Birgid Windisch

Abenteuer im Odenwald 1+2


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eigene Zeit abgerissen. Lene weinte bitterlich. „Was heulst du, du Memme! Bist du ein Mann oder ein Waschweib?“ Der Wachtmeister baute sich grinsend vor ihr auf. „Ich glaube ich werde mal ein paar Gassenjungen zu dir hineinschicken. Die werden dich etwas aufpolieren. Dann hast du eher Grund zum Heulen!“ Lene musste nur noch mehr heulen. Nein, was für ein erbarmungsloser Grobian. Ihr Wernher war so lieb, obwohl er aus dieser Zeit kam, doch dieses Subjekt hier, war kaum noch als Mensch zu bezeichnen! Der Wachtmeister ging vor die Tür und ließ einen gellenden Pfiff ertönen. „Gassenjungen, wollte ihr ein bisschen Spaß haben?“ Eilig rannten ein paar verdreckte, zerlumpte Jungen herbei. Sie waren etwa so groß wie Lene, wenn nicht größer. „Da drinnen liegt ein feiger Wanderbursche. Der heult nach seiner Mama. Dem könnt ihr ein bisschen zeigen was Heimweh ist. Wollt ihr? Ihr bekommt auch ein Stück Brot von mir!“ Eifrig nickten die Jungen und Lene wurde ganz übel, als sie das sah.

      Kapitel 23

      Wo ist Lene?

      Als Wernher zurückkam zu ihrer Höhle, spürte er sofort, dass etwas nicht stimmte. Es war nur ein Gefühl, doch die trogen ihn fast nie. Er besaß einen sechsten Sinn für Gefahr, der selten versagte. Vorsichtig schlich er sich hinter den umstehenden Bäumen heran. Alles war ruhig - zu ruhig! Er fühlte genau, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Sicherheitshalber warf er einen Stein vor die Höhle. Wenn jemand da wäre, würde er sich daraufhin sicher rühren - jedoch – nichts! Er hatte es gewusst! Dieses leichtsinnige Weibsbild! Zornig vergaß er nun jede Vorsicht und rannte hinein. Wie erwartet fand er sie verlassen vor. Lenes Gegenwart war noch flüchtig zu spüren, aber sie war fort. Wernher hockte sich vor die Decke und nahm sie auf, schüttelte sie aus und legte sie zusammen. Er konnte sich nicht ausruhen, er musste sie suchen, sie war in Gefahr in dieser Zeit, die nicht die Ihre war. Sie kannte sich in den Sitten und Gebräuchen seiner Zeit nicht aus und konnte daher auch Gefahren nicht richtig einschätzen. Er legte die Decke zusammen und sah den Rucksack im Stroh liegen. Wenn sie freiwillig gegangen wäre, hätte sie ihn ganz bestimmt mitgenommen. Schnell hob er ihn auf und durchsuchte ihn. Lene hatte tatsächlich noch etwas zu Essen gefunden, sah er. Aber wie er sie kannte, wollte sie ihm die Hälfte davon geben und hatte sicher noch nichts davon verspeist. Wie sollte sie da genug Kraft haben, um sich retten zu können! Seine Sorgen wuchsen immer mehr. Gedankenabwesend tastete er im Rucksack herum, da fühlte er etwas Festes und zog es heraus. Ein Büchlein! Er schlug es schnell auf und begann aufgeregt zu lesen. Die Schrift war zwar etwas anders als er es gewohnt war, aber eher einfacher gehalten, als in seiner Zeit und was er nicht kannte, wurde durch den Sinn deutlich, den das Gelesene ergab. Fasziniert las er die erste Seite, das Geschriebene handelte sogar von seiner Zeit! Doch dann legte er es entschlossen zur Seite - Lene war jetzt wichtiger - das Büchlein konnte er auch später noch lesen. Er verstaute es wieder im Rucksack und machte sich auf den Weg. Vor der Höhle sah er sich vorsichtig um – es war nichts zu sehen und alles ruhig. Er ließ sich langsam nieder und robbte durch ein Gebüsch, als er weiter vorne etwas in der Sonne glitzern sah. Was war denn das? Ein Stein? Er fasste vorsichtig danach und hielt Lenes Handy, wie sie das komische Ding immer nannte, in der Hand! Aufgebracht schüttelte er den Kopf - jetzt konnte er sich denken, was passiert war! Sie hatte wohl mit dem Ding hier gestanden und versucht, ihre Oma anzurufen. Wenn sie diesmal auch so laut gebrüllt hatte, wie letztes Mal, als sie mit ihrer Oma gesprochen hatte, war es kein Wunder, dass sie jemand gehört und entdeckt hatte. Verzweifelt steckte Wernher das Handy in den Rucksack und lief weiter. Er sah das niedergedrückte Gras und folgte den Spuren bis zum befestigten Weg. Dort waren frische Rillen in der Erde zu erkennen, von einem Pferdefuhrwerk, die in Richtung Elsaffen (heutiges Elsenfeld) führten. Sorgenvoll die Stirn runzelnd, folgte er den Spuren. Hoffentlich kam er noch rechtzeitig, um Lene zu beschützen und Schlimmeres zu verhüten! Seine arme Lene, sie kannte sich doch mit den Gepflogenheiten in seiner Zeit noch nicht aus, was sehr gefährlich sein konnte – sogar lebensgefährlich! Besorgt lief er schneller und versuchte die schlimmsten Gedanken zu verdrängen. Er musste seinen Kopf gebrauchen, sonst hatten sie keine Chance.

      Kapitel 24

      Der Buchberg

      Frau Faust stieg zu dem jungen Kommissar ins Auto und sie fuhren langsam los. „Sie müssen da vorne drehen, junger Mann!“ Oma wies ihm ungeduldig den Weg. „Richtung Hainstadt geht es zum Buchberg!“ Der Kommissar sah Frau Faust unfreundlich an, bevor er ihren Anweisungen folgte. „Da vorne links und weiter über die Mümlingbrücke, sehen sie es?“ Lenes Oma deutete zappelig mit der ganzen Hand geradeaus. „Da ist gleich ein Parkplatz, aber es ist noch ein großes Stück zu laufen. Können wir nicht noch ein Stück fahren? Sie sind doch das Gesetz!“ Der Kommissar raufte sich genervt die Haare, dann fuhr er vorsichtig über die alte Brücke. „Halt! Ach du lieber Gott! Da steht Lenes Auto!“ Frau Faust wies aufgeregt, auf den silbernen Opel, der einsam an der Böschung, direkt neben den beiden Ruhebänken stand. Sie stiegen schnell aus und Frau Faust zerrte wild an der Tür, die natürlich nicht aufging. Durch die Fenster konnte man auch nichts erkennen. „Es hat keinen Sinn, Frau Faust, wir müssen ein Stück weiter hoch und den Berg hinauf. Vielleicht finden wir dort etwas. Wenn sie hier in der Nähe in Schwierigkeiten wäre, hätte uns bestimmt schon jemand benachrichtigt!“ „In Schwierigkeiten? Was denn für Schwierigkeiten?“ Frau Faust begann zu zittern und bekam es mit der Angst zu tun. Der Kommissar, der sich über seine Taktlosigkeit selbst ärgerte, legte ihr begütigend die Hand auf den Arm und fuhr nach Omas Anweisungen erst ein gutes Stück hoch und dann nach links. „Sie meinte, sie hätte dort vor ein paar Jahren Markierungssteine gesehen, die einen Weg nach oben kennzeichnen würden. Dort oben war nämlich einmal ein Dorf, das verlassen wurde im 15. Jahrhundert, mit dem Ortsnamen, Hausen hinter der Sonne.“ Der Oma tat es gut, über die Umgebung zu sprechen, es verhinderte, dass sie in Panik verfiel. Herr Dietz hielt am Weg, der hier breit genug war, rechts an und folgte der Oma, die bereits den Weg, der steil nach oben führte, erklomm. „Wo soll denn das sein?“ Herr Dietz schwitzte jetzt schon. So oft war er nicht an der frischen Luft und seine Kondition ließ sehr zu wünschen übrig, wie er missmutig bemerkte. „Da!“, rief Oma aufgeregt, „da oben ist ein Stein.“ Mürrisch betrachtete der Kommissar das bezeichnete Objekt. „Das ist aber noch sehr weit oben. Wie kommen wir denn da hin?“ „Laufen!“ erklärte Lenes Oma kategorisch. „Immer geradezu, junger Mann, bis ganz nach oben. Dort werden wir hoffentlich bald mehr wissen!“ Keuchend arbeiteten sich die beiden weiter hinauf, bis sie endlich kurz darauf am ersten Stein anlangten. „Sehen sie? Es steht ein „H“ drauf wie Hausen und unten ein „M“ wie Mömlingen, oder ist es ein N? Wie Neustädter Hof? Na egal, es ist jedenfalls richtig, denn sie hat mir gesagt, dass die Steine nach oben führen würden, einen Weg entlang sozusagen - und ich sehe auch schon den nächsten Stein, dort weiter vorn!“ „Weiter oben meinen sie wohl!“ brummte Herr Dietz missgelaunt. Warum hatte er das nur nicht seine Kollegen machen lassen. Die hätten sich ruhig auch einmal bewegen können, bevor sie noch am Schreibtischstuhl festwuchsen und immer fetter werden würden! Es folgten noch fünf ähnliche Steine, immer der nächste in Sichtabstand vom vorherigen und sie waren nun fast ganz oben angelangt. Keine Spur von Lene. „Lene!“ rief Oma laut und verzweifelt. „Leeeneee!“ Nichts. Das konnte doch nicht wahr sein! „Wir suchen das Gelände ab“, bestimmte Oma, ganz so, als wäre sie die Chefin von Herrn Dietz. „Da vorne ist eine Lichtung. Ich meine, Lene hätte etwas von einer Lichtung erzählt!“ Die Oma eilte aufgeregt weiter, bis fast zur Mitte der Waldwiese. „Da ist etwas!“ Sie wies auf die hölzerne Abdeckung eines Schachtes und sah, dass ein Holz zerbrochen war. „Sehen sie, da könnte sie hindurchgefallen sein!“ Herr Dietz bückte sich und lugte durch die Lücke in die Grube hinunter. „Moment mal!“ Er zog sein Handy aus der Tasche und schaltete die Taschenlampe an. Bedauernd wandte er sich zu Frau Faust um. „Nichts zu sehen, dort unten!“ „Das kann nicht sein! Ich spüre, dass da etwas sein muss. Sie war dort unten, das weiß ich genau!“ Frau Faust schluchzte fast. „Frau Faust steigern sie sich da nicht in etwas hinein. Das wäre fatal und gar nicht gut, denn wenn wir Lene finden, braucht sie ihre Oma bei Kräften!“ Frau Faust riss dem überraschten Kommissar das Handy aus der Hand und leuchtete selbst hinunter. „Sehen Sie! Das sieht aus, als hätte da jemand dort unten gelegen, alles ist ganz plattgewalzt und zerwühlt!“ „Das kann schon sein, Frau Faust, aber wo ist sie dann