Bastian Litsek

Das Geschenk der Psychothriller-Parodie


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tief im Inneren war er ein kleines Sündenschwein, das sich gerne im Selbstmitleid suhlte. Er würde sich bestimmt nicht umbringen, dafür hatte er viel zu viel, für das es sich zu leben lohnte. Wer solle denn dann seinem Vermieter monatlich Geld für seine Wohnung in Berlin überweisen? Wer solle die Burger ins Fett werfen und frittieren, wer die Dose Salat aufreißen, um die Dose Dressing darüberzuschütten? Und wer würde an seiner statt Leute ausbeuten, die sogar noch weniger in der Birne hatten als er?

      Das Leben war gut. Jawohl. Und wer was anderes sagte, war doch nur neidisch. Und genau das gab Merlan Kraft. Neider. Es macht nichts so sehr Spaß, bis es einem jemand anders nicht gönnte.

      Mit bester Laune kam er am Restaurant an.

      „Frisch aus dem Fett“ wurde in drei Schichten bekocht, jeweils acht Stunden. Der Laden war 24 Stunden geöffnet, jedoch wusste jeder, der sich auskannte, dass man dort nicht zwischen 1:00- 9:00 Uhr warme Speisen bestellte. Der Koch, der dann Dienst hatte, brachte seiner Arbeit eine gewisse Abneigung entgegen und schaffte es tatsächlich, das Fast Food schmecken zu lassen, als würde er die Burger unter seinen Armen frittieren.

      Am Eingang stand Paulchen Panthers Bodyguard, Kötte. Ein vergnüglicher Mittfünfziger mit Hut und abgetragener Lederjacke. Seine Haltung war gekrümmt, sein Gesichtsausdruck hing immer schief unter seiner gekämmten Frisur und konnte von „Aha … so so …“ bis hin zu „Na, was willst du den, Flitzpiepe?“ wirklich alles bedeuten.

      Doch Merlan schien er zu mögen.

      „Na so was“, sagte Kötte, der immer nach kalten Zigarillorauch roch. „Wen haben wir denn da. Den Sternekoch persönlich.“ Er nahm seinen Hut ab und machte einen Knicks. „Hochwürden …“

      „Danke“, sagte Merlan und wippte mit der Hand am Bauch auf den Zehenspitzen nach oben. „Stehen Sie bequem, Köttchen.“

      Kötte entspannte sich. „Der Chef hat nach dir gefragt. Er will dich an Tisch drei sehen.“

      „Wirklich? Bin ich zu spät?“

      „Keine Ahnung, ich hab keine Uhr. Und ma ehrlich, findest du es nicht komisch, dass sich ein Frittenbuden-Besitzer Sorgen macht, wenn der Koch zu spät kommt?“

      „Na ja, Arbeit ist Arbeit und Pflicht ist Pflicht. Ob man jetzt die Straße kehrt oder die nächste Generation in der Schule züchtigt, wir alle haben unser Rädchen zu drehen, damit die Maschine läuft“, dozierte Merlan mit erhobenem Zeigefinger.

      Kötte klimperte mit den Augenbrauen.

      „Aha. Wo hast du denn das her, Genosse?“

      „Angeborenes Pflichtbewusstsein.“

      „Du? Ha!“, sagte Kötte und lachte erstickt. „Bist du sicher, dass du das nicht auf dem Weg hierher gefunden hast?“

      „Wenigstens spiele ich nicht den Sicherheitsmann für einen vertrottelten Typen, der den ganzen Tag in einem fleckigen Paulchen-Panther-Kostüm rumläuft“, sagte Merlan und rümpfte dem Sarkasmus passend seine Nase.

      „Ja“, sagte Kötte selbstmitleidig, „das ist so eine Sache …“ Er kratzte sich am Kinn. „Aber sei so gut und lass dich an Tisch drei blicken, dem Chef ist es wohl ein Anliegen.“

      „Ist es dir schon mal in den Sinn gekommen“, fragte Merlan, „dass wir für einen Verrückten arbeiten?“

      „Verrückte sind die besten Arbeitgeber, glaub mir. Du willst nicht für jemanden arbeiten“, er begann an den Fingern aufzuzählen, „der übereifrig, jung und hoch motiviert ist. Nein danke. Da lobe ich mir unser Paulchen. Kaum mehr als eine Latte am Zaun, aber er zahlt pünktlich, gut und er gibt mir des Öfteren ein Feierabendbier aus.“

      „Hast du denn keine größeren Ansprüche an das Leben?“

      „Ach“, sagte Kötte und zuckte mit dem Kopf, „auf Barbados hab ich drei Jahre gelebt, Millionen hab ich gehabt, Sportwagen bin ich gefahren und die schönsten Frauen haben mein Bett geteilt.“

      „Und wieso bist du dann hier?“

      „Weil ich so gerne im kalten Dezember vor Frittenbuden stehe und mir meine zwölfhundert Eier im Monat verdiene. Hast du jemals nachgedacht, bevor du etwas fragst?“

      „Ich denke selten nach.“

      „Eine weitverbreitete Geschlechtskrankheiten. Bei Frauen oft noch schlimmer als bei Männern. Wird durch Konversation übertragen.“

      „Du solltest Kalender schreiben bei deinen Weisheiten.“

      „Werd nicht frech ja? Sonst kommst du hier nicht rein!“

      „Aber ich arbeite hier?“

      „Ach so ja … stimmt … na dann mach mal, dass du reinkommst.“

      Merlan wollte gerade an ihm vorbei, da wurde er von Köttes Hand aufgehalten. „Eine Sache noch. Wie heißt dieses Lied. Ich kann mich nur noch schwach an die Lyrics erinnern: If you don’t scrub that kitchen floor, You ain’t gonna rock and roll no more …“

      Merlan warf die Hände in die Luft und rief: „YEKTY YAK!“

      Ein Saxofonist begann zu spielen und eine A-capella-Gruppe tanzte um die Ecke, die Männer sangen: „Don’t talk back!“

      Wie sich Kötte die alten Klamotten vom Leib riss und einen Frack präsentierte, machte Merlan, dass er ins Restaurant kam.

      Merlan band sich in der Küche seine Schürze um und kontrollierte die Bestellungen. Tabea war noch nicht da, ein junger Kerl im Studentenalter bediente die Tische.

      Schnell waren die Burger und Fritten sowie das eine bestellte Steak zubereitet. Er arbeitete mit dem Koch der Mittagsschicht zusammen und machte dann die Übergabe.

      „Vieles ist dreckig, das muss sauber gemacht werden“, sagte der andere Koch, den Merlan nur liebevoll „Kelle“ nannte, da er immer eine Suppenkelle an einem Band um den Hals trug.

      „Danke“, sagte Merlan und verzog das Gesicht. „Sauber mache nicht ich, sondern die Küchenhilfe, wie oft soll ich dir das noch sagen?“

      „Es ist trotzdem dreckig.“

      Die beiden starrten sich an. Keiner konnte dem anderen etwas abgewinnen. Wie zwei Soldaten, die sich gegenseitig auswechselten, standen sie sich gegenüber. Der eine von Kopf bis Fuß mit Fett bespritzt, zerzaustes Haar, Augenringe und Hände so rau wie Reibeisen.

      Der andere sauber, als hätte man ihn gerade erst aus der Verpackung befreit. Es war geradezu barbarisch, was acht Stunden Gastronomie mit einem Menschen anstellen konnten.

      Kelle nahm seine Suppenkelle vom Hals und klopfte Merlan auf den Kopf. Dann lief er davon. So ging das jeden Abend.

      Der Schlag auf den Kopf beförderte den Gedanken nach oben, dass er an Tisch drei vortanzen sollte. Merlan schmierte sich schnell etwas auf die Schürze, es sah immer schlecht aus, wenn ein Koch nicht dreckig war, und ging zu Tisch drei.

      „Hey sachte“, sagte der schlankere von beiden und nahm seinem Gegenüber den Laptop weg. „Die Geschichte ist ein empfindliches Spinnennetz aus Handlung, Charakter und Liebe zum Detail. Jetzt muss ich so eine blöde Fußnote hinzufügen, damit sich die Leute nicht wundern.“

      Der Dicke im Jogginganzug muss so laut lachen, dass er sich verschluckte und zu ersticken drohte. Er hämmerte auf den Tisch. Sein Gesicht wurde knallrot.

      „Geschieht dir recht“, sagte der mit dem Laptop. „Finger weg von meiner Handlung.“

      Der Dicke begann wieder zu prusten.

      „Äh“, machte Merlan.