Günther Dümler

Mords-Brand


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nix mehr zum Essn ghabd. Vor lauder Gschäfd binni heid nedd amal zum Middoochessn kummer. Dess mou mer si erschd amaal durchn Kobf gäih lassn. Normaal iss dess fei nedd. Im wahrsdn Sinn des Wordes wäri ball inmiddn von an goudn Zendner Worschd und ann ganzn Berch Fleisch bei lebendichn Leib verhungerd. Kännd er eich dess vuurschdelln?“

      Das konnte und wollte niemand am Tisch, sie selbst eingeschlossen. Angesichts Giselas properer Figur konnte man gut und gerne davon ausgehen, dass ihren vollen Backen selbst eine mehrwöchige Nulldiät keinen wirklich bedrohlichen Schaden zufügen könnte, sondern eher eine förderliche Wirkung haben würde. Alle vier waren sie prall und rund. Aber egal. Hunger oder zumindest Appetit hatten auch die anderen.

      „Resi! Bringsd amal die Schbeisekardn?“

      Die Resi ist eine flotte Bedienung, nicht nur dem Aussehen nach und so wurden sogleich die Schafkopfkarten bei Seite und die Konzentration auf die reichhaltige Speisekarte gelegt. Wobei man diese eigentlich gar nicht wirklich benötigt hätte, denn die Stammgäste kannten sie schließlich in- und auswendig. Aber irgendwie gehört sie zum Ritual.

      Alle hatten bereits ihre Wünsche geäußert, als die Reihe an Peter kam. Der bestellte zum Erstaunen seiner Freunde ein einfaches, paniertes Schweineschnitzel.

      „Na horch amaal Beder, weecher an Schnitzl brauchd mer doch nedd in die Wärdschafd gäih. Dess kommer doch derhamm aa hobn. Dou sucher mer scho woss raus, wossi nedd alle Daach gräich“, gab Simon seinen Kommentar, aber Peter hörte gar nicht richtig hin, denn er war bereits in einen intensiven Dialog mit der feschen Resi vertieft.

      „Schnitzl. Mid Kardofflsalaad odder Bommes?“

      „Naa, kanne Bommes nedd, ich bin froh, wenni widder amaal an anschdändichn Kardofflsalaad gräich.“

      Angesichts Resis gerunzelter Stirn setzte er zu einer eingehenden Erklärung an.

      „Wissns, derhamm gibdds seid einicher Zeid blous nu immer die so genannde Meddiderraane Kosd. Leichde Küche, verschdennerns Resi? Abnehmer sollerdi nämlich, maand mei Frau. Sie sachd zwar nix, abber ich mergs ja, dass nix gscheids mehr zum Essn gibbd. Dess ewiche Zucchinigelutsche, dess soll ja daadsächli gsund sei, Viddamine und so, abber in Fisch, äs Fleisch, alles blouß mehr nu dämbfd in an Gmäisbedd mid idalienische Gräuder? Ich wass hald nedd.“

      Es gehörte eine ganze Menge Mut oder auch nur ene entsprechende Portion Frust dazu, dieses Urteil in so deutlicher Form und im Beisein der für die Ernährung im Hause Kleinlein zuständigen Ehefrau Marga zu äußern. Da schien sich doch tatsächlich zwischen den beiden sonst so patenten Eheleuten ein bisher unausgesprochenes Konfliktpotential aufgestaut zu haben. Maria wollte, noch bevor Marga kontern konnte, schlichtend eingreifen und versuchte die bedrohlich hohen Wogen zu glätten, noch bevor diese sich tatsächlich zu einem zerstörerischen Tsunami aufschaukeln konnten.

      „Also, ich finds ja scho mäier zaidgemäß, wemmer haid niad mehr goar a sua fett isst. Mediterrane Küche, warum denn niad. Döi Südländer sann ja olle niad umsonst niad annähernd a sua dick wöi die Leit bai uns dou. Und dou siggd ma ja scho, dass döi laichde Kost vüll gsünder iss als wöi des ganze raichhaldige Essn, weeger dem unseroins ollerwail hoascharf an der Grenze zum Übergwichd balangsiert.“

      Es gab mindestens zwei Personen am Tisch, die heilfroh gewesen wären, wenn sie an der Grenze zum Übergewicht balancieren hätten können und zwar gerne auch von jenseits der gefährlichen Grenze aus gesehen. Sie hielten sich wohlweislich vornehm zurück.

      „Freili iss gsünder“, gab Peter bereitwillig zu, „abber ab und zu brauchi ebn aa widder amal woss Herzhaffdes. Simmer amaal ehrlich. Wäi iss denn überall? Wos du hiekummsd Dommaade-Mozarella mid a boar Bassilikumbläddler und Balsamigo anschdadds a Drumm Fleisch midd an anschdändichn gmischdn Salaad mit Zwiefeler, Essich und Öl. Balsamigo, dess glingd wäi dess Zeich woss die Maria die Leit auf die Haud schmierd, dass nedd nu völlich ausdruggnd.“

      Die beiden zuvor noch stumm gebliebenen Übergewichtigen getrauten sich diesmal wenigstens zustimmend zu nicken. Dann mischte sich auch noch die Resi ein, denn Frauen sind, wenn auch sonst eher Konkurrentinnen in manchen Fragen immer einig. Schon aufgrund ihrer Genzusammensetzung, gewissermaßen infolge eines genialen göttlichen Schöpfungsplanes, sind sie gezwungen, einem jeden Anflug von männlicher Aufmüpfigkeit und sei er auch noch so flüchtig, reflexartig und in sonst ungekannter Geschlossenheit entgegentreten.

      „Überdreim ses fei nedd, Herr Gleinlein. Außerdem maaner sie Balsam, dess hodd midd Balsamico nix zum dou.“

      „Von mir aus. Abber sie wissns ganz genau wossi sagn will. Und dessweng mächdi etz drotzdem amaal widder a gscheids Schnitzl mid ann Kartofflsalaad.“

      Nachdem die grundsätzlichen Dinge geklärt waren rauschte die Resi schmunzelnd ab. Am Tisch kehrte Ruhe ein, teils in Erwartung des guten Essens, teils jedoch Peters Aufmüpfigkeit geschuldet, ganz im Gegensatz zu den beiden zusammengeschobenen Tischen im hinteren Teil des Lokals.

      Dort hatten die Männer der freiwilligen Feuerwehr Röthenbach Platz genommen. Sie hatten zuvor im Rahmen der regelmäßigen Fortbildung einen staubtrockenen Vortrag über „die Beschaffenheit der nach „DIN Sowieso“ hergestellten Wasserschläuche im Allgemeinen und deren Verwendung im Dienste der Brandbekämpfung im Besonderen“ gehört, noch dazu von einem mäßig begabten Redner in einer extrem langatmigen Weise vorgetragen, die selbst den Geduldigsten unter ihnen die Kehle nachhaltig ausgedörrt hatte. Da galt es, umgehend für einen angemessenen Feuchtigkeitsausgleich zu sorgen. Wasser benutzen die Herren ausschließlich in Ausübung ihrer aufopferungsvollen Tätigkeit im Dienste der Brandbekämpfung, niemals aber im Rahmen der unvermeidlichen und rein privaten Nachbesprechungen im Adler. So wie eben.

      Draußen schien sich ein gewaltiges Unwetter zusammenzubrauen, was sich durch ein stetig lauter werdendes Donnergrollen und durch in immer kürzeren Abständen am Nachthimmel dahinzuckende Blitze bemerkbar machte. Ein paar Mal flackerte die Deckenbeleuchtung im Adler sehr verdächtig. Das Zentrum des Unwetters lag offenbar direkt über Röthenbach, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tat. Die war trotz des durch den heulenden Wind und den krachenden Donnerschlägen verursachten Lärms und aufgrund einiger Gläser Hefeweizen bald schon als durchaus entspannt zu bezeichnen. Die ersten Lachsalven tönten vom Feuerwehrtisch her durch den Raum. Anscheinend wurden Witze erzählt. Nicht alle brandneu. Nicht alle stubenrein.

      Ein Gewitter regt heutzutage niemand mehr auf. Die Häuser haben alle Blitzableiter. Die Zeiten sind lang vorbei, wo die Oma vom ersten leisen Donnergrollen an bis zum Ende des bedrohlichen Naturschauspiels ohne Unterlass zu den Wetterheiligen Johannes und Paulus betete, eine geweihte, schwarze Wetterkerze anzündete und im ganzen Haus nur noch leise geflüstert werden durfte, so als ob die lauten Stimmen das Unglück magisch anziehen würden. Die beiden angerufenen Nothelfer haben übrigens nichts mit den bekannten Aposteln gleichen Namens zu tun. Sie waren der Legende nach Hofbeamte im Dienste der Tochter von Kaisers Konstantin, dessen Nachfolger sie wegen ihres standhaften Glaubens kurzerhand enthaupten ließ. Von Wundertaten im Allgemeinen oder gar im Zusammenhang mit Unwettern im Besonderen ist nichts bekannt. Weil aber ihr Gedenktag inmitten der Jahreszeit liegt, wo es die meisten Gewitter und Hageleinschläge gibt, wurden sie vom Volksglauben, ohne einschlägig in die Geschicke eingegriffen zu haben, zu Wetterheiligen befördert. Die Oma wusste das zwar alles nicht, war sich aber schon immer sicher, dass Beten in jedem Fall alle Arten von Gefahren abzuwenden im Stande ist. Wenn es vielleicht auch nicht in dem angestrebten Sinne half, der Oma verhalf das Ritual auf jeden Fall dazu, während der schlimmsten Minuten Ablenkung zu finden.

      Heutzutage droht die größte Gefahr vielleicht den vielen teuren Hi-Tech-Elektrogeräten, die es in allen einigermaßen modernen Haushalten gibt und die im Falle einer Überspannung einen bleibenden Schaden davontragen können. Aber den würde doch sowieso die Versicherung tragen, oder? Für größeren Ärger sorgen da schon die starken Regenfälle, weil sie beim Empfang des Fernsehprogramms über eine Satellitenschüssel regelmäßig zu einem Totalausfall von Bild und Ton führen, natürlich immer im falschen Moment. Möglicherweise sogar während einer spannenden Sportsendung, am Ende gar während der Live-Übertragung eines enorm wichtigen Clubspiels. Nur noch beständiges Rauschen und ein