Bastian Litsek

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie


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hatte schon immer ein Faible für Frauen gehabt, die wussten, wie man versteckte, wonach es sich zu frohlocken lohnte.

      „Ich wusste gar nicht, dass ich einen Bruder habe?“, fragte er.

      „Jetzt ruft es Sie auf jeden Fall an.“

      „Na geben Sie mal her, Peggy.“

      Es knackte in der Leitung.

      „Wer spricht da?“, forderte Dr. Bieder.

      „Hier ist Phill Jerkoff“, sagte die Stimme.

      Ach du Kacke, dachte er sich. Der Vater eines der Kinder, die meine Patientin Mariam Karkuffian ermordet hat.

      „Willkommen bei Dr. Bieder, Psycho- und Anal-yse“, gluckste er lachend. „Ihre Bestellung bitte.“

      „Ich muss Sie etwas fragen.“

      Dr. Bieder fiel auf, dass die Stimme des Mannes merkwürdig blechern klang.

      „Haben Sie Ihr Telefon auf Lautsprecher gestellt?“

      „Ja. Ich wollte dieses Gespräch aufzeichnen, falls Sie etwas Belastendes von sich geben, und hab es zuerst mit einer App probiert. Hat nicht funktioniert. Habs mit einem Anruf bei der Auskunft getestet. Na ja, also viele Versuche später läuft jetzt der alte Kassettenrekorder meines Sohnes mit. Darum der Lautsprecher.“

      „Ich verstehe. Wir alle erreichen unsere Ziele auf unterschiedlichstem Wege. Aber sagen Sie, Herr Jerkoff, haben Sie auch eine Kassette eingelegt?“

      „Ja und das war gar nicht so einfach. Wo gibt’s heute schon noch so was? Mir ist da die alte Tanke eingefallen, am Stadtrand. Musste ’ne Stunde hin und zurück fahren, der hat noch Kassetten zum Aufzeichnen verkauft. So ein Murks sag ich Ihnen.“

      „Warum haben Sie kein zweites Smartphone als Diktiergerät verwendet? Dann wäre alles gleich digital aufgezeichnet.“

      Stille am anderen Ende der Leitung.

      „Das sagen Sie mir jetzt …“

      „Sicher. Einfach kurz den Nachbar gefragt oder einen Freund oder Verwandten, der vor Kurzem erst bei Ihnen war.“

      „Das war wirklich hilfreich.“

      „Natürlich, ich bin Arzt. Die Leute kommen mit ihren Problemen zu mir. Das ist mein Beruf. Also, was kann ich für Sie tun?“

      „Der Fernseher hat gesagt, dass Mariam Karkuffian mit einer Pinkelpfanne gehauen wurde.“

      „Korrekt. Wir werden sie deswegen gleich operieren.“

      „War die Verletzung schlimm?“

      „Es ist eine Kopfverletzung, Herr Jerkoff, und ich fürchte, dabei sind die Batterien des Geräts äh … ich meine, ist es zu einem internen Schaden gekommen, den wir uns genauer ansehen müssen. Sind ja aus Edelstahl diese Bettpfannen. Da rummst es schon ordentlich im Oberstübchen.“

      „Und deswegen wird gleich operiert, ja?“

      „Natürlich. Ich bin Chirurg. Wenn Sie nur was gegen die Kopfschmerzen hätte haben wollen, wäre sie mal besser in eine Apotheke eingewiesen worden anstatt in meine Anstalt. Ist heute Abend endlich angeliefert worden die gute Frau. Sehr interessantes Objekt.“

      „Na, dann strengen Sie sich mal an.“

      „Ach, das ist nur eine kleine Knopfzelle, die gewechselt werden muss. Keine Sorge. Aber woher überhaupt die Sorge?“

      „Sie muss unbedingt überleben.“

      „Hätte nicht gedacht, dass wir da einer Meinung sind.“

      Das Freizeichen ertönte.

      Phill Jerkoff hatte aufgelegt.

      „Komisch“, sagte Dr. Bieder und legte auch auf. „Wie unhöflich.“

      Er nahm seine Porsche-Schlüssel aus der Schublade, gönnte sich noch eine halbe Flasche Whiskey, und enthielt sich beim Rausgehen jeglichen Blick auf seine Sekretärin.

      Sein Mentor hatte einst gesagt: „Bier und Wein sind für Piloten. Schnaps ist das Öl für das Getriebe eines Mediziners.“

      Und diesem Rat wollte Dr. Bieder auch treu bleiben.

      Verfolgungsjagd ohne Verfolger

      Nachdem sein Exschwager die Wohnung verlassen hatte, erreichte Phill der Anruf, dass alles noch heute Abend stattfinden würde.

      Horst hatte tatsächlich einen Weg gefunden, ihn in die Psychiatrie zu schleusen. Er hatte die Anweisung erhalten, in einer Stunde vor seinem Haus zu stehen. Nur er, kein Gepäck. Man würde ihn vor Ort eh neu einkleiden und entlausen. Entsprechende Stellen könnten potenziell aus Sicherheitsgründen auch enthaart und gebleicht werden.

      Da war er also, Phill, und stand vor seiner Haustür. Er hatte ein Taxi erwartet oder gar Horst, der in seinem rostigen alten VW Jetta vorfuhr. Nichts dergleichen.

      Ein Polizeiwagen donnerte mit gut hundert Sachen aus der Fünfzigerzone neben seinem Haus, rutschte um die Kurve, zwang den Gegenverkehr zum Abbremsen und wendete mit quietschenden Reifen. Die Mercedes E-Klasse kam vor ihm zum Stehen.

      Die Tür wurde aufgeworfen.

      Er erkannte Horst auf der Rückbank.

      „Steig ein, wenn du bescheuert genug bist, dich hierauf einzulassen“, rief er.

      Phill stieg samt Winchester zu Horst auf die Rückbank. Er trug noch immer das verquere Outfit aus dem letzten Kapitel.

      „Los geht’s“, sagte Horst und klopfte dem Fahrer auf die Schulter. Der trat das Gaspedal durch und donnerte davon. Das Blaulicht wurde zwischen den Häuserwänden umhergeworfen.

      Horst hielt sich fest.

      Phill tat es ihm gleich. Sie schossen mit 150 Sachen durch Berlin-Kreuzberg, immer am Abbremsen und Gas geben. Neben dem Fahrer saß seine Kollegin mit einer Google-Maps-Karte, immer mal wieder sagte sie Dinge wie: „115 Meter scharf rechts. Dreihundert Meter dann links.“

      Der Fahrer knallte die Bremse rein, kurbelte das Lenkrad herum und trat das Gaspedal wieder durch. Man hätte meinen können, sie wären im Auftrag von Leben und Tod unterwegs.

      „Wir wissen, dass Dr. Bieder demnächst Mariam Karkuffian operieren muss“, fing Horst an und wurde von links nach rechts geworfen, das Einzige, was ihn davon abhielt, wie wild durch die Gegend zu fliegen, war der Haltegriff über dem Fenster.

      „Sind wir deswegen so schnell unterwegs?“, fragte Phill.

      Der Fahrer bremste von 120 auf fünfzig ab.

      Ein nicht angeschnallter Polizeiteddybär flog vom Rücksitz gegen die Windschutzscheibe. Die Beifahrerin öffnete das Fenster und warf den Bär auf die Straße.

      Der Fahrer lenkte ein und erteilte dem Verbrennungsmotor sofort wieder den Befehl, auf hundert zu beschleunigen. Phill und Horst wurden in die Sitze gepresst.

      „Nein“, sagte Horst, „die Geschwindigkeit dieser Fahrt dient lediglich der Dramaturgie der Situation. Theoretisch hätten wir auch mit der Stadtbahn zur Anstalt fahren können. Das hier macht aber mehr her.“

      „VORSICHT“, schrie die Beifahrerin und zeigte auf ein Kind vor ihnen.

      Der Polizist bremste. Trat sogar mit einem zweiten Fuß die Bremse nach. Mit quietschenden Reifen kam der Wagen zum Stehen. Der Rotzbengel zeigte ihnen den Mittelfinger und nuckelte weiter an seinem Tetra Pak Kakao.

      „Puh“, machte Phill. „Das war knapp“, sagte er und beobachtete den Jungen, der um die zwölf sein musste.

      Ein schwarzer Van kam ebenso rasant wie ihr Fahrzeug angeschossen, hielt neben dem Jungen, öffnete die Schiebetür. Ein Mann mit Skimaske packte den Jungen, zog ihn ins Innere und setzte an seiner statt einen verwirrt dreinblickenden Hund auf die Straße.