Bastian Litsek

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie


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dachte er zurück an diese schönen Zeiten.

      Seine Frau und seine Tochter fehlten ihm kein bisschen. Doch sein Sohn, der irgendwie unterhaltsam war und wusste, welche Biermarke er vom Kiosk bevorzugte, der fehlte ihm durchaus. Ein Gaffel Kölsch schmeckte einfach anders, wenn es ein Achtjähriger ungefragt mit dem Geld aus Mamas Brieftasche für seinen Vater kaufte, um ihn damit zu überraschen.

      „Wer ist da?“, rief Phill unsicher.

      „Ich bins nur“, sagte ein Mann und trat aus dem Schatten der Wand. „Der Wahnsinn.“

      „Sehr witzig, Horst“, sagte Phill. „Was machst du denn hier?“

      Horst Seenot war Phills Exschwager. Der Bruder seiner Exfrau, Olga. EX-KGB-Agent und inzwischen ehemaliger BND-Mitarbeiter, der sich als Kommissar oder Privatdetektiv oder jemand, der den Leuten die Socken vom Wäscheständer klaute, sein Geld verdiente. So richtig hatte Phill das nie verstanden. Hauptsächlich, weil es ihn nicht interessierte.

      „Was gibt’s Neues?“, fragte Phill, der viel lieber mit einem Menschen redete, als in ein doofes Display zu schauen. Den Fernseher schaltete er aus. Ein Kunstgriff, der heutzutage leider größtenteils in Vergessenheit geraten war.

      Sofort ging der Fernseher von alleine wieder an.

      „Verflixtes Aldi-Teil“, murmelte Phill. Ein Nachrichtensprecher flimmerte über den Schirm, über den ja gar nichts flimmern konnte, denn es war ein LCD-Bildschirm und keine Röhre, aber egal. Es klang halt so schön. Also flimmerte er, der Nachrichtensprecher.

      „Die Serienmörderin Mariam Karkuffian ist heute aus der Haft in die geschlossene Psychiatrie verlegt worden. Sie wurde vor sieben Monaten von ihrem ältesten Sohn verraten, dem sie nicht erlauben wollte, auf das Konzert einer Black-Sabbath-Coverband zu gehen. Mariam ist verantwortlich für den Tod zahlreicher Kinder und sonstiger Menschen. Genaue Details und ob das alles nur von der Polizei, die keine Lust hatte, in großem Umfang zu ermitteln, so hingedreht wurde, ist uns nicht bekannt. Frau Karkuffian wird in die von Dr. Volker Bieder finanzierte und betreute Klinik in Berlin-Tegel verlegt. Dr. Bieder selbst ist Chirurg und nach eigenen Angaben Hobby-Psycho- und Proktologe. Er sagte, man müsse in den menschlichen Abgrund blicken, völlig egal, wie tiefschwarz er sei oder an welchem Ende er sich befinde, um eine Seele, die erkrankt ist, wieder zu heilen.“

      „Wieso hat eine psychiatrische Anstalt einen Chirurgen?“

      „Vielleicht verletzen sich die Insassen oft?“, merkte Horst Seenot an.

      „Da reicht doch ein normaler Arzt, bei allem anderen: ab ins Krankenhaus. Das ist bekloppt. Man baut doch auch keinen Bestatter neben ein Altersheim, nur weil dort jemand sterben könnte.“

      „Das würde sogar einen morbiden Sinn ergeben“, sagte Horst.

      Recht hatte er. Phill überlegte. Der Nachrichtensprecher im Fernsehen wartete brav mit dem Weiterreden, bis die beiden Herren sich ausgesprochen hatten. „Es würde ja auch kein Kinderpsychologe“, setzte Phill erneut an, „seine Praxis neben einem Kindergarten eröffnen und Flyer an die Eltern verteilen: ‚Ist Ihr Kind schon ungeniert traumatisiert? Vertrauen Sie mir und lassen Sie es bei mir behandeln, ich werde es verwandeln und gibt es Beschwerden, wird mir was unterstellt, gibt’s zurück das Geld!‘“

      „Irgendwie ergibt das auch Sinn.“

      „Tut es nicht, Horst. Du warst schon immer ein schlechter Lügner.“

      Der Nachrichtensprecher schaute ertappt von seinem Smartphone auf und bemerkte, dass er weiterpalavern konnte: „Ah es geht weiter. Dr. Bieder unterstellte der Serienmörderin Schizophrenie sowie bipolar zu sein und beides gleich praktisch zu einer Schizoaffektiven Störung zu vereinen. Ferner erwähnte er, Frau Karkuffian sei generell gelangweilt, antriebslos, Ich-bezogen und bestimmt auch Opfer einer Induzierten Wahnhaften Störung, welche durch den Wahnsinn eines Lebenspartners oder Ehepartners ausgelöst wird, mit der Trennung aber wieder verschwindet. Besonders Letzteres merkte Dr. Bieder als interessant an, da er mit einem Fachartikel mehr als ein Jahr auf Ärztetagungen teure Reden halten könnte. Man müsse aber sehen, was man aus der Frau alles rausschlagen könne, so seine Worte. Frau Karkuffian soll sich momentan nicht so gut fühlen, da sie von einer Mitinsassin im Gefängnis eins mit der Pinkelpfanne über den Kopf bekommen hat. Was uns hier im Sender allen furchtbar leidtut.“

      „Mir nicht“, brummelte Phill.

      „Der Pressesprecher der Polizei gab an, froh zu sein, aus dem Redakteursdasein beim Privatfernsehen in eine derart gute Beamtenstelle gewechselt zu haben, und merkte ferner an, dass Frau Karkuffian vehement darauf bestand, dass der Arzt Dr. Bieder schuld an ihrer Misere sei. Er habe ihr eine Gerätschaft in den Kopf getackert, die ihr Befehle schickt und welche mit einer SIM-Karte versehen ist, damit sie jederzeit erfolgreich ferngesteuert werden kann. Detaillierte Baupläne des Geräts sowie eine Kopie des SIM-Karten-Vertrags wurden nicht als Beweismittel in den Fall einbezogen, weil ein Praktikant die Kiste, in der die Sachen verstaut waren, verloren hat.“ Der Nachrichtensprecher holte Luft. „Angeblich, so mutmaßte der Pressesprecher, könne Mariam Karkuffian noch für weitere Morde verantwortlich sein. Da man momentan aber eh schon genug zu tun habe, so der diensthabende Ermittler, werde man vorerst keine Fragen mehr stellen und keine weiteren Leichen suchen. Und jetzt zum Sport!“

      Der Fernseher ging von allein wieder aus. Was Phill kein bisschen unheimlich war.

      „Erinnerst du dich an deinen Sohn Klax, der verschwunden ist?“, fragte Horst und ignorierte die Details des Nachrichtensprechers, welche die Handlungsweichen für den Rest dieses Buchs gestellt hatten.

      „Sicher. Als wäre er mein eigen Fleisch und Blut gewesen.“

      „Also äh die Polizei wird aufhören, nach ihm zu suchen.“

      „Verständlich“, sagte Phill. „Ressourcen sind begrenzt und um ehrlich zu sein, hab ich aus dem Kinderzimmer längst einen Raum für meine Dego-Mäuse gemacht.“

      „Degos sind keine Mäuse, sondern eine Art Meerschweinchen. Nur süßer.“

      „Was willst du, Horst?“, fragte Phill energisch. „Bist du hierhergekommen, um mir das zu sagen?“

      „Na und?“

      „Genau die Frau wird jetzt auf das Anraten von Dr. Herbert Torfstecher in eine eigentümliche psychiatrische Klinik verlegt.“

      „Was ist denn das für ein komischer Name?“

      „Na, er wollte sich wohl beweisen, dass in ihm mehr steckt als ein Landschaftsgärtner und ist Arzt geworden. Auf jeden Fall hat Mariam Karkuffian behauptet, sie habe aus gutem Grund gemordet und würde nicht verstehen, was der Quatsch eigentlich solle. Sie würde Kinder und Menschen nur dann blutrünstig meucheln, wenn diese ihre Kriterien

      erfüllen, welche Hand und Fuß besitzen, Sinn ergeben und überhaupt wäre es ihr viel zu blöd, Staatsgelder derart zu verschwenden. Man solle sie vergasen oder erschießen oder was man sonst so mit Mördern in Ländern macht, denen Gift zu teuer ist und die jeglichen Strom importieren müssen.“

      „Woher weißt du das alles?“

      „Hat mir ein Kollege erzählt. Es sind Auszüge aus ihrer Aussage. Man hat sie letztens neu befragt, bevor sie endgültig verlegt wird.“

      „Ein wenig verrückt klingt sie schon.“

      „Ein wenig? Die ist total krank im Kopf. Wer weiß. Vielleicht hat sie deinen Sohn entführt und hält ihn irgendwo versteckt? Könnte aber auch sein, sie hat ihn in einem anderen Bundesland ausgesetzt und er lebt jetzt in irgendeiner kirchlichen Jugendeinrichtung, der arme Steppke. Wie ich dich kenne, hat dein Kind wieder kein Halsband getragen und einen Chip hat Klax wohl auch nicht in den Nacken implantiert bekommen.“