Birgid Windisch

Abenteuer im Odenwald 1+2


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war die Burg verarmt. Die Mutter folgte dem Vater kurze Zeit später und beide wurden in einem unbekannten Grab beerdigt. Vater Jorg hatte sein Leben lang versucht, die Burg zu halten, aber die Zeiten waren hart. Der lange Krieg hatte ihn ausgeblutet, wie viele Menschen damals. Die Brüder Madern und Hans jedoch raubten nach dem Tod der Eltern Reisende aus, besonders solche, die unter dem Schutz des Erzbischofs standen. Zu groß war ihr Zorn auf die Kirchenmänner. Nun hatte Wernher keine Beschützer mehr, die ihn gernhatten und seine beiden Ziehbrüder sannen nur darauf, wie sie ihn loswerden konnten. Wernher spürte zwar ihren Groll, konnte sich aber keinen Reim darauf machen und wollte nur Ruhe und Frieden. „Ich helfe euch gerne, Madern“, antwortete er daher bereitwillig. „Gut, dann bringe morgen Rosalinde nach Hausen hinter der Sonne, auf das Pfaffstangengut. Der dortige Lehensmann braucht sie dort zum Pflügen.“ „Zum Pflügen? Um diese Jahreszeit?“ „Ja, zum Pflügen“, ärgerte sich Madern, dass es Widerworte gab. „Es kann dir egal sein, welche Jahreszeit es ist. Du tust was dir gesagt wird, und basta!“ „Gut, ich mache es ja, reg dich nicht auf, wann soll ich dort sein? „Geh los, wenn die Sonne aufgeht, dann bist du rechtzeitig da!“ Wernher war es recht. Einen Tag weniger die Launen der Brüder ertragen zu müssen, freute ihn und würde ihm guttun. Den Weg scheute er nicht. Dann hatte er seine Ruhe, das war nicht zu verachten. In letzter Zeit waren Hans und Madern immer gemeiner und unleidlicher ihm gegenüber geworden. Bei der Raubritterei hatte er nie mitgemacht. Er hatte sich lieber in die Arbeit geflüchtet. Es gab immer genug zu tun, auch wenn sie außer Rosalinde nur noch vier Hühner hatten. Die Brüder rührten keinen Finger daheim und hatten außer ihren Händeleien nicht viel im Sinn. So kümmerte sich Wernher um die Tiere, und dass etwas zu essen auf dem Tisch stand. Er machte den Hühnerstall zu und ging zu Bett. Als er sich hinlegte, hörte er seine Ziehbrüder noch dispunieren, aber verstand nicht, was sie sagten und es interessierte ihn auch nicht. Das war ein Fehler, den er kurz darauf bereute, denn sie planten sein Verderben. Die beiden hatten nämlich Arbeit angeboten bekommen vom Grafen von Wertheim. Hans als Burgmann auf der Breuburg und sein Bruder Madern als pfalzgräflicher Dienstmann auf der Feste Otzberg. Dann hätte die Not ein Ende und sie könnten friedlich leben und sich endlich verheiraten. Nur Wernher war ihnen noch im Wege und da sie ihn lange genug geduldet hatten, war der Hass immer weitergewachsen, ohne dass dieser es ahnte. Der Weg ins Pfaffstangengut war eine Falle. Sie wollten sich des ungeliebten Ziehbruders endlich ein für alle Mal entledigen. Als sich Wernher deshalb am nächsten Morgen auf den Weg machte, waren die Brüder schon längst im Pfaffstangengut angekommen. Sie erklärten dem Lehnsmann, er solle Rosalinde von Wernher in Empfang nehmen und dann Augen und Ohren verschließen. Auf dem Rückweg hatten sie eine Falle vorbereitet. Sie wollten eine tiefe Grube, die sonst mit einem schweren Eichenholzdeckel verschlossen war, öffnen und Wernher hineinstürzen lassen. Dann wäre er entweder gleich tot, oder zumindest schwer verletzt und würde in ein paar Tagen vom Erdboden verschluckt sein, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie selbst hätten sich nicht einmal die Hände schmutzig gemacht. Wenn man dann seine Leiche irgendwann entdeckte, wäre es tragischer Unglücksfall gewesen. Sie grinsten voller Vorfreude. Es geschah genau wie geplant und als Wernher kopfüber in das Loch gestürzt war, erschienen die Gesichter seiner zwei Brüder über dem Rand. Sie sahen ihn anscheinend bewusstlos daliegen und beeilten sich, das Loch schnell wieder zu verschließen. Wernher jedoch hatte sie gesehen, als er hinunterstürzte und tat nur so, als sei er bewusstlos. Indes nutzte es ihm nichts, er war dem Verderben anheim geliefert. So fand ihn Lene.

      Kapitel 13

      Ungerechtigkeit

      Wernher und Lene

      Als Lene seine Geschichte hörte, spürte sie, wie eine unbändige Wut in ihr hochkroch. „Wie gemein, von deinen Ziehbrüdern! Mit denen müsste grad das Gleiche gemacht werden, damit sie wüssten, wie das ist, was sie dir antaten!“ Wernher zuckte gleichmütig die Achseln. „Diese Welt ist ungerecht und nur die Reichen haben alle Rechte. Die Armen sind Habenichtse und müssen sich den Reichen fügen im Leben. Damit muss man sich abfinden. Sie wollen nur ein Stück vom Kuchen!“ Lene konnte seine Gleichmütigkeit nicht verstehen, es brachte sie nur noch mehr auf. „Du musst dich wehren, Wernher!“ „Wehren? Wie denn? Ich habe keine Möglichkeit.“ „Wir werden Nachforschungen anstellen, wie du zu deinem Recht kommen kannst“, rief Lene leidenschaftlich aus. „Ach du, meine wilde Rose“, lächelte Wernher glücklich. „Jetzt sehen wir erst einmal zu, dass wir dir helfen, bevor wir bei mir weitermachen. „Oma fehlt mir sehr“, murmelte Lene nun mit gesenktem Kopf. „Können wir einmal ins Ort gehen und schauen wo ihr Haus heute steht? Vielleicht ist da ja schon ein Haus.“ Wernher sah sie mitleidig an. Er konnte sich vorstellen, dass es für Lene schlimm war in dieser für sie fremden Zeit zu sein und sich zurechtfinden zu müssen. Dass sie da ihre liebe Großmutter vermisste, war ganz normal. „Also gut“, erklärte er sich einverstanden. „Wir gehen los, wenn es noch dunkel ist und halten uns in den Maisfeldern auf. Momentan steht der Mais hoch, das ist gut für uns.“ Sicher machte sich Oma große Sorgen. Sie war Lenes wichtigster Mensch im Leben geworden, seit sie ihre Eltern mit 12 Jahren bei einem Autounfall verloren hatte. Lene war auch im Fahrzeug gewesen und dabei schwer verletzt worden. Die Oma hatte ihr geholfen, wieder ganz gesund zu werden und mit ihr geübt und trainiert, bis sie ihre Beine wieder kontrollieren konnte. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass sie auch glücklich war. Sie war glücklich, obwohl sie Heimweh nach ihrer Oma hatte und sich Sorgen um sie machte. Hin und hergerissen fühlte sie sich. Dieser Mann weckte die merkwürdigsten Gefühle in ihr, wie sie bisher noch keine gefühlt hatte. „Also, werte Dame“, lächelte er ihr zu, um sie auf andere Gedanken zu bringen: „Was ist euer Begehr, womit kann ich euch glücklich machen?“ Wernher lächelte sie anzüglich an und Lene schaute frech zurück und zeigte mit ihrem Kopf auf ein gewisses Körperteil. „Was, schon wieder?“ Er lächelte glücklich und selbstgefällig. „Gell, in eurer Zeit gibt es nicht mehr so gute Männer wie mich.“ „Weiß ich nicht, ich habe noch keinen es wert gefunden, mit ihm meine Zeit zu verbringen.“ Lene brummte zufrieden, als Wernher zart an ihrer Schulter knabberte. Versunken sahen sie sich in die Augen und Wernher zog Lene zurück auf seinen Bauch und sie liebten sich mit so viel Gefühl und Glück, dass es ihr ganz schummrig wurde. Wie war das nur möglich? Sie dachten nicht länger nach, sondern genossen, das Gefühl, endlich angekommen zu sein. Da, wo sie schon immer hingewollt hatten, ohne es zu wissen. Ganz unverhofft hatten sie nun das Glück gefunden und waren beide ganz erstaunt darüber. Ein Geschenk des Lebens, einfach so – kaum zu glauben. „Was möchtest du heute tun, mein Lieb?“ fragte Wernher liebevoll. „Ich würde gern sehen, wie es in Mömlingen aussieht, Ob da ein Haus steht, wo in meiner Zeit Omas Haus ist.“ „Ah, das kann ich verstehen. Die Heimat fehlt dir sehr, gell?“ Wernher nickte verständnisvoll. „Ja, hauptsächlich meine Oma, vielleicht spüre ich von ihr dort etwas, auch wenn sie nicht da ist.“ „Gut, wenn wir gegessen haben, laufen wir los. Unterwegs kommen wir an meiner Waschstelle vorbei, da können wir uns ein wenig pflegen und dann gestärkt, den Ort besuchen.“ „Bist du da nicht in Gefahr?“ Lene wollte nicht ängstlich erscheinen, andererseits aber wollte sie keinesfalls, dass Wernher durch sie in Gefahr geriete. Wernher sah sie freundlich an. „Doch mein Schatz, aber ich werde aufpassen und wir werden uns nicht auf freiem Feld sehen lassen. Das ganze Dorf ist momentan von Mais und Frucht umgeben - der Mais steht fast mannshoch und wir können uns gut darin verbergen.“ „Einverstanden“, Lene war es zufrieden und so machten sie sich daran, die Vorräte von gestern zu verzehren. Gelberüben machten zwar nicht direkt satt, aber sie füllten den Magen und waren gesund. Nun werde ich ganz ohne Mühe abnehmen, dachte Lene zufrieden. Es gab ja nichts das dick machen könnte.

      Kapitel 14

      An der Mümling

       Einträchtig wanderten sie kurz darauf los. „Wo ist denn dein Bach?“ Lene konnte es wieder einmal nicht abwarten und Wernher zog eine Augenbraue hoch. „Geduld, Geduld, mein Lieb. Weiter unten im Tal ist das Flüsschen. Mal sehen, ob du es kennst!“ Es ging ganz schön steil abwärts, über die Wiesen und durch Hecken, und an Bäumen vorbei. „Vorsicht“, rief Wernher, das sind Brombeerranken. Die können ganz schön verletzen und richtige Hautfetzen rausreißen!“ Lene ließ sich dankbar an die Hand nehmen und Wernher half ihr, so gut es ging, hinunter. „Au, meine Knie tun schon