Bastian Litsek

Das Geschenk der Psychothriller-Parodie


Скачать книгу

und fegte den ganzen Krempel zurück in seinen Sack. „Das hatte sich dieses Jahr eine Frau Schwarzbrot gewünscht. Hat wohl vor, sich scheiden zu lassen, außergerichtlich nehme ich an.“

      Er tauchte tief in seinen Sack hinab, bis nur noch die Beine herausschauten. Kurz darauf war der Weihnachtsmann vollständig in seinem Geschenkesack verschwunden. Merlan konnte Geräusche hören. Schwerter, die aneinander rasselten, ein T-Rex, der Feuer ausstieß, und ein Raumschiff, das seine Laserkanonen abfeuerte. Merlan hoffte, dass diese Dinge weitere Bedeutung in der Handlung hatten und nicht nur als einmalige Erscheinung für irgendwelche Effekthascherei herhalten mussten.

      Mit einigen frischen Narben am Arm tauchte der Weihnachtsmann wieder aus seinem Sack auf.

      „Hier ist es“, sagte er und schmiss ein rotes Geschenk mit einer silbernen Schleife auf den Tisch.

      Und als Merlan es so sah, musste er plötzlich an den armen Hund denken, den er vorher verfolgt hatte. Ob es ihm wohl gut ging? Er wünschte sich in diesen Moment nichts sehnlicher, als dass die Box mit dem Geschenkpapier den Hund enthielt.

      Und da geschah es.

      Draußen schob sich eine Wolke am Mond vorbei. Der Weihnachtsmann stürzte zum Fenster.

      Vollmond!

      „Oh nein“, sagte er und sah in Merlans Richtung.

      Der wand sich vor Schmerzen, schrie und ächzte. Er stürzte hinter dem Tisch hervor und riss sich die Haut in Fetzen vom Leibe. Eine spitze Schnauze mit messerscharfen Zähnen brach aus seinem Mund hervor. Merlans Zähne wurden bei der Verwandlung gewaltvoll aus dem Zahnfleisch gebogen und spritzten Blut aus dem Mund.

      Die Verwandlung hatte begonnen!

      Der Weihnachtsmann griff in seinen Sack voller Geschenke, zog ein geladenes Thompson Maschinengewehr hervor. Er entsicherte es.

      RITSCH-RATSCH!

      Er zog eine Zigarre aus seinem Mantel, feuerte eine Salve in die Decke und entzündete den Tabak mit der glühenden Mündung seines Maschinengewehrs.

      Merlans menschlicher Körper fiel weiter in blutigen Fleischstücken zu Boden. Er hatte inzwischen das Doppelte an Größe und Muskeln gewonnen. Und mindestens das Siebenfache an Körperbehaarung.

      Der Weihnachtsmann richtete das Maschinengewehr auf das Monster mit dem blutigen Fell, pustete den Rauch zu einem Mundwinkel hinaus und sagte: „Es wird Zeit, die Geschenke zu verteilen.“

      Er drückte ab.

      Wie Feuer brach der Kugelhagel aus dem Lauf seines Maschinengewehrs los. Und als sich dreißig identische Kampfroboter unter ihren Trenchcoats erhoben, brach im Restaurant „Frisch aus dem Fett“ in epischsten Ausmaßen die Hölle los.

      Der Kampf dauerte bis tief in die Nacht hinein.

      Zurück in der Gefängnisbücherei

      „Warum glaube ich, dass diese Geschichte sehr freizügig ausgeschmückt wurde?“, sagte Hermes fragend.

      „Genau so ist es passiert“, beteuerte Merlan. Seine Augen zuckten ungläubig hin und her.

      „Du hast dich in einen Werwolf verwandelt und gegen den Weihnachtsmann und dreißig Kampfroboter gekämpft?“

      „Ja, genauso war es“, sagte Merlan. „Und ich habe gewonnen. Und wenn ich nicht die Wahrheit sage, soll Gott mich hier und jetzt niederstrecken.“

      Merlan blickte nach oben an die Decke der Gefängnisbücherei. Hermes und Candy machten vorsichtig einen Schritt zur Seite. Alle drei erwarteten insgeheim, dass Donner zu hören war, und ein Blitz durch die Decke fahren würde, um Merlan zu grillen. Doch nichts dergleichen geschah.

      Die Glühbirne über ihm begann zu flackern und erlosch.

      „Huh“, machte Merlan. „So was … Ihr wollt also sagen, dass ihr Wert auf die Wahrheit legt?“

      „Vielleicht nicht unbedingt die Wahrheit“, bemerkte Candy, „aber zumindest einen Hauch von Realismus. Wir sitzen eine ganze Zeit zusammen ein. Wie sollen wir uns besser kennenlernen, wenn du uns behandelst wie deine dritte Liebhaberin in einem anderen Land?“

      „Genau!“, sagte Hermes.

      „Dann will ich weitererzählen“, fuhr Merlan fort, „sofern ich mich erinnern kann. Oder auch nicht. Lasst mir etwas kreative Freiheit, ja? Ich frage ja auch nicht ständig nach, warum ich im Gefängnis sitze. Was mich wirklich interessieren würde.“

      Seine beiden Mitinsassen schauten verlegen in verschiedene Richtungen. Candy pfiff vor sich hin, Hermes kontrollierte mit ausufernder Sorgfalt die Uhrzeit an seiner Armbanduhr, welche er sich beim Frühstück aus Haferflocken und einem defekten Löffel gebastelt hatte. Richtige Armbanduhren waren im Gefängnis nicht erlaubt.

      „Gut“, sagte Merlan. „Dann wollt ihr bestimmt wissen, was in dem Geschenk war.“

      „Geschenk?“, fragte Hermes. „Ach das Paket, welches der Weihnachtsmann dir geben wollte.“

      „Richtig. Ich hab es natürlich genommen. Wer in einer Frittenbude arbeitet, die davon träumt, ein richtiges Restaurant zu sein, sollte nicht zu wählerisch sein, was Geschenke angeht. Egal, wer sie verteilt.“

      Doch mit einem Mal war das Bild wieder scharf.

      Merlan hatte noch etwas zu sagen.

      „Bevor es weitergeht, kommt noch eine klitzekleine andere Szene.“

      „Muss das sein?“, fragte Hermes.

      „Hey, wollt ihr ein spannendes Buch oder eines, das nur albern ist?“

      „Eines, das sich schnell ausliest …“, lästerte Candy kleinlaut.

      „Ruhe auf den billigen Plätzen“, fuhr Merlan ihn an. „Also, wo waren wir?“

      Hitzeschlieren. Flimmern. Unschärfe!

      Wenn Sie jemanden sehen, auf den diese Beschreibung passt, stecken Sie ihm ein Stück Schokolade in den Mund (Männer muss man nicht fragen, bevor man sie anfasst, die mögen das) und streicheln Sie ihm mit einem „Ei-di-dei“ über den Kopf. Wenn er schnurrt, dumm dreinschaut oder Sie fragt: „Was soll das?“, haben Sie alles richtig gemacht und können weglaufen.