Bastian Litsek

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie


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wieder, denn … Arbeit ist Arbeit, aber Gewerkschaft ist Gewerkschaft und … äh. Die sind Mittagessen?“, sagte er fragend und hob die Hände in einer fragwürdigen Geste. „Mein Punkt ist, Sie dürfen hier eigentlich gar nicht rein und ich tue Ihnen einen riesigen Gefallen.“

      „Indem Sie mir die Leiche meines Kindes vor Augen führen?“

      „Genau“, sagte er, schnipste mit dem Finger und lächelte.

      „Und Sie glauben, dass ich Ihnen glaube, dass Sie glauben, dass ich hier im guten Glauben bin, dass Sie sind, wer Sie vorgeben zu sein?“, sagte Mariam und umklammerte ihre Handtasche.

      Polizist Herbig war irritiert. Sein mickriges Hirn schien die Option noch hin und her zu wälzen, ob das Gesagte für ihn positive oder negative Konsequenzen haben könnte.

      „Also, wo ist das Baby?“, fragte Mariam und zog den Rotz hoch wie jemand, der heute auch noch anderes vorhatte. Und das hatte sie.

      Herbig löste ein Absperrband mit der Aufschrift: „VORSICHT GLAS“ von einem Brutkasten, der auf einem Wickeltisch stand. „Das andere war gerade aus. Wir haben aber bereits VORSICHT POLIZEI nachbestellt“, sagte er, während er das Absperrband „VORSICHT GLAS“ abwickelte.

      „Sicher doch“, sagte Mariam und schaute sich im Raum um. Da war die Uniform eines Bademeisters, die eines Postboten und auch die eines Müllmanns. Der Mörder schien sich gerne zu verkleiden. Welche Kinder er allerdings als Müllmann abfischen konnte, war ihr ein Rätsel.

      Sie erinnerte sich, dass ihr Baby verschwunden war, nachdem sie mit ihrer Kindermannschaft beim Baden gewesen war. Irgendwelche Pakete waren auch gekommen und der Müll am Morgen abgeholt worden. Es konnte jeder und alle gewesen sein. Vielleicht hätte sie den Säugling nicht den Müll heraustragen lassen sollen. Aber schon ihre Oma hatte gesagt, wer krabbeln und schreien kann, kann auch arbeiten. Normalerweise dauerte es ewig, bis das Baby die vier Treppenetagen runtergekullert war, der Müllsack, den sie ihm dabei mit einer Schnur an den Körper band, half bei der Beschleunigung und beim Bremsen des Aufpralls. Es war eine durchdachte Sache, immerhin war sie kein Scheusal.

      Was sie an diesem Verschwinden fuchste, war das Ungewisse. Sie plagte die Angst, dass das verschwundene Balg zu jeder Tageszeit wieder auftauchen konnte und sofort wieder, wie es alle Kinder taten, Forderungen stellte. Hunger, langweilig und Will-haben schien das Mantra jedes Menschen in ihrem Haushalt, der noch mit Heranwachsen beschäftigt war.

      Polizist Herbig ging vor dem Brutkasten in Position.

      „Sind Sie sicher, dass Sie das sehen wollen?“, fragte der Polizist. Er hatte die Hände schon an dem Tuch, das den Blick auf den Brutkasten versperrte (jedoch den Brutkasten erahnen ließ). „Ich nehme mir hier karrieregefährdende Freiheiten, wissen Sie? Noch nicht mal die Bildzeitung durfte bisher hier rein.“

      „Wissen Sie was?“, sagte Mariam und ging wieder Richtung Treppe, „warum sich unnötig den Schlaf rauben.“ Sie ging. Diesen Anblick konnte sie sich ersparen.

      Da hatte der Polizist einen sinnvollen Einwand hervorgebracht.

      „Hey Moment!“, rief der Polizist und kam ihr hinterher. „Wollen Sie denn nicht wissen, ob es Ihr Kind ist, das da tot in dem Kasten liegt?“

      „Woher wissen Sie überhaupt, dass da ein totes Kind drin liegt?“

      „Weil ich schon mal hier war.“

      Er war also doch schon mal hier. Was für ein kausaler Depp, dachte sich Mariam.

      „Leute wie Sie werden zur Erstbesichtigung eines Tatorts gerufen? Streifenpolizisten?“

      „Na ja, äh …“

      „Na gut“, sagte Mariam und kam die Treppe wieder runter. „Jetzt haben wir den Sprit verfahren, jetzt schauen wir uns das Elend auch an. Uff!“, rief sie und gestikulierte dem Polizisten, sich zu beeilen.

      Herbig begann zu erklären: „Der Täter hat viele Jahre in einem Kinderkrankenhaus gearbeitet, konnte aber kein Blut sehen und hat in den Kindergarten gewechselt. Bis er auf eine private Kindertagesstätte umgesattelt hatte und Pflegekinder betreute, für nicht mal schlecht Geld, will ich anmerken. Zahlt alles der Staat.“

      „Hab ich aus Versehen eine Frage gestellt, an die ich mich nicht erinnern kann?“, sagte Mariam schnippisch. „Versuchen Sie nicht, mit irgendwelchen diffusen Alltagstatsachen Abscheu zu erzeugen. Auch ein Mörder muss für sein Geld arbeiten, er ist ja kein Dieb. Weg mit dem Tuch, du Zeitverschwender.“

      „Wollt ja nur sagen …“

      „Genug haste gesagt. Weg damit.“

      Der Polizist nickte und hob das Tuch an.

      In dem Brutkasten lag der steife Körper eines toten Kindes. Eingebettet in Katzenstreu. Maden krochen dem toten Säugling aus dem Mund.

      Mariam trat näher und kniff die Augen zusammen.

      „Dieses Kind“, sagte sie und zeigte auf den Kadaver, „ist von dunkler Hautfarbe. Sehe ich vielleicht aus wie eine Afrikanerin?“

      Mariam war käsebleich, als hätte sie ihr Lebtag die Sonne nur auf Bildern gesehen.

      „Oh“, sagte der Polizist.

      „Es ist ja nicht so, als ob ich noch nie etwas mit einem schwarzen Mann gehabt hätte, aber ein Balg ist daraus noch nie hervorgegangen. Man wird doch zumindest ab und an, selbst in einer missratenen Ehe, Spaß haben dürfen, ohne morgens die Konsequenzen aus dem Bett treiben zu müssen, oder?“

      „Mein Fehler“, sagte Herbig. Er öffnete die Tür, hastig auf der Suche nach der richtigen Leiche. Hinter der ersten lag ein toter Mann mit einem Pfeil in der Brust.

      „Sie sind mir einer“, sagte Mariam und kam näher. Wieder ein Kadaver in Katzenstreu. Auch hier hatten die Maden schon ihr Camp Zero aufgeschlagen und arbeiteten sich durch den Körper. Mariam holte tief und schmerzhaft Luft. Kein Zweifel. „Das ist meine Klara“, sagte sie mit zitternder Stimme, „tot … Warum das Katzenstreu?“, fragte sie irritiert.

      „Es saugt die Flüssigkeit auf, die der Kadaver absondert.“

      „Und dann?“

      „Wie meinen Sie das und dann?“

      „Na, um sie zu konservieren, reicht das wohl nicht aus“, sagte die Frau sachlich und ernst, „und los wird man sie so auch nicht. Was ist denn das für eine Art? Dass mein jüngstes Kind von einem derartigen Schlamper umgebracht wird“, sagte sie und schluchzte, „des geht mir jetzt schon nahe.“

      Sie zog langsam den Rotz hoch, um ihrer tiefen Betroffenheit Ausdruck zu verleihen. Tränen liefen ihr die Wangen runter.

      „Ich bin mir sicher, der Mann hat sich sehr viel Mühe gegeben“, sagte der Polizist und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

      „Ach Mühe, Mühe“, sagte sie und schüttelte seine Hand ab. „Nichts dergleichen hat er! Da hätte er ihren kleinen Körper mal in Rohrreinigungsmittel aufgelöst, das geht viel besser als Salzsäure, wissen Sie?“

      „Tatsächlich?“

      „Wollen Sie etwa hier neben meinem toten Kind meine Worte infrage stellen?“, schluchzte Mariam mit einem Anfall von Hysterie in der Stimme. Noch eine Träne lief ihr die Wange herunter.

      „Aber nein“, sagte der Polizist. Irgendwas übermannte