Bastian Litsek

Das Geschenk der Psychothriller-Parodie


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Auch Pump- oder Haremshose genannt. Haben Sie sicher schon mal gesehen. Der Schritt hängt praktisch zwischen den Knöcheln. Sieht bescheuert aus.

      Verdutzt schaute die Therapeutin Merlan hinterher, der aus dem Raum gestürmt war. Er hatte die ganze Zeit so getan, als würden sie sich in einem Erdbeben befinden und war von links nach rechts geschwankt, als würde die Erschütterung ihn durchrütteln.

      Tabea blickte gerade aus dem Fenster und zog den Kopf zurück. „Wie vermutet“, sagte sie. „Da ist nichts.“

      Sie ging hinaus auf den Flur. Ein Fenster stand offen, Merlan musste hindurchgekrochen und geflohen sein. Sie warf einen Blick aus dem Flurfenster. Am hinteren Teil des Gebäudes befand sich tatsächlich eine Feuerleiter.

      „Sie haben eine Feuerleiter?“, fragte Tabea zurück im Arbeitszimmer der Therapeutin.

      „Ach, der Eigentümer liebt diese amerikanischen Polizeiserien und hat eine installieren lassen. Kommt gut an bei den Bewohnern. In Kreuzberg kommt es des Öfteren vor, dass einer abhauen muss.“

      „Wieso wohnen Sie hier? Sie verdienen bestimmt ganz gut.“

      „Oh ich wohne hier nicht. Ich miete mir immer Behandlungsräume über Air BnB für einen Monat. Ich arbeite mit gestörten Menschen, denen will ich keine feste Adresse geben. Aber sagen Sie, wo ist Ihr Mann hin?“

      „Auf und davon. Sie müssen entschuldigen. Es ist eine Art Schutzmechanismus.“

      „Sehr interessant. Hat er das schon immer gemacht?“

      „Seitdem ich ihn kenne. Wissen Sie, manche Männer sind lediglich vergesslich, aber ich habe einen abbekommen, der auch noch ein schlechter Lügner ist. Er glaubt an die Existenz eines Nuss-Nugat-Monsters, das ihn verfolgt. Er behauptet, es will ihn auf eine Stulle schmieren.“

      „Das muss mit das Absurdeste sein, was ich je gehört habe.“

      „Dämlich, aber effektiv. Ich mache mich dann auch auf den Weg, Frau Dr. Tulpenstein, danke für Ihre Zeit.“

      „Gerne. Und vergessen Sie nicht, die Nebenwirkungen der Medikamente aufzuschreiben!“

      „Einer von uns wird es bestimmt vergessen …“, brummelte Tabea missmutig und schüttelte der Therapeutin zum Abschied die Hand.

      Tabea fragte sich, wo Merlan wohl gerade herumirrte.

      Merlan war froh, dem Nuss-Nugat-Monster entkommen zu sein. Und der mysteriösen Frau in bunter Kleidung. Er könnte sich vielleicht viel Kummer ersparen, wenn er fragte, wo er war, warum er war und wer noch da war. So wie es ihm in der Sesamstraße beigebracht worden war, doch er traute sich nicht. Irgendwann wäre Tabea es sicher leid geworden, dass er ständig Fragen stellte. Was wiederum seine Chance mindern würde, bei der Entscheidung des Abendessens mitzuwirken. Ganz zu schweigen vom Einfluss auf die statistische Wahrscheinlichkeit des Beischlafs.

      Er stieg draußen vor der Praxis auf einen E-Roller und klemmte sein Handy in die dafür vorgesehene Halterung. Die Dinger waren in Berlin noch recht neu, jedoch weitläufig verstreut. Für einen Euro konnte man den Roller freischalten und durch die Gegend poltern. Auffindbar waren die Dinger per GPS durch die entsprechende App. Der Besitz eines Fahrrads war praktisch überflüssig geworden. Und man tat dabei noch etwas für die Umwelt, solang der Strom weiterhin aus der Steckdose kam, im Vergleich zu den bösen Autoabgasen, denn die kamen bekanntlich aus dem Auspuff.

      Merlan fiel ein blauer Skoda Fabia Kombi auf, der vehement versuchte, zu ihm aufzuschließen. Er ließ sich nichtbeirren. Er und der Fahrer des Wagens hatten wohl nur zufällig denselben Weg. Man durfte nicht so kleinlich sein und davon ausgehen, die ganze Welt würde sich um einen herum ausrichten.

      Das Smartphone in seiner Halterung klingelte. Es zeigte ein Bild von Merlans Vater und dessen Namen „Jogurt – Dein Vater“. Die Benennung seiner Kontakte war besonders wichtig. Auch verfügte sein Smartphone über keine Displaysperre, da er sich sonst selbst aussperren würde. Sein Gedächtnis war wie ein Feind im eigenen Körper, der gegen ihn arbeitete.

      Er wischte auf dem Display dreimal umeinander, aber der Anruf wurde nicht angenommen. Erst als er „Verdammtes Scheißteil“ rief und sich den guten alten Hörer zurück wünschte, hörte er plötzlich die Stimme seines Vaters und stellte sie auf Lautsprecher.

      „Guten Abend Papa“

      „Wie ist es in der Therapie gelaufen?“, fiel der gleich mit der Tür ins Haus.

      Therapie, schallte es durch Merlans Hirn. Das war das. Er war gerade mit Tabea in der Beziehungstherapie gewesen. Momente wie diesen hatte er andauernd.

      „Tja, sagen wir mal so, wenn das alte Sofa bei dir noch nicht völlig durchgelegen ist, könnte ich es demnächst brauchen.“

      Merlan hörte, wie sein Vater sich mit der Hand gegen die Stirn schlug. „Du hast es vermasselt!“

      „Ach, wollen wir mal nicht so tun, als ob das von Anfang an die absolute Bilderbuch-Beziehung gewesen wäre. Wir haben uns bei einem Raubüberfall kennengelernt!“

      „Du hast doch nicht etwa schon wieder so getan, als wenn das Nuss-Nugat-Monster dich verfolgt oder?“

      Stille.

      „Verdammt, Junge“, sagte sein Vater und furzte lautstark.

      „Papa!“, mahnte Merlan.

      „Komm du in mein Alter. Aber keine Sorge, ich filtere alles durch eine frische Unterhose. Hast du Tabea wenigstens dein Geheimnis verraten?“

      Merlan verstummte erneut.

      „Du hast es inzwischen vergessen oder?“

      Merlan bog abrupt nach links ab, nur um zu testen, ob der blaue Fabia ihm noch immer folgte. Mit quietschenden Reifen preschte das Auto hinter ihm um die Ecke. Irgendetwas stimmte hier nicht.

      „Immerhin habe ich Tabea nie angelogen, so wie du mit Mama.“

      „Ach Junge, Oana und ich, wir haben uns verstanden. Frauen sind wie Fahrradschlösser. Man muss sie knacken, verstehst du?“

      Er lachte über seinen eigenen Witz.

      „Wow Papa, der war fast so mies wie die Witze im Originalbuch.“

      „Ich gebe mir Mühe. Deine Mutter hat Howard Carpendale geliebt. Ich konnte den vor Schmalz triefenden Sängerknaben nie leiden, aber schön, ich war jung und spitz. Wer hätte gedacht, dass ich über die Jahre mehr als dreißig seiner Konzerte mit ansehen muss? Aber das hatte auch seine Vorteile, jedes Mal nach dem Konzert haben wir so richtig schön …“

      „… die Jacken ausgezogen?“, fragte Merlan.

      „Nein Junge, gevögelt. Den Aal erstickt. Den Knutsch- und Knettag vollzogen. Schlafzimmergolf gespielt. Wenn andere Ti amo gehört haben, dachten sie ach wie schön, ich dachte nur daran, dass, wenn alles vorbei war, ich friedlich einen wegpimmeln durfte.“

      „Pfui.“