Bastian Litsek

Das Geschenk der Psychothriller-Parodie


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hat wirklich, wirklich wehgetan.“

      Merlan drehte sich auf den Rücken und stützte sich auf die Ellenbogen ab.

      Hermes roch an seiner Hand und zuckte zusammen. Er hielt die dreckigen Patscher so weit von sich weg wie möglich.

      „Wie wäre es mit einer Geschichte?“, fragte Merlan.

      „Au ja!“, sagte Winky. „Du bist doch Polizist, du hast bestimmt was zu berichten.“

      „Bin ich das?“, sagte Merlan fragend. „Äh, ich meine natürlich ja, ich bin Polizist. Wenn du es sagst, muss es stimmen. Dann wollen wir mal.“

      Merlan wollte so viel Zeit wie möglich gewinnen, bis er wieder die Hand eines erwachsenen Mannes in den Hintern gesteckt bekam. Er fing ganz von vorne an. Na ja, nicht ganz vorne, aber vor ein paar Jahren. Damals, als Merlan noch nicht im Gefängnis gesessen, sondern froh und munter ehrliche Leute um ihr sauer verdientes Geld beschissen hatte. Nicht in böser Absicht versteht sich, es ging ihm dabei nur ums Geld. Merlan war immerhin ein anständiger Krimineller.2

      Zwei oder drei Jahre zuvor –

      Willkommen zur ersten von gefühlten 5000 Rückblenden

      Merlan hielt ein altes Wählscheibentelefon in der Hand und war dabei, die nächste Nummer anzurufen. Die Dinge standen schlecht. Er lebte in einer WG mit zwei anderen Kriminellen. Einer Taschendiebin, die sich etwas mit dem Zeitungsaustragen dazu verdiente, und einem Kfz-Mechaniker, der grundsätzlich an jedem Auto, das er vorgeführt bekam, den Turbolader und das Öl bemängelte, bis die Leute ein derart schlechtes Gewissen hatten, dass sie ihn beauftragten, alles auszutauschen.

      Das Leben war hart geworden für die drei Ganoven. Immer weniger Leute fielen auf Merlans Telefonbetrügereien herein. Er selbst kam sich mit seinen 29 Jahren vor wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, genau wie das Telefon, das er in der Hand hielt.

      Immer mehr Betrug fand über das Internet statt und Merlan war nicht der große Computermensch. Die Konsumgesellschaft brach langsam zusammen, da die neuen Generationen immer mehr auf Minimalismus setzten. Elektroautos hatten weder Öl noch Turbolader, den es zu bemängeln galt. Die Dinge standen schlecht.

      Unser Trickbetrüger zog es sogar schon in Erwägung, eine Lehre anzufangen oder als ungelernte Fachkraft bei einem dieser modernen Sklavenschuppen anzuheuern, die Personalleasing betrieben.

      Doch noch war er nicht bereit, aufzugeben.

      Jeden Morgen stand irgendein Trottel, den man bescheißen konnte, es galt nur, ihn zu finden. Der Funke der Hoffnung schimmerte in Merlan, als es am anderen Ende der Leitung klingelte.

      „Hofmaier?“, sagte eine alte Dame.

      „Hallo Oma, hier ist dein Enkel“, gab Merlan zurück. Er kannte die Frau eigentlich nicht.

      „Ach Kai, dass du dich meldest, ist aber schön.“

      „Hör zu, Oma, ich habe gerade etwas Ärger und könnte Geld gebrauchen.“

      „Oh, das hört sich aber gar nicht gut an …“

      „Ein paar Kerle sind hinter mir her und wollen Geld von mir und wenn ich bis Ende der Woche nicht bezahle, brechen sie mir die Beine.“

      „Ach Jungchen, dann hast du nichts zu befürchten!“

      Das warf Merlan aus dem Konzept.

      „Wie meinst du das, Oma?“

      „Na, du sitzt doch im Rollstuhl. Sollen sie dir deine Beine brechen, so einfach kommst du selten im Leben aus einer Angelegenheit wie dieser raus. Aber über deinen Anruf habe ich mich gefreut. Machs gut, Kai!“

      Der Hörer wurde aufgelegt. Es tutete in der Leitung.

      Merlan hob die Hörmuschel ungläubig von sich. Was zum Geier war das denn? Er schüttelte den Kopf und wählte die nächste Nummer.

      „Birmgärtner?“, fragte eine alte Frau.

      „Hallo Oma, hier ist dein Enkel.“

      „AHHHH!!!!“, schrie die Frau. Es hörte sich an, als wäre sie hintüber gefallen. „Die Toten suchen mich heim!“, klagte die Oma. „Mein Enkel verfolgt mich über den Fernsprecher! Tot ist er seit drei Jahren und jetzt ruft er mich an aus dem Jenseits, wahrscheinlich auch noch ein R-Gespräch, bei dem die Gebühren auf mich zurück fallen. Weiche, Dämon!“ Das Telefon wurde gewaltsam aufgelegt.

      „Verdammt …“, murmelte Merlan. „Gibt es denn keine normalen Menschen mehr?“

      Er ging seine Telefonliste durch, kam aber schnell zu dem Entschluss, dass die Oma-Nummer einfach durch war. Was könnte denn sonst noch funktionieren? Er könnte sich als Mann vom Stromnetzwerk ausgeben, sich in die Häuser der Leute schleichen, herausfinden, wo sie ihr Kleingeld lagerten, und so Summen ergaunern, die nie jemand groß vermissen würde.

      Nein, der Aufwand war viel zu groß.

      Dann kam er auf eine Idee.

      Der mündige deutsche Bürger fürchtet nichts so sehr wie Autorität. Er könnte sich als Beamter ausgeben, als Polizist, und den Leuten irgendeinen Blödsinn erzählen von wegen sie werden gleich überfallen und sollten sich ruhig verhalten. Dann konnte er auftauchen und alles Wertvolle abgreifen. Merlan rieb sich das Nasenbein. Es könnte einige Anrufe brauchen, bis er jemand gefunden hatte, der dämlich genug war, um das zu schlucken.

      Wie hatte sein Großvater immer gesagt? Die eigentliche Arbeit ist nicht der Betrug, sondern den Dumpfbeutel zu finden, der ihn dir glaubt.

      Also, forsch ans Werk!

      Nach geschlagenen fünf Stunden und mehr als dreizehn teilweise sehr langen Anrufen, hatte er endlich jemanden am Apparat, der ihn nicht sofort auslachte oder mit der Bemerkung „Ich lege jetzt auf“ auflegte.

      Es war eine Frau mit dem Namen Tabea Drang, und sie arbeitet in einem Restaurant mit dem Namen „Frisch aus dem Fett“. Wie der Name schon sagte, bekam man hier alles frisch aus dem Fett. Seien es Schokoriegel, Hühnerschenkel oder Rosenkohl. Sogar das Vanilleeis wurde hier frittiert. Der Laden war besonders bei Briten und Amerikanern beliebt.

      „Frisch aus dem Fett, Tabea Drang an der Tröte, was kann ich für Sie frittieren?“

      „Mein Name ist Polizeiwachtmeister Moseldampfer, ich rufe in einer dringenden Angelegenheit an.“

      „Sie wollen Ihr Mittagessen bestellen?“, fragte Tabea gelangweilt.

      „Nein ganz und gar nicht. Uns ist ein gefährlicher Verbrecher entlaufen und er ist auf dem Weg zu Ihnen.“

      „Aha. Will er etwas essen?“

      „Nein, nein … hören Sie.“

      „Wir sind ein Restaurant, das hier ist nicht die Telefonseelsorge.“

      „Der Mann ist gefährlich!“, versicherte ihr Merlan und verstellte seine Stimme, so gut er konnte.

      „Das sind die meisten Verbrecher“, gab