Bastian Litsek

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie


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schlich sich in die Unterhaltung. Und niemand flüsterte dazwischen. Dann brachen beide Männer in Gelächter aus.

      „Kannst echt froh sein. Du bist wieder Single, Phill, und hast keine Verpflichtungen.“

      „Ja, ich kann mein Glück kaum fassen“, sagte er und wischte sich eine Lachträne aus den Augen. „Frau weg, Kinder weg. Keiner will Geld von mir und ich hab ein ordentliches Sümmchen mit Bildern und Storys von Klax verdient, während der Medienrummel angehalten hat. Schon ziemlich aufdringlich diese Parasiten von der Presse, aber ich nehme es ihnen nicht übel. Als Blutsauger muss man auch überleben. Aber, Horst, komm, warum bist du wirklich hier?“, fragte Phill.

      „Du erinnerst dich, dass Hannah und ihr Freund etwas mit dem Verschwinden deines Sohnes zu tun haben?“

      „Haben sie das? Das ist mir neu. Um ehrlich zu sein, bin ich nicht unbedingt das, was man als Blaupausen-Vatermaterial bezeichnet. Mehr so Güteklasse ‚kein Kondom mehr im Haus, aber lass mal trotzdem bumsen‘.“

      „Tja ha…“, sagte Horst gedankenverloren, „wenn nur noch die Dummen sich vermehren, wird die Welt untergehen. Aber egal“, sagte er und gewann seine Konzentration zurück. „Wir haben die beiden gefunden. Hannah und Mike.“

      „Aber ihr habt aufgehört, nach Klax zu suchen?“

      „Richtig.“

      „Hä?“

      „Wir haben wichtige Informationen erhalten.“

      „Ne du, das will ich alles gar nicht wissen. Mir geht’s hier gut mit dem Degos und meinem Fernseher. Bin glücklich arbeitslos und Hartz-IV-Empfänger. Der Staat zahlt die Wohnung, mein Bier und nebenher verdiene ich was, indem ich im Altersheim Pornos an die Opas verhöker, die die eh nie angucken können, weil keiner von denen Ahnung hat, wo genau man den USB-Stick hineinstecken muss, damit die Tittenfilmchen abgespielt werden.“

      „Ich habe noch eine Erkenntnis für dich.“

      „Raus damit.“

      „Ich werde die Suche nach Klax persönlich fortsetzen.“

      „Ach komm, Horst“, sagte Phill und gestikulierte seinem Exschwager, es bleiben zu lassen. „Lass ma gut sein“, wehrte Phill ab. „Ich beleidige dich nur ungern, aber deine Inkompetenz scheint geradezu grenzenlos zu sein. Dein Karrierelebenslauf sieht noch schlimmer aus als meiner. Schau dich doch an in deinem Trenchcoat und Hut mit Krempe. Wie oft musst du Columbo gucken, damit du am nächsten Tag weißt, was du zu tun hast?“

      „Ich verbitte mir diese Anschuldigungen“, fuhr ihn Horst Seenot streng an. „Ich will dir helfen. Und außerdem musste ich mir die Columbo-DVDs kaufen, seitdem ZDF Info die Folgen nicht mehr wiederholt.“

      „Hast du keinen Blu-Ray-Player?“

      „Einen was?“

      „Egal“, sagte Phil.

      Es war bereits Nachmittag und Phill steckte noch immer in seinem besten Anzug. Das Einzige, was noch sauber war. In der Ecke lag ein riesiger Haufen an ungewaschener Wäsche. Er war inzwischen zwar arbeitslos und etwas verbittert, wie ein Schwein stinkend im eigenen Saft sitzen wollte er dennoch nicht. Das hielt er für ein Klischee. Trotzdem versuchte er, nicht allzu fröhlich zu wirken, was, wie er wusste, gesellschaftlich nicht gebilligt wurde. Denn wenn man ein Kind verlor und auf die Nachfrage nach dem werten Befinden mit „besser als je zuvor“ reagierte, hielten einen die Leute schnell für verrückt. Und wer wusste, wo Phill dann landete. Er hatte keine Lust, dass ein Fremder mit der Macht, seinen Geisteszustand zu beurteilen, ihn für immer irgendwo einsperren konnte. Deshalb hatte er sich eine Krücke geschaffen. Ein DIN-A0-Poster. Groß drüber die Aufschrift „Das ist Klax“. Ein Pfeil zeigte auf ein Bild darunter. Die Bildunterschrift lautete: „Vermisst seit UNBEKANNT.“ Phill war schon immer schlecht mit Details wie Tagen und Uhrzeiten. Darunter stand noch: „Du liebst ihn und vermisst ihn.“

      Manchmal stand er vor dem Poster und las den Text nach, um sich zu erinnern. Dann konnte er auch wahrheitsgetreu zu allen sagen, die fragten: „Ich schaue mir jeden Tag sein Bild an. Ich liebe und vermisse ihn.“

      Und da soll mal noch jemand behaupten, er wäre ein Trottel.

      „Wenn du nicht willst, dass ich dir bei der Suche helfe“, sagte Horst Seenot, „dann halt nicht.“ Trotzig verschränkte er die Arme und schaute in eine andere Richtung.

      „Alte Schmollbacke“, sagte Phill und pikte ihn in die Rippen. „Was ich aber wirklich dringend brauche, ist die Leiche des Kleinen.“

      „Du willst ihn begraben, trauern. Ich verstehe schon, die fünf Phasen durchlaufen.“

      „Quatsch. Für die Versicherung. Ohne Todesurkunde keine Prämie und die wird erst ausgestellt, wenn seine Leiche gefunden wurde.“

      „Wie bitte?“, fragte Horst entsetzt.

      „Olga und ich haben eine Lebensversicherung für Kinder abgeschlossen. Ist der neuste Schrei. Kostet nur 100 € im Jahr und wenn jemand dein Kind ermordet oder psychisch derart vergacklemmert, dass es nur noch sabbernd in der Ecke hockt und mit den Bauklötzen das Wort ‚töten‘ bildet, gibt’s Geld.“

      „Ich verstehe, für die Beerdigung und Therapie. Vielleicht um das Kinderzimmer für ein Adoptivkind neu einzurichten. Eine makabere Idee, aber ein hilfreicher Schritt auf dem Weg zurück ins Normale.“

      „Auch alles Quatsch. Will mir von dem Geld eine Korvette kaufen. Wollte schon in meinen Jugendjahren so ein Ding, aber dann wurde deine Schwester schwanger und meine Träume sind bei der Geburt mit der Soße, die daneben dem Baby aus ihr rausgeschwappt ist, weggespült worden.“

      „Du willst dir ein Kriegsschiff kaufen?“

      „Warum sollte nur ein Staat mit einem eigenen Militär so etwas besitzen? Ich habe schon immer eins haben wollen, seitdem ich Waterworld gesehen habe.“

      „Es ist mir ein Rätsel, wieso meine Schwester dich verlassen hat“, sagte Horst in sarkastischem Ton.

      „Mir nicht. Sie wollte schon seit einer Weile zurück nach Russland und versuchen, die UDSSR wieder aufzubauen. Ich will gar nicht wissen, wie oft sie Lenins Biografie gelesen hat. Am Ende landet sie bestimmt in irgendeinem Arbeitslager. Wenigstens ist sie dann unter Gleichgesinnten.“

      „Hast du eigentlich die Zeitungen mal durchgeblättert?“

      „Schon. Hab aber irgendwann aufgehört. Mir ist schleierhaft, wer diesen Papiermüll kauft, nur um den Cartoon zu lesen. Ich hol mir immer alte Comics aus den eBay Kleinanzeigen.“

      „Dann kennst du gar nicht die Geschichte von Herbig, dem Mörder, den die potenzielle Mörderin deines Sohnes getötet hat.“

      „Ne? Und was heißt hier potenziell. Die hat Klax auf dem Gewissen, ist doch logisch. Die Puzzleteile passen ineinander wie bei äh …einem Puzzle.“

      „Scheinbar war Mariam besessen vom Töten. Sie hat Flugblätter nach Eheberatungen verteilt. ‚Wie man ihn kalt macht und damit wegkommt‘. Sogar einen eigenen YouTube-Kanal hat sie gehabt, in dem sie verschiedene Methoden des Tötens und der Leichenbeseitigung vorgestellt und an einer Beispielperson demonstriert hat.“

      Phill nahm sein Smartphone zur Hand und suchte unter den Kanälen, dem das LKA Berlin folgte, den YouTube Channel von Mariam Karkuffian. Im ersten Video stach sie einen Fahrkartenkontrolleur mit einem Messer nieder, zerteilte ihn mit einer elektrischen Säge in der Badewanne und wies darauf hin, dass man beim Morden auch auf das Budget achten müsse. So ein Mehrfachmord könne ins Geld gehen. Immerhin müssten Messer scharf sein und die Leiche müsse man effektiv verschwinden lassen. Natürlich sei auch die Inflationsrate zu beachten, wenn man um die Jahreswende herum