Bastian Litsek

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie


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lassen, und mit der er auch das Vertrauen von Phills Frau erschlichen hatte. Mit all dem war es jetzt vorbei.

      Rafal sah seinem Vollstrecker entgegen.

      Phill blickte ihn mit kalten Augen an. Jetzt war er es, der keine Reue zeigte. Alles, was er noch wollte, war, dem Schöpfer seiner Pein beim Sterben zuzusehen.

      „Du musst gewusst haben, dass es nur so enden kann“, sagte Phill.

      Rafals Unterlippe zitterte.

      Der Saum seines Umhangs war vom Dreck des Fußbodens leicht grau geworden.

      „Weißt du, Phill, da ist eine Sache …“, sagte er und schluckte eine Mischung aus Blut und Schleim herunter, „die du nie herausgefunden hast. Es wundert mich, dass es dir Mariam nie gesagt hat“, er grinste. Ein einzelner dünner Faden Blut lief ihm aus dem Mund. Sein Herz war zerstört, was noch übrig war, pumpte Blut durch Adern, die von der Hitze der Einschusswunde versiegelt worden waren. Ein Schwall trat aus seiner Brust hervor und lief herunter.

      „Ich bin es gewesen, der …“

      Phill zog die Waffe und feuerte einen Schuss.

      Rafals Kopf wurde nach hinten gerissen. Auf seiner Stirn ein kreisrundes schwarzes Einschussloch.

      „Nimm dein Geheimnis mit ins Grab“, sagte Phill, ließ die Laserpistole in seiner Hand kreisen und steckte sie zurück ins Halfter.

      Er drehte sich um und ging.

      Er war hier fertig.

      Rafal knallte hinter ihm Kopf voraus auf den Boden.

      Die Sirene lärmte noch immer. Rauch stieg vom gelöschten Wrack der Kapsel auf.

      Dr. Bieder schulterte seinen Bogen und folgte Phill Jerkoff zurück ins Innere des Kreuzers.

      Mariam schaute betrübt auf den Leichnam von Rafal Strawinsky. Andächtig strich sie über ihren Bauch. Das Schicksal hatte sich wiederholt.

      Die Rampe des Kreuzers hob sich und Mariams Gesicht verschwand.

      Phill wendete das Schiff und feuerte mit den schwachen Seitenkanonen auf die Schutzschildgeneratoren im Inneren des Landedecks. Der Schutzschild brach zusammen.

      Keiner an Bord sagte ein Wort.

      Dr. Bieder erhob schließlich die Stimme: „Ich könnte einen Bissen vertragen, ihr nicht auch? Zumindest einen Kaffee.“

      „Ich kenne da ein tolles Restaurant am Ende der Milchstraße“, sagte Mariam.

      Phill legte den Hebel des Hyperantriebs um. Licht zuckte und zappelte. Das Schiff explodierte vom Fleck ins Unbekannte.

      Dann waren sie verschwunden.

      Der Anfang

      Mensch, hier ist es mal angenehm.

      Dafür, dass Mariam gerade die Bruchbude eines Serienmörders betreten hatte, war der erste Eindruck mehr als positiv. Hier und da gab es kleine Fenster, durch die Licht nach innen fiel, die Möbel und das Dekor waren im Lagom-Stil gehalten, umso komischer, da das Haus von außen den Eindruck einer heruntergekommenen Jagdhütte erweckte, und alles war bis aufs letzte Detail geputzt, verziert und mit Liebe dorthin gesetzt, wo es sich befand. Eine rundum einladende Atmosphäre, wäre da nicht der Zweck ihrer Besichtigung: Das hier war ein Tatort, an dem sich grauenvolle Dinge zugetragen hatten.

      Der Polizist lief voraus, die Kellertreppe hinunter. Dass sie vorausgehen sollte, hatte für Mariam überhaupt keinen Sinn ergeben, daher hatte sie den Polizisten gebeten, sich korrekt zu verhalten und diese illegale Tatortbesichtigung gefälligst mit einer Fremdenführung, wie es sich gehörte, voranzugehen. Man ging ja auch nicht auf Stadtrundfahrt und erklärte sich die Sehenswürdigkeiten selbst.

      Der Keller war wesentlich weniger einladend. Der Geruch von verwesendem Fleisch und getrocknetem Blut stieg ihr in die Nase. Mariam kannte diesen Geruch nur zu gut.

      Anfangs hatte sie sich noch gewundert, dass sich ein Beamter des deutschen Staates dazu hinreißen ließ, der Mutter eines Opfers einen noch blutigen Tatort zu zeigen. Aber was hatte er schon zu verlieren außer Beruf, Pension, seinen Ruf und seine Selbstachtung. Und was konnte Mariam schon zustoßen, abgesehen von einem seelischen Trauma, das sie für immer sozial und mental verkrüppelte? Oder wie es der Zufall wollte, dass sie dem Killer persönlich in die Hände lief. Man wusste nie bei der Kompetenz der Gendarmerie dieser Tage. Im Tatort fanden die Ermittler den Killer innerhalb von 90 Minuten. Im wahren Leben brauchte es dazu so viele Hinweise von außen, dass der Mörder längst an Altersschwäche verstorben war oder so dement, dass er keiner Anklage mehr standhielt.

      Sie bemerkte, wie der Polizist kurz davor war, an ein Heizungsrohr zu stoßen. Doch sie sagte nichts.

      „Aua“, rief der Mann, als er geräuschvoll mit seiner Birne gegen das Rohr prallte.

      „Bin ich aber froh, dass Ihnen das passiert ist“, sagte Mariam. „Tut weh was?“

      „Wieso froh?“, sagte der Polizist, blieb am Ende der Treppe stehen und drehte sich um.

      „Na, Sie haben sich hier den Schädel angeschlagen. Das sagt mir, Sie waren auch noch nie hier. Als Sie mich gestern Abend angerufen haben und mir angeboten haben, mich zum Tatort zu bringen, war ich schon stutzig. Wer macht denn so was aus freien Stücken? Als Sie dann noch in dem Fiat Panda vorgefahren sind und das in einer derart abgetragenen Uniform, da habe ich mir gedacht: ‚Ne Mariam, der Mann will dir nichts Gutes.‘ Aber dass Sie sich hier die Birne anschlagen wie ein Idiot, der noch nie hier war, das sagt mir, Sie sind echt.“

      „Na, da bin ich aber beruhigt“, grummelte der Polizist mit dem Namen Herbig und ging weiter.

      Mariams Stimmung blieb ungetrübt. Sie hatte fünf Kinder und war insgeheim etwas enttäuscht, dass nur eines davon entführt worden waren. Aber immerhin das nervigste und jüngste, das Baby. Man musste es im Leben nehmen, wie es kam. Was hätte sie dafür gegeben, wenn jemand sich ihr fünfzehnjähriges Pubertätsmonster namens Tobias gegriffen hätte. Den ganzen Tag dröhnte Black Sabbath aus seinem Zimmer.

      Die Decke des Kellers war recht hoch, was das Rohr von gerade eben nur noch komischer wirken ließ. Mariam begutachtete den Polizisten. Er war größer als sie und auch stärker. Darüber hinaus wies er die für einen Mann üblichen Schwachstellen auf. Wie hatte ihre Oma immer gesagt? Ein Tritt in die Eier und ein Schlag in den Nacken hat noch jeden Mann unterworfen, der seinen Platz nicht kennt: zu ihren Füßen kauernd.

      Mariam trug immer ein Rohr in ihrer Handtasche bei sich. Das Metall war effizienter, wenn es zur Konfrontation mit Weichteilen und Nacken kam. Benutzt hatte sie es auch schon ein paarmal. Seit Ewigkeiten wollte sie sich ein neues, längeres holen, das besser in der Hand lag.

      Mariam wusste, dass Kinder generell beliebt waren wie Schnitzel oder lange Wochenenden, und wer etwas Schlechtes über sie sagte, gerne mal krumm angeschaut wurde. Gesellschaftlich gesehen war ein Kind immer was Gutes. Selten fielen Sprüche wie: „Du schwanger? Beantragt das Kind dann auch gleich Hartz IV, wenn es geboren ist?“ oder „Dem Fachkräftemangel werdet ihr zwei Idioten mit eurem Sprössling nicht gerade entgegenwirken.“ Man beglückwünschte Leute zu ihrem Segen, dessen Kehrseite ja bekanntlich ein Fluch war. Mariam jedoch wusste, dass nicht alle Kinder gleich viel wert waren. Eine Meinung, die sie aber, seit sie sich in ihrem Kopf geformt hatte, für sich behielt.

      In diesem Keller hatte sich ein perfider Kranker einen wahren Zwinger seiner Psychose eingerichtet. Der Killer, wie sie wusste, liebte Kinder. Hier sah es aus wie in einem nicht sonderlich geräumigen Kindergarten. Der Boden war ein Buchstabenteppich, bei dem man die Buchstaben herausnehmen konnte. In der Mitte ein Tisch mit Brettspielen. Mariam spürte, wie ihr die Galle hochkam. Sogar eine Leseecke und eine Kiste mit Bauklötzen waren vorhanden. Überall waren Leichen von Kindern verstreut, welche in Position gesetzt wurden wie ausgestopfte Jagdtrophäen. Ein Kind, das Bauklötze auftürmte, ein anderes, welches ein Buch verkehrt herum versuchte zu lesen. Die Haut der Kinder erinnerte an Wachs.

      „Wieso