Birgid Windisch

Abenteuer im Odenwald 1+2


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      Kapitel 16

      Auf der Suche nach Hilfe

      Begierig hörte Wernher die Geschichten aus der Zukunft, von den Fahrzeugen ohne Pferde, die so schnell fahren konnten, wie der Wind und so viel Kraft hatten wie 80 Pferde, oder sogar noch mehr. Er konnte sich das nicht vorstellen, wollte aber alles wissen. Lene zeigte ihm ihr Handy, die Bilder darauf und ihr Auto, das sie zufällig einmal fotografiert hatte - einen Opel. Wernher konnte nicht genug davon bekommen. Aber Lene schaltete es wieder aus. Wenn der Akku leer wäre, könnte sie es nicht mehr anschalten, sie hatte kein Ladegerät dabei. Wernher ließ sich neugierig erklären, was es damit auf sich hatte. Unverständlich eigentlich für einen Menschen seiner Zeit, war er doch wissbegierig und hatte eine schnelle Auffassungsgabe. Lene hatte das Gefühl, dass er mehr verstand, als sie anfangs gedacht hatte. Sie waren beide sehr glücklich, wussten aber, dass es so kein bleibender Zustand sein konnte. Sie mussten etwas tun. Sie konnten sich nicht für alle Zeit in der Hütte verstecken. Spätestens wenn der Winter kam, mussten sie woanders hin, sonst würden sie erfrieren. Sie beratschlagten den ganzen nächsten Tag und kamen beide zu der Ansicht, so bald wie möglich Hilfe suchen zu müssen. Wernher wollte als erstes seine Verwandten aus Erlenbach - eigentlich waren es die Verwandten seiner Ziehmutter, um Hilfe bitten. Langsam packten sie ihre wenigen Habseligkeiten in den Rucksack und schlossen die Tür hinter sich. Lene sah sich wehmütig um. Hier waren sie so glücklich gewesen, obwohl sie nur sich gehabt hatten, aber genau das war es! Noch nie hatte sie so empfunden. Mit keinem Menschen bisher dieses tiefe, reine Gefühl erlebt und noch nie, war sie so von Herzen glücklich gewesen. Wernher nahm ihre Hand und sie liefen los. „Vorsicht Lene, hier gibt es viele Dornen!“ Sie setzte ihre Füße vorsichtig und folgte ihm mit schnellen, aber nicht zu hastigen Schritten. Als sie eine halbe Stunde so gegangen waren, kamen sie an den versprochenen Brunnen. Sie glaubte, sich dunkel an den Bubenbrunnen zu erinnern. In der späteren Zeit würde daran eine Tafel angebracht sein und der Brunnen schön in Sandstein gefasst. Der Wald war hier sehr dicht und der Brunnen nicht einsehbar aus der Ferne. Man musste schon nahe herankommen, um sie dort sehen zu können. Das Wasser schmeckte köstlich und sie füllten die Flasche, nachdem sie ihren Durst gelöscht hatten. „Komm Lene, hier geht es lang!“ Wernher nahm wieder wie selbstverständlich ihre Hand und Lene ließ sich bereitwillig von ihm führen, über Stock und Stein, nach Erlenbach, welches sie gut kannte. Aber wie würde es in dieser Zeit aussehen? Sie beschloss, nicht mehr darüber nachzudenken und folgte Wernher vertrauensvoll.

      Kapitel 17

      Fremde Welt

      Nach einer Stunde hatten sie den Main erreicht. Vertraute Gegend und doch ganz fremd. Ein Glück, dass Wernher dabei war. Wo war denn die Brücke? Lene sah mit panischem Blick nach links und rechts, vergeblich. Es gab keine Brücke über den Main. Wie sollten sie dann hinüberkommen? Erlenbach lag auf der anderen Mainseite! „Wernher, wie kommen wir da hinüber, es gibt ja gar keine Brücke hier?“ Wernher strich ihr beruhigend über den Handrücken. „Natürlich nicht. Es gab hier noch nie eine. Wir fahren mit der Fähre!“ „Mit der Fähre? Hast du denn Geld?“ „Nein, das habe ich nicht, aber der Fährmann ist mir noch etwas schuldig. Ich habe ihm letztes Jahr geholfen, als er nichts mehr zu essen hatte für seine Kinder, er wird uns sicher umsonst hinüberbringen.“ „Also gut.“ Lene folgte Wernher bis ans Mainufer, wo die lidschäftig aussehende Fähre an einem Strick am Ufer lag. „Oh je, sieht die wacklig aus!“ „Keine Angst!“ Wernher schob die widerstrebende Lene auf die Fähre und folgte ihr auf dem Fuße. „Wir werden sicher auf der anderen Seite ankommen, du wirst sehen!“ Der Fährmann hatte gedöst, schrak jedoch hoch beim Klang ihrer Stimmen und beim Schwanken der Fähre. „Wer seid ihr und was ist euer Begehr?“ „Ludwig, ich bin es, der Fronhof-Wernher“ „Ach du bist es!“ beruhigt sank der Fährmann zurück auf die Sitzbank. „Bitte seid so gut, bringt uns und auf die andere Seite hinüber, Ludwig.“ Dieser kratzte sich am Bart, legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen. „Und was bekomme ich dafür? Suchen sie dich etwa? Nicht, dass ich Schwierigkeiten bekomme!“ „Sie denken ich sei tot, Ludwig.“ Wernher klang bitter. „In ein Loch haben mich meine sauberen Brüder geworfen und meinem Schicksal überlassen. Dieses Mannsbild hat mich gerettet!“ Wernher hatte Lene eingeschärft, ihr Haar zu verstecken und hatte ihr seine Kappe zu tragen gegeben. Mit den Hosen würde sie jeder für ein Mannsbild halten. Es war sicherer so. Einem Weibsbild konnte alles Mögliche passieren. Als Mann war sie (hoffentlich) sicherer. Ludwig sah die beiden nachdenklich an. „Gut Wernher, weil du es bist. Du hast noch etwas gut bei mir. Wärst du nicht gewesen, hätte ich nun keine Frau und Kinder mehr. Sie wären elendiglich verhungert.“ Der Fährmann fing an, die Fähre vom Ufer los zu staken. Lene machte ängstlich die Augen zu. Da spürte sie, wie Wernher verstohlen nach ihrer Hand griff und sie beruhigend drückte. Sogleich fühlte sie sich sicherer und öffnete die Augen wieder. Der Fährmann sah arm aus, fand sie. Sein Hemd war vielmals geflickt, das sah sie sogar im Dunkeln und er war sehr dünn. Impulsiv nahm sie die Tafel Schokolade aus dem Rucksack und brach ihm eine kostbare Reihe davon ab. „Hier, Fährmann, habt ihr etwas für euere Kinder. Viel ist es nicht, aber ein wenig und besser als nichts. Sicher wird es ihnen schmecken.“ Neugierig leckte der Fährmann daran, bevor er die Reihe in seinem Säckel verschwinden ließ. Verzückt lächelte er Lene an. „Danke mein junger Herr! Meine Frau und die Kinder werden sich freuen und Gott wird es dir lohnen in der anderen Welt.“ Wie leicht man jemanden glücklich machen kann, dachte Lene verwundert. Und bei uns hat jeder so viel Schokolade wie er will, zu viel sogar, so dass wir krank davon werden können und dieser arme Mann hier ist halb verhungert und überglücklich, seinen Kindern und seiner Frau eine winzige Kleinigkeit schenken zu können. „Soll ich noch eine Reihe?“ flüsterte Lene. Wernher sah sie bedauernd an. „Lieber nicht, wer weiß, wann wir etwas zu essen bekommen. Die Schokolade wird uns bei Kräften halten, wenn wir nichts finden sollten.“ Das sah Lene ein. Ohne dass sie es bemerkt hatte, waren sie schon auf der anderen Seite angekommen und stiegen vorsichtig aus. „Man könnte meinen, der junge Herr sei ein Weib, so ängstlich ist er“, brummelte der Alte. „Er hat noch nie einen so breiten Fluss gesehen Ludwig und deshalb gesunden Respekt davor“, rief Wernher und die beiden Männer lachten grölend. Ludwig war stolz auf „seinen“ Fluss und glaubte unbesehen, dass es Menschen gab, die noch nie einen solch breiten und prachtvollen Fluss gesehen hatten. Wernher zog Lene die Böschung hinauf und sie waren bald hinter den Büschen verschwunden, die den Flussrand säumten. „Komm Lene, es ist nicht mehr weit. In einer Stunde haben wir es geschafft.“ „Eine Stunde nur? Im Dunkeln? Das glaube ich nicht“, knotterte Lene. Doch Wernher gab nicht nach und zerrte sie weiter. Der Weg wurde breiter und man konnte durch den Vollmond einigermaßen sehen, wohin man trat. Sie kamen gut vorwärts. Wernher hatte recht gehabt. In der Ferne sah man bereits Erlenbach liegen. „Wir werden nicht gleich ins Ort gehen. Es wird schon hell. Ich kenne eine kleine Höhle, dort werden wir rasten. Ich werde später erst einmal alleine zu meinen Verwandten gehen und du bleibst in der Höhle versteckt.“ Lene nickte, was Wernher zwar nicht sehen, aber am Luftzug spüren konnte. So wanderten sie einträchtig weiter. In ruhigem Tempo, aber gleichmäßig, so dass sie gut vorankamen. Als sie fast dort waren, wollte Lene wissen, wo die Höhle sei und Wernher führte sie in einen kleinen Steinbruch. „Hier haben früher schon die Römer Steine geschlagen. Da hinten im Wald, ist unser Versteck, komm!“ „Ja, ich komme ja schon!“ Lene trottete weiter an Wernhers Hand hinter ihm her. Ihre Füße mochte sie gar nicht sehen. Die sahen sicher lustig aus. Mit Blasen und Schwielen vielleicht sogar schon. Hinkend ging sie weiter, sie konnte kaum noch laufen. Wernher nahm es gar nicht zur Kenntnis und zog sie in ein Dickicht, das auf den ersten Blick undurchdringlich wirkte. „Au, da sind Stacheln!“ schimpfte Lene leise. Wernher kam zu ihr, befreite Lene aus der Brombeerranke und zog sie vorsichtig um eine kleine Kurve. Schon standen sie auf einer kleinen Lichtung und sie sah, dass der Eingang der versprochenen Höhle direkt vor ihnen lag. „Ist da auch kein Viehzeug drin?“ wollte Lene mit ängstlichem Gesicht wissen. „Nein, es gibt keine Bären hier und Wölfe hat man auch schon länger keine mehr bei uns gesehen“, antwortete Wernher. „Was?“ Ich meinte doch Spinnen und Käfer! Gibt es hier etwa auch große, gefährliche Tiere? Dann gehe ich nicht hinein!“ „Wo willst du denn dann hin, Weib?“ Wernher war leicht ungeduldig. „Es gibt sonst nichts