Bastian Litsek

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie


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machen gar nichts. Ich gehe jetzt rüber ins Nachbarhaus und versuche, Hannah zu assimilieren.“

      Hannah war die Tochter ihrer Nachbarin. Klax war wie besessen von ihr. Manchmal saß er wie ein unkastrierter Hund auf dem Balkon und heulte vor Geilheit den Mond an. Schon komisch, wie verrückt die Hormone bei manchen Leuten spielen konnten.

      „Klaxi, ich glaube, das lassen wir.“

      „Der einzige Grund, warum ich zu dir gekommen bin, Vater, ist, weil ich dir sagen wollte, dass du nichts tun kannst, um mich aufzuhalten. Jetzt aber, da du mir die Nase blutig gehauen hast, sage ich dir Folgendes: Schlafe besser mit einem offenen Auge, denn man weiß nie, wann ich mich entscheide, mit dem Feuerzeug zu spielen“, seine Kinderaugen funkelten Phill an wie zwei Perlen des Wahnsinns. Das Kind würde es noch weit bringen. CSU-Parteivorsitzender oder eine Diktatur in einem kleinen Land war mit Sicherheit für Klax im Bereich des Machbaren.

      Sein Sohn drehte sich um und verschwand aus der Tür.

      Kinder sind wie Weihnachtsgeschenke, wenn man erwachsen ist, dachte Phill, meistens entpuppt sich alles als nutzloser Plunder und wehe man ist nicht begeistert. Er setzte sich zurück an seinen Laptop. Phill musste noch eine E-Mail an seinen Chef schreiben, in der er begründete, wieso es nötig war, einen voll ausgestatteten Krankenwagen als Rammbock zu benutzen, um einen einzigen gotzigen Fiat 500 aus der Welt zu schaffen. Den Vorwand, dass Menschenleben auf dem Spiel standen und Sachschäden somit kollateral waren, ließ sein Chef nicht mehr durchgehen.

      Prompt fiel ihm etwas ein. Das Passwort, das Klax wissen musste! Ein Sicherheitswort, das ihn vor Entführungen schützen sollte, quasi ein menschliches Sicherheitssystem.

      Er schrie die Treppe zum Haus hinauf: „Klax, wie lautet das Passwort?“

      Zu spät. Klax schlug gerade die Haustür hinter sich zu.

      „Na, was kann einem kleinen Kind schon passieren, das nachts in Kreuzberg alleine von Haus zu Haus läuft“, sagte Phill zu sich selbst und fing an, seine E-Mail zu tippen.

      Unterdessen lief Klax Gefahr, für immer aus seinem bisherigen Leben gerissen zu werden.1

      Merken Sie schon, wie die Spannung steigt? Sie können es bestimmt kaum abwarten, weiterzulesen oder das Buch wegzulegen. Je nachdem, aus welchem Holz Sie geschnitzt sind. Aber wie jemand, der aufgibt, sehen Sie mir nicht aus. Habe ich recht?

      Klax schlussfolgert

      Keine Ahnung, rief sich Klax das Passwort in Erinnerung, welches ihn vor Entführern, Pädophilen und alten Leuten mit Großeltern-Komplexen retten sollte.

      Ursprünglich hatten seine Eltern sich das so gedacht: Wenn ein Fremder vorgab, seine Eltern hätten ihm erlaubt, mit ihm mitzugehen, sollte er sie nach dem Passwort fragen.

      Leider, und das war selbst Klax mit seinen acht Jahren bewusst, waren die beiden nicht mal halb so schlau, wie sie annahmen, sondern eher gerade mal ein Drittel so intelligent wie eine auf der Weide grasende Milchkuh. Denn wie irgendeine erfundene Phrase einen fremden Perversen davon abhalten sollte, Klax seiner Päderasten-Trophäensammlung hinzuzufügen, war ihm ein Rätsel. Noch dazu war das Passwort nicht sonderlich gut gewählt, sodass Klax sicher war, dass ein Fremder es im Notfall erraten konnte. Schon die Frage „Wie lautet das Passwort“ forderte das eigentliche Passwort geradezu heraus, ausgesprochen zu werden.

      Was ihn an der Dummheit des Mannes, welcher ihm als Vater diente, am meisten störte, war die Tatsache, dass der so viel Zeit damit verbrachte, seiner Dummheit nachzugehen wie andere Leute einem Hobby. Er stürmte irgendwelche Terroristen-Hochburgen und verlor dafür seinen Job, musste eine lange Forstwirtausbildung machen und verbrachte jede freie Minute im Rettungswagen, um, wie er sagte, „die Brötchen zu verdienen“. So ein großer Fan von Brötchen war Klax gar nicht, er wäre viel lieber mit seinem Papa in dem schönen Rettungswagen durch die Gegend gefahren und hätte dabei das Blaulicht eingeschaltet.

      Doch weit gefehlt.

      Wenn sein Vater zu Hause war, verbrachte er die Zeit vor dem Computer, um „den Bürokratie-Scheiß zu erledigen“ oder weinte nachts im Badezimmer, wobei er immer wieder den gleichen Satz wiederholte: „Womit hab ich das alles verdient? Womit hab ich das alles verdient?“

      Klax war froh, dass es in so einem missratenen Kinderleben noch Hannah gab. Die lebte nebenan, war achtzehn Jahre alt, hübsch sowie wohlriechend und spielte bei ihm auch gerne mal den Babysitter. Sie hatte auf ihn aufgepasst, seitdem er ein Baby war. Er durfte sich abends immer noch an sie kuscheln und wenn er Angst hatte, schlief sie mit ihm im Bett. Das war ganz nett, aber viel lieber hätte er sie als Freund anstatt als weiteren Erwachsenen, der mit ihr in der Babysprache redete und ihn knuddelte.

      Schnell bemerkte er, dass es draußen im Winter doch recht kalt war. Denn anders als im reichen Bayern war in Berlin noch nicht im gesamten Bundesland die Fußbodenheizung verlegt worden. Er tapste in seinem Schlafanzug das Treppenhaus hinunter und hielt sich dabei am Geländer fest. Unten trat er in das gelbe Licht der Straßenlaternen.

      Er schaute auf. In Baden-Württemberg standen bestimmt längst LED-Lampen, aber nicht in Berlin-Kreuzberg. Hier durfte man froh sein, dass es keinen Nachtwächter gab, der umherging, um die Kerzen in den Straßenlampen zu entzünden und dabei laut rief: „ALLES IST IN ORDNUNG“, während im Schatten der gelöschten Lampen geraubt, geplündert und entsprechende Wahlplakate aufgehängt wurden.

      Unter einer der Laternen stand eine aufreizende Dame. Rote Lackstiefel, rote Lederjacke. Viel Make-up, wenig Niveau. Ihre Jacke trug die Nummer #4672.

      „Guten Abend Trixie“, sagte Klax im Vorbeigehen. Er winkte ihr aus seinem mit kleinen Monden bedruckten Schlafanzug zu.

      „Meine Jüte“, stammelte die Prostituierte und hustete, „wat en kleener Bub wie du hier draußen tut zu diese Uhrzeit, des is mich ja en Rätsel.“

      Klax stolperte auf Trixie zu.

      „Was haste denn da in dein Rucksack?“

      „Das Raumschiff der Borg.“

      „Aso“, sagte Trixie und aschte ab. „Des geht da rein wie? Is aber sehr kompakt.“

      „Mama hat gesagt, ich soll dir das hier geben“, sagte er und zog einen Fünfzigeuroschein aus seiner Hosentasche.

      „Och Jung, is das lieb“, sagte sie und steckte sich den Fuffie in ihren Slip, wo zwei kleine Hände danach griffen, um ihn erst auf Echtheit zu überprüfen und dann sicher zu verstauen. Einen Fünfhunderter hätte ihr Höschen sofort wieder ausgespuckt. „Wenn du ma wüsstest, wat du da tust, wenn de mir Jeld bringst, kleiner Klax.“

      „Mama sagt, Bringschulden sind Ehrenschulden.“

      „Det is richtig, Jung, hörste auf deine Mama. Da soll der en oder andre schon von jescheit geworden sein, nich?“

      Ein Auto hielt neben Trixie.

      „Scheer dich, Klax, uff zu dene Hannah. Die berechnet dir hoffentlich noch nix.“

      „Ne, ich bin doch so süß, da muss ich nirgends was zahlen“, sagte er und stiefelte davon. Kurz vor Hannahs Haustür traf er auf einen Mann, der ziemlich verschwitzt war. Merkwürdig, denn überall lag Schnee und er fror, dass er schon langsam anfing zu zittern.

      „Hey Kleiner“, sagte der Mann lüstern.

      „Meine Eltern sagen, ich darf nicht mit Fremden reden“, erklärte Klax und wollte an ihm vorbei, um auf Hannahs Klingel zu drücken.

      „Mein Name ist Svenson Jokel. Ich bin dreifach geschieden, liebe Schokolade mit Nuss, fand den letzten Star-Wars-Film scheiße. Ich wohne im Filibuster Weg zwei hier in Berlin und bin auf der Suche nach …“