Bastian Litsek

Das Geschenk der Psychothriller-Parodie


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reisen durch ein Portal in eine andere Zeit und treffen auf Steinzeitmenschen, deren Kultur sie erheblich voranbringen. Sie etablieren eine beherrschende Weltmacht, wenden den Asteroiden ab, der die Dinosaurier zerstört hat, und am Ende von Staffel eins verschwinden sie, weil sie ja jetzt quasi ihre eigene Existenz verhindert haben. Die Dinosaurier beherrschen die Welt. Tragen lustig aussehende Kleidung, fahren riesige Autos. Staffel zwei wäre dann eine Sitcom oder eine halb-pornografische Horrorserie.“

      Achteck Fuldas hob mahnend den Finger. „Hat uns Avengers Endgame nicht gelehrt, dass eine Timeline besteht und nicht erlischt, wenn man etwas verändert, sondern eine neue Timeline erschafft?“

      „Ach Fuldi, Zeit ist, was du daraus machst. Das ganze Zeitgefüge hat sich jemand ausgedacht, genau wie die Bibel.“

      „Ho ho ho“, sagte er und schaute sich um. „Vorsichtig mit solchen Anschuldigungen. Wir wollen doch nicht den Marktanteil deiner gläubigen Leser verlieren. Geld ist Geld, Basti, vergraul mir die Leute nicht.“

      „Oh, recht hast du. Das streichen wir dann wohl mal lieber …“, sagte Litsek, markierte die blasphemische Textstelle und hämmerte auf die Löschen-Taste an seinem Laptop.

      „Das ist alles ein wenig zu abgefahren …“, sagte der Agent und seufzte.

      „Du willst es einfach? Hab ich auch im Programm. Eine Comedy-Show über einen Autor und seinen Agenten, die versuchen, nach gescheiterten Beziehungen und ohne jegliches Einkommen wieder auf die Beine zu kommen. Sie ziehen zusammen. Endlich kommt etwas Neues zustande, doch Liebe und alte Feindschaften drohen, ihr neues Filmprojekt zu zerstören.“

      „Eine Sitcom?“

      „Oder was ist damit: Ein kleiner Bär, der einen fliegenden Freund hat, mit dem er Abenteuer erlebt? Kunterbunt und süß. Zeichentrick.“

      „Eine Kinderserie? Ich bezweifle, dass jemand dich einspannt, um Kinder zu unterhalten.“

      „Hey“, sagte Litsek und wies gestikulierend alle Schuld von sich, „solange sie mich nicht kennen, verkaufst du mich eben als das, was ich sein sollte, oder? Das ist dein Job.“

      „Stimmt auch wieder. Aber wenn das das Beste ist, was du …“

      „Eine WG! Vladimir Putin, Angela Merkel und Donald Trump müssen gemeinsam in einem Haus leben und erteilen sich gegenseitig Aufgaben. Wir wechseln jede Staffel die Regierungsoberhäupter und am Ende wird jedes Mal der exekutiert, der die wenigsten Punkte hat.“

      Achteck Fuldas Orion war sprachlos. „Du willst jemanden umbringen?“

      „Nur im Spaß, als CGI-Animation oder so. Ach komm, die Beliebtheitswerte von den Leuten werden durch die Decke gehen. Wir machen das mit Stil.“

      „Uaaaaah“, sagte der Agent und schüttelte sich bei der Vorstellung.

      Bastian Litseks Gehirn feuerte wild Ideen für die Politiker-Show ab: „Schachduelle bei Livemusik während eines Hochseegefechts, Schwertgefechte ohne Schutzkleidung. Wettrennen und teure Autos. So Schnickes, den sich nur Superreiche leisten können.“

      „Und wie willst du die ranghöchsten Politiker der Welt von so etwas überzeugen?“

      „Wir versprechen ihnen Wählerstimmen und Geld, wenn das nicht hinhaut: Prostituierte.“

      Der Agent warf den Kopf in den Nacken und stöhnte genervt. „Basti, ich muss gehen, ich hab noch einen anderen Termin.“

      „Halt bitte“, sagte Litsek und rutschte auf seinem Sitz nach vorne. „Ich hab noch mehr, nicht jede Idee ist Gold wert, auch ich fasse mal daneben.“

      „Mal daneben“, wiederholte der Agent. „Basti, du bist seit fast zehn Jahren mein Klient. Kein Verlag im ganzen Land will deine Bücher. Himmel, wir haben sogar zwei davon auf eigene Kosten ins Englische übersetzen lassen, und was ist dabei rausgekommen? Niemand hat sich gemeldet. Als ich dir gesagt hab, du kannst das Ding im Selbstverlag herausbringen, war das mehr ein Scherz als ein ernst gemeinter Vorschlag.“

      „Aber es hat funktioniert! Es hat sich verkauft?“

      „Gerade mal so, ja. Genug für die Fortsetzung, die dir aber gerade zu entgleiten scheint. Und deine Serien-Ideen sind wirklich verrückt.“

      „Eine Ente, die sprechen kann und auf der Suche ist nach ihrer Familie!“, flehte Litsek den Agenten an.

      „Das gibt es schon.“

      „Mist“, brummelte Litsek. „Wie wäre es dann mit …“

      Sein Agent brachte ihn mit einem Handzeichen zum Schweigen. Er hatte genug. „Das Eis ist dünn, Basti“, sagte er und trank seinen Kaffee aus. „Und wenn es bricht, sinken wir alle ein.“ Er schaute irgendwo hin, während seine Gedanken abschweiften. „Du kannst froh sein, dass bisher niemand von Droemer Knauer hiervon Wind bekommen hat. Deren Rechtsabteilung lässt das Imperium in Star Wars aussehen wie eine freundliche Armee aus Seelsorgern.“

      „Achteck, ich …“

      „Wir sprechen uns, Basti. Tu dein Bestes mit dem Rest dieses Buches. Es hängt mehr davon ab, als du dir vorstellen kannst.“

      Der Agent ging. Litsek blieb alleine am Tisch zurück und schlürfte verlassen und einsam durch einen Strohhalm seine Vanille Cola Zero.

      „Mist“, brummelte er. Dann nahm er sich den Laptop und gab etwas ein.

      Merlan setzte sich ihm gegenüber. Bastian schnippte mit dem Finger und Merlan erwachte wie aus einer Trance.

      „Was zum Teufel war das?“, fragte der Hauptcharakter dieses Buches.

      „Ich bin mir sicher, du hast viele Fragen. Eine davon“, sagte der Autor, „werde ich dir gewähren.“

      „Warum tragen Sie beide Jogginganzüge zu einem geschäftlichen Treffen?“

      Bastian Litsek brauchte einen Moment. Merlan hätte alles nur Denkbare wissen können. Das Ende zum Beispiel. Manche Leute waren sich nicht im Klaren, was sie überhaupt wollten.

      „Hast du etwa richtige Anzüge erwartet?“

      „Irgendwie schon, ja.“

      „Es ist nicht diese Art von Buch“, sagte Litsek und gestikulierte Merlan, die Sache nicht so ernst zu nehmen.

      Bastian Litsek zog eine Taschenuhr aus seiner Hosentasche. Er nahm sie in die Hand und pendelte die Uhr vor Merlans Augen hin und her.

      „Deine Glieder werden schwer, du wirst müde. Wenn ich bis drei gezählt habe, bist du wieder in einem Tagschlaf gefangen, bis der nächste für die Handlung relevante Charakter auftritt …“

      Merlan schaute gebannt auf das Pendel.

      Es schwang nach links.

      Es schwang nach rechts.

      „Eins …“

      Links

      „Zwei …“

      Rechts.

      „Drei!“

      Merlans Augen wurden wieder glasig. Er sabberte.

      Bastian Litsek nahm seinen Laptop unter den Arm und stand auf. Wehleidig betrachtete er den Protagonisten seiner Tragödie. Dann seufzte er und schaute dem Leser direkt in die Augen.

      „Jetzt bekommt er es gleich. Sein Präsent.“3