bezahlt werden wollte er in Reichsmark. Musste auf einen Flohmarkt, um die Währung zu beschaffen. Solange war er im Hungerstreik. Spinnt echt der Kerl. Gehört eingewiesen.“

      Phill wollte etwas sagen, belehrte sich aber selbst eines Besseren. Der Kerl war professioneller Alkoholiker. Gerade zauberte er wieder einen neuen Flachmann aus seinem Jackett. Dieser hier war rot. Er zog ihn in einem Schluck leer, nahm sich den linken Schuh ab und klappte vorne die Spitze beiseite, um daraus zu trinken.

      „Sie würden sich wundern, wo an meinem Körper ich überall Alkohol versteckt habe.“

      „So so“,