hast du einen Helm auf? Antwort: Ich komme gerade aus dem Stollen.“
„Eva, wer hat dir von der Reise erzählt?“
„Seine Mutter“, nickte Eva eifrig. „Er fährt öfter weg, so alle zwei Wochen, es ist ein fester Turnus, ich habe ihn mal darauf aufmerksam gemacht. Er hat gelacht und mich gelobt für meine Logik. Ich kann manchmal schlau sein...“
„Wohin gingen diese Reisen? Hat er was davon erzählt?“
„Unterschiedliches Ziel. Wenig bis gar nichts. Er hat immer gesagt, es ist nicht so viel dabei. Es sei nur ein großes Fressen und sonst nicht viel dabei. Halt andere Unternehmensgründer und Internet-Verrückte sehen. Wenig Drogen. Keine anderen Frauen.“ Und als sie Letzteres sagte, lächelte sie lieb.
„Eva“, Malin konnte sich nicht helfen. „Er ist verschwunden. Seit drei Wochen fast.“
„WAAAAS?“
„Und ich will dich nicht verletzen. Aber es gibt andere Frauen. Da kenne ich ihn her...“
Da fiel der Eva die Kinnlade herunter. Dann aber funkelten deren Augen:
„Du machst hier auf Freundin. Dabei suchst du ihn. Weil du ihn lieeebst.“ Eva verschränkte die Arme, schüttelte den Kopf. „Und ich bin darauf hereingefallen. Du blöde Kuh. Verschwinde hier! Raus! Raus!“
Nur einen Tag später hatte Malin schon Angst, Paul könnte von Eva benachrichtigt worden sein. Und er würde deswegen abweisend sein. Ersteres stimmte. Zweiteres ganz und gar nicht.
„Ich danke dir. Aus ganzem Herzen“, empfing Paul Malin sehr herzlich.
„Für was?“
„Sandu ist weg. Plus, du hattest was mit ihm. Und Eva weiß das.“ Er strahlte über beide Backen. „Sie wird darüber hinwegkommen.“ Und dann ernsthaft, weil er Malins Gesichtsausdruck erkannte. „Ich liebe Eva.“
„Aber du kamst gegen Sandu nicht an, oder?“ fragte Malin ahnungsvoll. „Gegen den Chef.“
„Nein. Nicht gegen den Chef“, der Paul druckste nicht lange herum. „Gegen einen mit einem großen Penis.“
„Ach, das sehen Frauen nicht so...“ sagte Malin was Frau halt so sagt in solchen Fragen.
„Ich weiß. Aber ich habe nach einem Unfall ein Schrumpfexemplar. Deswegen habe ich früh gelernt zu lecken“, Paul schien nicht schüchtern zu sein. „Und ich mache es gerne.“ Seine Augen leuchteten. „Das Ding steht den meisten Männern eh nur im Wege. Sie glauben, es wäre wichtig. Dabei sollte DIE FRAU wichtig sein.“
„Völlig richtig!“ Malin war begeistert.
„Aber das konnte Sandu anscheinend auch besser. Manchmal zumindest.“ Er war wieder resigniert, schaute sie fragend an. „Oder?“
„Ich weiß nicht...“ antwortete Malin gedankenverloren. „Anders? Ja. Gut? Ja. Aber ob es nicht andere auch gibt, die auch so anders sind, auch so gut auf eine Frau eingehen können?“ Sie zuckte mit den Achseln.
„Er war ein Gefühlvoller“, sagte Paul sinnierend. „Er hat mich einmal auf eine Neumond-Party eingeladen zu sich. Angeblich habe da der Alkohol, ein spezieller aus Rumänien, eine andere Wirkung.“
„Was ist passiert?“ Malin war interessiert. Sie wusste, an Neumond konnte Sandu heilen. Sie wusste, er habe ihn heilen wollen.
„Nichts“, Paul schüttelte kurz und heftig den Kopf. „Er hat dann gesagt, er habe sich wohl geirrt. Und außerdem musste er schnell ins Krankenhaus. Mehr ist nicht passiert… Vielleicht liegt bei dieser Sache das Auge im Betrachter...“ er griente übers ganze Gesicht.
„Sicher“, gab Malin lächelnd zurück. „Kinderauge sieht die Wahrheit.“
„Und der Vogel fängt den Wurm“, lachte Paul.
„Alles Liebe mit Eva. Einfach auf mich schimpfen und das wird schon.“, lachte auch Malin. „Weil man sieht das Herz gut. Das Wesentliche ist unsichtbar.“
„Mit der Zeit. Es ist ja noch kein Meister in den Himmel gefahren.“
„Und ansonsten: andere Töchter haben auch schöne Mütter.“
„Hohecker, du bist raus. Das stimmt so nämlich ganz genau...“
Paul hat Malin die Namen der zwei russischen Programmierer gegeben. Sie würde am nächsten Wochenende ins Twenty-eight fahren und sie suchen. Davor war aber das Gespräch mit dem Kommissar, wo sie Neueres erfahren wollte, sie wollte es unbedingt wissen, sie fuhr gleich im Anschluss zum Kommissar nach Hause, nachts um halb elf.
„Ich will mehr über das Heilen wissen!“ stieß sie atemlos vor seiner Haustür aus. Sie nahm ihren Schal vom Hals.
„Ausnahmsweise“, der Kommissar öffnete die Tür. „Komm rein.“
Sie folgte ihm ins Wohnzimmer. Er setzte sich. Atmete durch. Dann bat er sie, ihm das auslösende Element zu erzählen. Warum sie es wissen wolle. War etwas mit den Russen?
„Nein Malin“, der Kommissar kratzte am Ende der Erzählung seinen Hals. „Ihr könnt keine Verstümmelungen heilen. Es wächst nichts. Ihr seid nicht so mächtig. Und weil wir gleich bei dem Thema sind: Und auch keinen Neger weiß machen. Weil schwarz sein keine Krankheit ist. Alles, was keine Krankheit ist, kannst du nicht ändern. Weil nicht alles, worin sich die Medizin einmischt, ist eine Krankheit. Du kannst keine kleinen Titten groß machen. Keinen Überbiss gerade machen. Keine Pickel einfach so verschwinden lassen. Und es gibt auch psychische Anomalien, Sachen der Seele, die kannst du nicht einfach so wegmachen lassen. Du berührst keinen Selbstmörder und er tanzt Polka. Keinen Alkoholsüchtigen, der nicht mehr trinkt. Sie werden nur „alkoholkrank“ GENANNT. In Wirklichkeit ist das Gewöhnung. Wenn er sich aber besoffen ein Bein bricht oder seine Leber ist im Arsch. Das ginge schon. Aber sie wird nicht neu, die Leber. Es ist eine Energie, die sich in dir aufstaut und raus will. Deswegen wollte Sandu bei dem Mülltypen ins Krankenhaus. Es war dringend, nachdem er festgestellt hatte, dass keine Energie von ihm wegkommt. Er konnte dem Paul nicht helfen.“
„Wirklich?“
„Wrukolas können Krankheiten riechen bis zu einem gewissen Punkt. So wie Hunde Tumore riechen können. Warte einfach Neumond ab, ich will nicht als Blinder von Farbe reden. Es ist in gewisser Weise nicht so übel wie die Beißnummer, die Zähne wachsen nicht urplötzlich und man hat kein Blackout danach. Es ist anders.“
Klare Sache, dachte Malin und hatte genug gehört. Er meint den Sexdrang, den Sandu offenbar gehabt hatte. Für diese Nummer gab es aber eine Lösung.
„Eine Minute“, sagte der Kommissar und ging kurz aufs Klo.
Malin sah sich um, sie entdeckte ein kleines schwarzes technisches Gerät, das in diesem Moment aufpiepte. Sie sah hin und las die Nachricht: „Bin stolz auf deinen Plan für M“. Malin erschrak, sie hörte aber gleichzeitig das Wasser auf der Toilette rauschen. Blitzschnell eilte sie zur Tür, zog sich derweil den Schal wieder um den Hals. Als der Kommissar vom Klo zurückkam, stand sie angezogen vor der Haustür. „Genug gehört“, sagte sie ihm und ging zur Tür hinaus.
Als der Kommissar später den Pager fand mit der Nachricht fand, war er kurz nachdenklich. Hatte Malin vielleicht die Nachricht gelesen? Nein, so gerissen war die nicht, es so zu überspielen. Die hätte ihn sehr wahrscheinlich zur Rede gestellt. Und er hätte ihr einfach gesagt, es war ganz normale Polizeiarbeit und M einfach ein „Mitarbeiter“ oder einfach nur so ein Platzhalter. So weit, so gut – so falsch?
Malin fuhr nach Hause, sie wollte ihren Plan nicht mit dem Kommissar teilen, aber sie hatte vor, sich jemanden zu suchen, für die Liebesgeschichte an Neumond. Es sollte jemand sein, der bereit wäre, sie an jenem Abend zu den Russen zu begleiten. Ganz klar: Internet-Partnerbörsen.
Malin wohnte im Erdgeschoss eines Hauses, das mit tief hinab gezogenem Dach wirkte wie ein Gesicht mit weit heruntergezogener rotbraunen Arbeitermütze; sie hatte die Angewohnheit, noch bei offenem Fenster zu lernen.