Bastian Litsek

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie


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zog der Polizist den Finger aus dem Mund.

      „Es gibt keinen Grund zur Sorge“, beteuerte er.

      „Denn Sie sind ja da, oder wie?“

      „Korrekt.“

      „Haben Sie das VFB-Maskottchen ermordet? Wie kommt das überhaupt hier nach Berlin?“

      „Ich bin gebürtiger Schwabe.“

      „Aha! Sie gestehen.“

      „Natürlich.“

      „Wie viele Leute haben Sie schon ermordet?“

      Der Mann dachte nach: „Zwölf … nein dreizehn. Na, es ist ja auch egal“, sagte er und grinste wie jemand, der bald alle Preise im Baumarkt um einen Cent anheben würde. „Die Zahl steigt sowieso ständig. Gleich wird sie wieder steigen“, sagte er und sein Grinsen nahm infernale Züge an.

      Er griff unter den Brutkasten und zog eine Axt hervor.

      Das dauerte etwas, denn die Axt war zu gut festgeklebt.

      Mariams Blick fiel auf die scharfe Klinge, welche im einfallenden Licht reflektierte.

      „Wenn ich mit Ihnen fertig bin“, sagte der Mann und ging auf Mariam zu.

      Sie wich zurück.

      „Kommen Sie hinter Tür Nummer vier.“ Der mordlustige Polizist blieb stehen. „Ich bin übrigens gar kein Polizist“, sagte er.

      „Na, was für eine Überraschung“, sagte Mariam und rollte mit den Augen, „das war mir spätestens dann klar, als ich in Ihrem Fiat Panda die Rechnung des Kostümverleihs im Handschuhfach gefunden habe. Hätten Sie mal nicht an der Tanke gehalten, um zu pinkeln. Aber ich hab mir halt gedacht: Ne Mariam, das schauste dir jetzt mal an und ganz wehrlos bist du ja auch nicht.“

      „Was soll ich sagen? Ich brauche ein ordentliches Klosett, um meine Notdurft zu verrichten. Und Ihnen werde ich die Axt zwischen die Augen hauen.“

      „Wollen Sie mir nicht davor noch ein Bild malen?“

      „Ahhh“, schrie Herbig und schleuderte die Axt in Mariams Richtung.

      Das Beil krachte in das Holz der Treppe und blieb darin stecken.

      „Daneben. Aber machen Sie sich nichts draus. Sie konnten bestimmt noch nie gut werfen. Und das auf weniger als zwei Meter Entfernung. Seien Sie mal stolz auf alles, was Sie bisher erreicht haben. Denn jetzt ist Schluss.“

      Mariam griff hinter sich und zog mit einem Ruck die Axt aus dem Treppengeländer. Die vom Schock geschwächte Mutter war schlagartig verschwunden. An deren Stelle trat eine Amazone. Die Muskeln ihres dünnen Körpers spannten sich an. Sie war ihm vielleicht körperlich unterlegen, aber geistig hatte Mariam die Oberhand.

      Sie schleuderte das Beil zurück zum Absender. In der Schule war sie immer die Beste im Speerwurf gewesen.

      Knirschend bohrte sich das Metall in Herbigs Oberkörper. Direkt in die Brust. Die halbe Klinge war in seinem Brustkasten verschwunden.

      „Na, wie gefällt es Ihnen, einfach so ermordet zu werden?“

      Blut rann Herbig aus dem Mund und über die Brust.

      Mariam ging um ihn herum, zog das Rohr aus ihrer Handtasche und schlug ihm mit Schwung ins Genick. Er ging hart zu Boden und landete dabei auf dem Beil, das sich tiefer in seinen Brustkasten bohrte.

      Blut breitete sich über dem Buchstaben-Teppich aus.

      „Irgendwelche letzten Worte?“, fragte sie und setzte einen Fuß auf seinen Rücken, um ihm den Rest zu geben.

      „Das hab ich mir … irgendwie anders …“

      Mariam trat zu. Das Beil bohrt sich durch Herbigs Brustkasten hindurch und trat auf der anderen Seite wieder hervor. An der blutigen Klinge hing ein Fleischfetzen.

      „So mein Freund“, sagte Mariam und klatschte abschließend in die Hände. „Verarschen lass ich mich nämlich nicht. Irrglauben soll ja schon tödlich gewesen sein.“

      Herbig röchelte.

      Mariam beugte sich zu ihm herunter und riss ihm den Kopf an den kurzen Haaren in den Nacken. Seine Augen rollten zur Seite, als er versuchte, sie anzusehen. Noch war er nicht tot. „Du bist übrigens meine Nummer zwanzig. Glückwunsch Herbig, du bist eine runde Zahl.“

      Sie ließ seinen Kopf los, der zu Boden ging. Direkt auf den Buchstaben H.

      Mariam blickte sich im Raum um.

      Das Kind, welches gerade noch leblos sein Buch gelesen hatte, drehte langsam seinen Kopf in ihre Richtung. Die wächserne Haut knackte und knarzte, und das bis eben noch totgeglaubte Kind fing an zu pfeifen. Ein nettes Liedchen, und nach und nach stimmten alle mit ein. Sogar das tote Fritzchen im Schrank wackelte im Takt mit dem Schwanz.

      Mariam traute ihren Augen nicht.

      Was wurde hier gespielt?

      Phill Jerkoff

      Die alte Dame verreckte langsam und qualvoll, und dafür schien sich der kleine fette Mann überhaupt nicht zu interessieren.

      Phill war gerade falsch herum mit dem Rettungswagen in eine Einbahnstraße gefahren, weil er so im vertrackten Verkehrssystem von Berlin schneller ans Ziel kam. Blöd nur, wenn ein kleiner fetter Mann mit einer Frau neben sich, die wirklich nur eine Prostituierte sein konnte, einem entgegengefahren kam und so den Weg versperrte. Die Frau hatte türkisfarbenen Lidschatten, rote Bäckchen, viel zu große Brüste in einen Push-up-BH gezwängt und trug eine rote Lederjacke. Die allseits bekannte Uniform der Berliner Prostituierten. Wie alle ihrer Art war auch auf ihrer Lederjacke eine Nummer eingraviert, damit ihr Zuhälter sie per Drohne einfacher überwachen konnte.

      Phill hielt sich das Telefon ans Ohr, um mit der sterbenden Dame zu reden, die vor wenigen Minuten den Notruf verständigt hatte. „Können Sie mich noch hören?“, fragte er die Frau.

      „AUS DEM WEG, DU QUERULANT!“, schrie das Dickerchen hinter der Frontscheibe seines alten rostigen Golfs dazwischen. „DIE STVO GILT AUCH, WENN JEMAND GERADE DABEI IST, ZU STERBEN.“

      Phill war fassungslos.

      „Jaaaa“, krächzte die Dame.

      „Wie geht es Ihnen?“

      „Meine Brust tut so schrecklich weh“, krächzte sie, klang dabei aber, wie er fand, normal für jemanden, der gleich fällig war. Wie Phills Oma, die er letzten Monat ins Altersheim abgeschoben hatte, weil der Platz dort billiger war, als ihr weiterhin Essen auf Rädern vom Roten Kreuz kommen zu lassen. Die Annonce in der Zeitung, wodurch er auf den Heimplatz aufmerksam geworden war, war unter Sonstiges und hatte verkündet: „WIR BEHÜTEN RENTNER JEDEN BAUJAHRS. KEIN EXPORT.“ Bisher schien es ihr dort zu gefallen. Nicht dass er je danach gefragt hätte. Und was das Essen anging? Schmecken konnte sie eh schon lang nichts mehr, geschweige denn, sich an etwas erinnern, das länger als sechzig Sekunden zurücklag.

      Er sprach wieder zu der Sterbenden am Telefon: „Versuchen Sie, langsam und gleichmäßig zu atmen. Bleiben Sie wach, Sie dürfen die Augen nicht schließen, sonst sind Sie so gut wie tot.“

      Stille am anderen Ende der Leitung. Da war er wohl etwas zu ehrlich.

      „Liegen Sie auf dem Boden?“, fragte er und versuchte, den Neueinstieg ins Gespräch.

      „Nein, ich sitze im Sessel meines Mannes. Der ist vor drei Jahren verstorben, wissen Sie. Er hat bei Künzers gearbeitet und dort die Gewinde gedreht, in die später bei den Bohrmaschinen der Bohrer gespannt wurde. Ach, er war ein guter, mein Heinrich. Ich habe hier ein