Bastian Litsek

Das Geschenk der Psychothriller-Parodie


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als umgebracht zu werden?“

      „Öhm tja“, sagte Merlan und kratzte sich hinter dem Ohr.

      „Wie war Ihr Name noch mal?“

      „Polizeiwachtmeister Moseldampfer. Hören Sie, Frau Drang, wir haben das Restaurant umstellt und nicht weniger als sieben Scharfschützen auf den Laden gerichtet.“

      „Perfekt! Dann können Sie den Kerl ja einfach abknallen, wenn er hier auftaucht.“

      „Aber nein, wir brauchen ihn lebend.“

      „Wozu das denn?“

      „Er muss uns verraten, wo er seine letzte Geisel versteckt hat.“

      „Schießen Sie ihm doch ins Bein und drohen Sie ihm mit einem Kopfschuss. Ich hab hier Salz, das können wir in die Wunde streuen. Dann redet der Kerl mit Sicherheit. Habe ich mit meinem Ex-Freund gemacht.“

      „Ähm …“, murmelte Merlan. Ihre Kaltblütigkeit machte ihm ein wenig Angst. „Wir sind die deutsche Polizei und keine Foltertruppe. Wir wollen ihn lebend schnappen, werden Sie mir helfen Frau Drang?“

      „Soweit möglich. Was springt denn für mich raus?“, fragte sie und Merlan hörte, wie eine Kaugummiblase platzte.

      „Mein Dank.“

      „Na toll. Ich kann ja mal versuchen, meine Miete mit Ihrem Dank zu bezahlen. Sehr mager, Herr Moseldampfer … Moment mal. Heißt so nicht der Polizist aus dem Räuber Hotzenplotz?“

      Merlan schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.

      „Ja, das ist eine qualvolle Parallele für mich. Aber sagen Sie, Frau Drang, wie viel Bargeld haben Sie im Restaurant? Wie groß wäre die Beute des Täters? Das spielt eine Rolle für den rechtlichen Ablauf des Falls. Wenn es nur fünf Euro sind, wird alles wegen Geringfügigkeit eingestellt.“

      „Sie stellen wirklich Fragen, soll ich hier jetzt alles nachzählen?“

      „Machen Sie mal.“

      „Moment.“ Der Hörer wurde zur Seite gelegt. Minuten später wieder aufgenommen. „Ungefähr 600 Euro und ein paar Groschen. Und jetzt?“

      „Wir warten ab, sobald der Verdächtige den Laden betreten hat, greifen wir zu. Händigen Sie ihm das Geld aus und leisten Sie keinen Widerstand. Wir haben ihn die ganze Zeit im Visier, sollte er auf Sie losgehen, werden wir ihn natürlich ausschalten. Haben Sie verstanden, Frau Drang? Geben Sie ihm das Geld und lassen Sie ihn gehen, wir werden ihn uns schnappen.“

      Stille

      „Hören Sie mich?“

      „Ja, ich bin leichtgläubig, nicht taub. Dann machen Sie mal. Klingt wie der dümmste Plan, der mir je zu Ohren gekommen ist, aber Sie sind hier der Beamte auf Lebenszeit.“

      „Danke Frau Drang.“

      „Lassen Sie es mich nicht bereuen“, sagte Tabea Drang und legte auf.

      Merlan seufzte. Er hasste, was als Nächstes kam. Er würde die Frau überfallen und sie dastehen lassen wie einen Idioten. Als Verkleidung trug er eine Sturmhaube, über die er eine Gesichtsmaske von Bussie Bär gezogen hatte. Ihm gefiel die Vorstellung, dass die Geschädigten später zur Aussage gaben, Bussie Bär hätte sie überfallen.

      Er packte seine neun Sachen und machte sich auf den Weg.

      Unterdessen überprüfte Tabea Drang die zwei Patronen in ihrer abgesägten Schrotflinte.

      Das Kapitel, vor dem vierten Kapitel

      Merlan war keinesfalls der geborene Kriminelle. Wahrscheinlich wäre er im Beruf als Maurer oder Bäcker, der ihm Routine auferlegte, viel besser gewesen. Dazu hatte er noch das ein oder andere Wehweh, das ihn immer wieder in Bedrängnis brachte. Leider war er auch kein großer Kämpfer, sondern gehörte eher zu denen, die Schläge blutend einsteckten.

      Aber wie jeder andere Mensch musste auch Merlan sein Geld verdienen. Eine Zeit lang hatte er es aufgrund seines Namens als Zauberer versucht, und war damit recht erfolgreich gewesen. Doch der Bus, den er brauchte, um seine Requisiten, Hasen und Tauben umherzufahren, war eines Tages verschwunden und damit seine Existenzgrundlage. Sicher, er hätte alles neu anschaffen und sich etwas Geld leihen können, doch der Sprung in die Kriminalität war schlicht einfacher. Auch wenn Merlan die Tage vermisste, in denen er nicht Gefahr lief, zusammengeschlagen oder verhaftet und mit Formularen geplagt zu werden.

      Pflichtbewusst hatte er seine Wohnung mit der Sturmhaube auf verlassen. Er musste nur noch in das Restaurant gehen, das Geld abkassieren und verschwinden. Er hatte der Frau hinreichend eingetrichtert, sich nicht zu wehren.

      Auf dem Weg nach Berlin-Hallensee waren ihm schon mehrere entsetzte Personen entgegengekommen. Weihnachten stand vor der Tür und die Leute umklammerten ihre Einkäufe fester, als sie Merlan kommen sahen. Die meisten zumindest. Eine große Dogge, die mit einer kleinen Frau Gassi ging, bekam es derart mit der Angst, als sie Merlan sah, dass der Hund sein Frauchen schnurstracks hochhob, auf den Arm nahm und hastig davoneilte. Ein Mann blickte von seinem Smartphone auf, zog die Augenbrauen zusammen und knallte frontal gegen einen Laternenmast.

      Die Sache verlief alles andere als unauffällig.

      Leider liefen jedes Jahr um Weihnachten wieder die Kevin-allein-zu-Haus-Filme im Fernsehen, und gerade Kinder sahen sich dazu ermutigt, jedem potenziellen Ganoven die Stirn zu bieten, in der Hoffnung, sich eine goldene Nase zu verdienen.

      Merlan hatte die Sturmhaube gerade wieder hochzogen, um in dem stinkenden Ding nicht zu ersticken, als ein fesch aussehender Junge in Knickerbocker und Schiebermütze vor ihm stand. Er hielt einem Knüppel in der Hand, den er wiederholt in der Fläche seiner anderen Hand niedergehen ließ.

      „Wenn haben wir denn da?“, fragte der Junge, der sich einen schwarzen Kreis um das eine Auge geschminkt hatte. „Sind wir etwa auf dem Weg, um etwas Verbotenes zu tun?“

      „Äh … äh …“, sagte Merlan. „Nein. Ich will in die Berge zum Skifahren und muss meine neue Maske eintragen, damit sie vor Ort nicht mehr so juckt.“

      „Oh, sehr schade. Ich hätte Ihnen gerne diese Broschüre gegeben“, sagte der Junge und zog einen Zettel hervor.

      Merlan tat angetan und nickte. Leider konnte er nicht lesen, was da stand. Er war dabei, jemanden zu überfallen, und hatte seine Lesebrille zu Hause gelassen.

      „Danke dir“, sagte Merlan. „Ich werde mir die Sache zu Herzen nehmen.“ Er griff nach dem Zettel und steckte ihn sich am Arsch vorbei in die hintere Hosentasche.

      Er ließ den Jungen hinter sich und zog weiter. Immerhin war er nicht zum Spaß unterwegs. Es galt, „Frisch aus dem Fett“ um die Tageseinnahmen zu erleichtern. Abschließend würde er schnell zum Penny gehen und einkaufen. Danach hatte er noch einen Friseurtermin.

      Er öffnete die Tür, und blickte auf eine Inneneinrichtung, die zweifelsohne schon mehrere Dutzend Pächter überlebt hatte. Mit den verschnörkelten Holztischen bayrischer Art, den chinesischen Schriftzügen an der Wand und Decke, der American Diner-artigen Bar mit Hockern und Küche dahinter und dazu noch einem Fußboden, der aus einem Mischmasch von Teppich, grünen Fliesen und Kork bestand, war nur schwer zu sagen, ob der Besitzer an kompletter Geschmackserblindung litt, oder noch schlimmer, es genau