Schaufel, die danebenliegt, Erde darüber häufen.“ „Gibt es keine Wasserspülung?“ „Wasserspülung? Was soll denn das sein? Wenn ihr mögt, könnt ihr euch auch in einen Bach erleichtern, dann habt ihr Wasserspülung, so viel ihr wollt!“ Lene ging seufzend nach draußen und verschwand hinter der Hütte. Sie tat alles wie geheißen und war froh, dass der Druck erst einmal weg war. Zurück in der Hütte, fiel ihr plötzlich etwas ein. „Wernher, ich könnte mit meinem Handy versuchen, meine Oma anzurufen.“ „Hä?“ Er stand sichtlich auf dem Schlauch. „Na, mit dem Ding das leuchtet. Das ist gleichzeitig ein Telefon. Mit einem Telefon kann man Leute, die weit weg sind, anrufen und mit ihnen reden, auch wenn man sie nicht sieht.“ „So einen Blödsinn habe ich mein Lebtag noch nicht gehört! Dann versucht es halt, wenn ihr meint, dass das funktioniert?“ Seiner abwertenden Bemerkung zum Trotz beäugte er das Handy mit Interesse. „Ich stelle es laut, dann hörst du was ich sage und was Oma antwortet, ebenso.“ Lene schaltete das Handy ein. Sie hatte es heruntergefahren, damit der Akku nicht so schnell alle würde, es war jetzt schon nur noch auf 41 Prozent.
Kapitel 9
Stimme aus einer anderen Zeit
Sie wählte Omas Nummer und hörte es tuten. Tatsächlich – es klingelte! Lene war ganz aufgeregt und konnte kaum noch stillsitzen. „Hörst du es? Es klingelt bei Oma!“ „Tuuut -tuuuut – tuuuut“, dann hörte man, wie jemand abhob. „Faust Helga - Lenchen bist du es? Melde dich doch, sag etwas, ich habe solche Angst um dich“, sprudelte Oma aufgeregt hervor. „Ja, Oma, ich bin es, Lene.“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen ungehindert hinunterliefen. „Oma, ich bin in einer anderen Zeit gelandet, bitte hilf mir!“ „Lene, ich höre nur Rauschen und ganz weit weg, das könnte deine Stimme sein. Sprich doch lauter, mein Kind!“ Lene brüllte, so laut sie konnte, ins Telefon, aber es war sinnlos, die Oma verstand sie nicht. Es tat so weh, ihre Stimme zu hören und fast mit ihr reden zu können – fast! Lene schluchzte hemmungslos. Wie konnte das nur sein? Wie?! Sie verstand gar nichts mehr und weinte, bis sie nicht mehr konnte. Wernher hielt sie die ganze Zeit im Arm und tröstete sie. Lene war froh über seine tröstliche Gegenwart. Er streichelte ihr unbeholfen über den Rücken und klopfte ihr ein wenig auf die Schulter. „Ach Wernher, was soll ich denn jetzt machen? Ich kann nicht heim und Oma ist so nah und doch ganz weit weg.“ Er sah sie ratlos an und es fiel ihm nichts anderes ein, als ihr weiter übers Haar zu streichen und sie wieder in den Arm zu nehmen. Lene richtete sich auf und streichelte ihm nun ihrerseits übers Haar. Er war ja auch arm dran. Immerhin wollte ihn jemand umbringen und scheute nicht vor üblen Methoden und sogar Mord nicht zurück - ihr schauderte. Eigentlich fühlte sich sein Haar gar nicht so schmutzig an, wie es aussah. Schön weich war es. Sie streichelte ihn weiter und Wernher nahm ihren Kopf und drückte ihn an seine Brust. „Wir müssen nur fest zusammenhalten, dann werden wir sicher eine Lösung finden aus dieser Not“, murmelte er beruhigend in ihr Haar. Lene legte ihm den Arm um den Hals und zog sich auf seinen Schoß. Das tat gut. Sie fühlte sich richtig wohl und geborgen. Sie kuschelte sich so nah es ging an ihn und hörte seinen Herzschlag - das klang wunderbar beruhigend. Wohlig lächelnd schlief sie ein. Wernher sah auf sie hinunter und machte sich seine Gedanken. Was sollte er nur mit diesem seltsamen Geschöpf anfangen? Er betrachtete ihre langen Wimpern, den wilden ungebändigten, braunen Haarschopf, von einer Art Band zusammengehalten. Vertrauensvoll lag sie lächelnd an seiner Brust und er nahm sie gerührt noch fester in die Arme. Oh je, das waren nicht nur väterliche Gefühle, die er da verspürte, aber er bezähmte sich. Sie vertraute ihm und er hatte nicht vor, ihr Vertrauen zu missbrauchen. Vorsichtig stand er mit ihr auf und trug sie zu dem Haufen Stroh in der Ecke. Er hatte die Decke darübergelegt und bettete nun Lene darauf, klappte die Decke zu, so dass sie hineingerollt dalag. Zärtlich strich er ihr übers Haar, dann machte er sich daran, etwas Essbares zu besorgen. Er wusste eine Stelle im Wald, wo wilde Möhren wuchsen und in der Nähe von Hausen, hatte er auf einer kleinen versteckten Lichtung ein paar Kartoffeln und etwas Mais angebaut. Gut versteckt hinter Brennnesseln, damit sie niemand fände. Sorgfältig schloss er die Tür mit einem zweifelnden Blick auf Lene, hoffend, dass diese nicht auf dumme Gedanken kommen würde und ging schnell los. Er wollte so schnell wie möglich wieder bei ihr sein. Eine Stunde höchstens, würde es dauern, schätzte er. Vorsichtig lief er den Berg weiter hinauf, sich immer hinter den Bäumen haltend. Man konnte nie wissen, wen die feinen Herren Brüder noch auf ihre Seite gebracht hatten. Für Geld taten manche Menschen alles und neuerdings standen überall diese Hochsitze, die man nicht sofort sehen konnte und von denen aus sie einen wunderbaren Ausblick hatten. Er musste aufpassen und trotzdem schnell sein. Da, hinter der Eiche, begann das Dickicht, da ging keiner freiwillig hinein und ließ sich Gesicht, Arme und Beine zerkratzen. Er legte sich auf den Bauch und robbte vorwärts, wobei er mit den Ellbogen sein Gesicht schützte. Hinter den Brennnesseln sah er bereits seine kleine, geheime Pflanzung. Die Schnecken hatten auch schon mit am Mahl teilgenommen, ohne Einladung, versteht sich und sicher hatte auch das eine oder andere Reh daran geknabbert, aber es war noch genug da, für sie beide. Hm, ein paar Maiskolben, ziemlich klein, aber immerhin - die gaben Kraft. Er brach sie vorsichtig ab, ohne die Pflanze zu beschädigen, denn sie trug noch ein paar weitere Maiskölbchen. Dahinter wuchsen die wilden Möhren. Er zog vorsichtig ein paar heraus. Da es vor kurzem geregnet hatte, ging das relativ leicht, ohne dass die Rüben abbrachen. Hatte er nicht irgendwo noch ein paar Radieschen gesät? Ah, da - die waren auch gewachsen. Er erntete vier Radieschen und legte alles zusammen in ein Sacktuch, das er in seinen Säckel steckte. Dann robbte er wieder durch das Dickicht und lief vorsichtig den Berg hinunter, bis zur Hütte. Ein Glück, Lene schlief noch. Als er seine Ernte auf die Kiste legte, die als Tisch diente, räkelte sie sich, leise stöhnend.
Kapitel 10
Ein Festmahl
„Ich habe euch etwas mitgebracht!“ Stolz präsentierte er Lene seine Ausbeute. „Die sind aber klein!“ wunderte sich Lene. „In meiner Zeit ist alles größer. Gedüngt bis zum Gehtnichtmehr und hochgezüchtet.“ Wernher schüttelte missbilligend den Kopf und putzte eine Rübe mit der Hand notdürftig ab und reichte sie Lene, die heißhungrig hineinbiss. Hm, so süß schmeckten die heutzutage nicht mehr. „Schmeckt die aber gut!“ Wernher freute sich und bot ihr nun auch die Maiskölbchen und Radieschen an. Sie wollte jedoch nur weiteressen, wenn er auch etwas äße. Er brauchte seine Kraft. „Was machen wir denn jetzt? Hast du eine Idee, Wernher?“ Wernher kaute bedächtig und holte dann tief Luft. „Ich habe nachgedacht, als ich vorhin unterwegs war, zu meinem geheimen Garten und ihr geschlafen habt. Es kann jederzeit passieren, dass mich meine Häscher erwischen und mir endgültig den Garaus machen. Was wird dann aus euch? Das darf nicht passieren. Ich habe Freunde in Erlenbach. Weitläufige Verwandte. Die bitten wir um Hilfe und Geleitschutz. Mit ihrer Hilfe kehren wir hierher zurück und versuchen, das Loch wieder zu finden, um hineinzuklettern. Vielleicht kommt ihr dann auf diese Weise wieder zurück. Genauso, wie ihr herkamt. Was meint ihr?“ „Klingt gut“, meinte Lene und kaute begeistert an ihrem Radieschen. „Du bist ein guter Gärtner, hm!“ Sie verdrehte verzückt die Augen. „Wenn man Hunger hat, schmeckt alles gut“, meinte er. „Hast du auch etwas zu trinken, Wernher?“ „Dazu müssten wir zum Brunnen gehen, oder an den Bach. Ich habe gedacht, wir trinken später etwas, wenn wir daran vorbeikommen, denn wir müssen, auf dem Weg zu meinen Verwandten, sowieso in diese Richtung.“ „Gute Idee“, meinte Lene und dachte nach. „Moment mal, liegt mein Rucksack irgendwo?“ „Meinst du das blaue Ding da?“ Wernher reichte ihn ihr ihren hinüber. „Ja, genau der!“ Lene öffnete den Reißverschluss, während Wernher ihr gebannt zusah. „Das ist ja schön, zeigt mal dieses Ding – funktioniert das ganz ohne Knöpfe?“ Lene ließ ihn ein paarmal den Reißverschluss auf- und zuziehen, bevor sie ihm den Rucksack aus der Hand nahm. „Sieh mal, ich habe da noch etwas.“ Sie nahm die Flasche Fruchtschorle heraus und reichte sie ihm zum Trinken zu. „Ein Schraubverschluss ist das!“ „Aha.“ Wernher schraubte sie mühelos auf und hielt bewundernd den Deckel in der Hand. Im Dunkeln hatte er gar nicht darauf geachtet. „Trink!“ Er setzte die Flasche an die Lippen und trank ungefähr die Hälfte, bevor er sie Lene zurückreichte. „Ihr auch!“ Lene trank ganz bewusst, mit geschlossenen Augen und schloss den Deckel. Wer weiß, wann sie wieder etwas aus ihrer Zeit trinken konnte. „Wir