Wieland Barthelmess

ECHNATON


Скачать книгу

und behaglich fühlte. Schließlich tupfte ihn jene Dienerin, die ihn vorhin mit der Feder geweckt hatte, mit weichen Tüchern ab. Inzwischen wusste Ani, dass sie Merit-amun hieß - er hatte sie einfach nach ihrem Namen gefragt - und er musste sich eingestehen, dass sie eine durchaus begehrenswerte Frau war.

      Die Kleidung, die Amenhotep ihm hatte bringen lassen, fand Ani eigentümlich. Er hatte keinerlei Vorstellung davon, wie man ein derart gefälteltes Stoffgebilde zu einem Schurz binden konnte. Merit-amun nahm ihm diese Aufgabe ab. Zum Schluss legte sie ihm einen Schmuckkragen aus Hunderten von farbigen Fayenceperlen um, die Margeriten, Kornblumen und Mohnblüten darstellten. Die Perlen waren so fein gearbeitet, dass man bei den Kornblumen sogar die Schuppung der Blütenkelche erkennen konnte. „Das ist die neueste Mode unter den jungen Leuten“, sagte Merit-amun stolz darauf, ihren Herrn, dem sie dienen durfte, so vorteilhaft aussehen lassen zu können. Als Ani ging, um Amenhotep in seiner Wohnung zu treffen, war er befangen, wie er sich von Merit-amun verabschieden sollte. Also sagte er einfach das, was er zu Hause auch immer gesagt hatte. „Gute Nacht, Merit-amun. Schlafe gut und lass die Träume dir etwas Schönes zeigen.“ Als er gegangen war, ging Merit-amun schweigend in die Knie und barg den Kopf in ihren Armen.

      Als Ani den allgemeinen Aufenthaltsraum betrat, saß Amenhotep in einem bequemen Sessel und hatte sich gerade von Schesehmu im Schein zahlreicher Öllämpchen schminken lassen. „Oh, der Diener und Herzensfreund seiner Majestät des Prinzen sieht aus wie einer der edelsten Fürsten des Landes“, meinte der Oberschminkmeister salbungsvoll. „Der Schmuckkragen ist einfach entzückend! Unterstreicht er doch das Rustikale in seinem Wesen.“

      Amenhotep schaute Ani von seinem Sessel aus abwägend an. „Jetzt, mein guter Schesehmu, ist es an dir, das Rustikale noch eindeutig als Überhöhung erscheinen zu lassen.“

      Mit aufmerksamer Hingabe widmete sich der Oberschminkmeister der Herausforderung. „Ich würde die Lider mit gemahlenem Lapislazuli betonen wollen“, überlegte er mit sich Selbstgespräche führend. „Und man sollte den edelsten Kohol aus Bleiglanz verwenden, um die Lidstriche weit über die Augenwinkel hinaus zu führen. Das betont die edle Anmut der Schläfen. Für die Wangen ebenfalls Bleiglanz, selbstverständlich ausgeglüht. Das ergibt ein kräftiges Rot, das einem Landmann wohl anstehen möchte. Und zum Schluss noch eine schlichte Perücke aus libyschem Haar, das sieht ein wenig verwegener aus.“ Voller Hingabe kramte Schesehmu in seinem riesigen Schminkkasten, dessen beeindruckende Größe sich noch verdoppelte, nachdem er ihn aufgeklappt hatte.

      „Also, wenn man mich fragen würde“, druckste Ani herum, „ich würde auf die Perücke lieber verzichten wollen.“

      „Ohne Perücke? Mit kahl geschorenem Kopf?“ Schesehmu stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. „Das ist bei Hofe aber nicht üblich. Außer, man gehört zur Dienerschaft.“

      „Es ist bestimmt unwahrscheinlich heiß unter solch einer Perücke“, gab Ani zu bedenken. „Und offen gestanden, ekelt es mich davor, die Haare anderer Menschen auf dem Kopf zu tragen.“

      Amenhotep lachte laut. „Wollten wir nicht sowieso eine neue Mode kreieren? Die Landmann-Mode?“

      So galt es dann als abgemacht, dass Ani die Perücke erspart blieb. Und selbst das drastische Rouge der Wangen musste Schesehmu wieder etwas abwischen, was er unter halblautem Klagen und Gezeter widerstrebend tat.

      Zufrieden schaute Amenhotep Ani ins Gesicht. „Interessant“, nickte er schließlich. „Man wird über deine Aufmachung reden. Und nun los, der Mond geht gerade auf.“

      Subira hatte Amenhotep mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedet sowie Ani noch einen frisch gepflückten Strauß mit Kornblumen in die Hand gedrückt, als sie Amenhoteps Wohnung verließen. Ani hatte erwartet, dass sie, so wie des Nachmittags, zu zweit durch die endlosen Flure, Innenhöfe und Räume toben würden, um auf die Dachterrasse des Pharao zu gelangen. Aber er sah sich getäuscht. Eine Sänfte mit vier Trägern und einem nubischen Fächerträger stand bereit und sollte sie - Amenhotep in der Sänfte, während Ani nebenher lief - in einer gemächlichen Prozession zum königlichen Appartement bringen. Es schien Ani eine Ewigkeit zu dauern, bis sie durch prächtig ausgeschmückte Flure geschritten waren, leere Säle durchschritten hatten, um endlich vor der Wohnung des Königs anzukommen. Zwei Bewaffnete standen vor der Türe, verneigten sich und öffneten sie ehrerbietig.

      Ani sah sich abermals getäuscht, hatte er doch ein prächtiges Gemach voller Gold und Pretiosen erwartet. Doch das Appartement des Königs war ebenso schlicht und zweckdienlich eingerichtet wie das Gästezimmer, das ihm in Amenhoteps Wohnung zugeteilt worden war. Die Wandmalereien waren allerdings von einer derartigen Qualität und Detailgenauigkeit, dass es Ani schlicht den Atem verschlug. Am liebsten wäre er sofort hierhin und dorthin gelaufen, um jede der wirklichkeitsgetreuen Einzelheiten zu begutachten, die er bereits aus der Ferne entdecken konnte. Doch schon hörte er Rechmires Stimme, gerade als sie die Terrasse betreten wollten: „Prinz Amenhotep, die Frucht des Leibes der Großen Königlichen Gemahlin Teje und Sohn des Guten Gottes, er möge leben eine Million mal eine Million Jahre“. Zunächst küsste Amenhotep die Rechte seines Vaters und drückte sie anschließend an seine Stirn, dann gab er seiner Mutter einen ehrfürchtigen Kuss auf die Stirn, die aber darauf bestand, dass er sie auch auf die Wange küsste. Schließlich aber sprang er wie ein kleiner Bub auf eine alte, doch rüstige Frau zu, die auf einem goldenen Sessel thronte und ihn schon die ganze Zeit über angestrahlt hatte. Sie saß auf dem bei weitem prächtigsten Möbelstück in der ganzen Wohnung, wie Ani erstaunt feststellte. Stürmisch umarmte Amenhotep sie, was diese sich strahlend gefallen ließ und küsste immer wieder ihre Hände. Dies musste die Königsmutter Mutemwia sein, die neben Teje mächtigste Frau des Reiches, vermutete Ani. „Mein Liebling“, sagte sie mit einer von jahrelangem Hanfkonsum rauchigen Stimme, „mein Herz jubelt, dich wieder zu sehen. Du bist ja fast zum Mann geworden, in der Zeit meiner Krankheit. Wann kommst du mal wieder nach Achmim, um mich zu besuchen? Unsere Bildhauerwerkstatt ist eine Zierde für das ganze Reich. Ein ganz junger Bildhauer, kaum älter als du, vermag uns alle in Erstaunen zu versetzen. Er ist der Meister der wirklichkeitsnahen Wiedergabe. Du wirst seine Arbeit lieben!“ Schon hatte Amenhotep neben ihr Platz genommen und hielt zärtlich ihre Hand, als ob er fürchtete, sie könne jederzeit davonlaufen. Stumm stellte sich Ani hinter ihn und reichte ihm in einem unbeobachteten Augenblick den Kornblumenstrauß, den Amenhotep sogleich teilte, um die eine Hälfte seiner Mutter und die andere der Königsmutter Mutemwia zu übergeben. Seine Schwestern quittierten diese herzliche Geste mit gerührten Ahs und Ohs und selbst Pharao lächelte zufrieden. Ani sah sich um. Alle anderen Anwesenden, bis auf einen älteren Mann, der leicht versetzt hinter Sit-amun saß, hatte er schon anlässlich des gemeinsamen Mittagsmahls kennen gelernt. Nebet-tah lag in einer vergoldeten Wiege, die neben ihrer Mutter stand, und schlummerte friedlich. Henut-tau-nebu und Iset ließen kaum einen Blick von ihm und schmachteten ihn regelrecht an, was Ani ein wenig irritierte, denn er konnte nicht recht einschätzen, was überhaupt ihr Interesse hervorgerufen hatte: Der seltsame Schurz, der bunte Schmuckkragen, die fehlende Perücke oder gar er selbst. Währenddessen spielte Thutmosis geistesabwesend mit seiner Katze, die er auf dem Schoß hielt. „Ihr Mädchen“, sagte Pharao plötzlich, „was guckt ihr ständig nach Amenhoteps Diener hin? Ist es sein neuartiger Schmuckkragen oder sein perückenloses Haupt, was euch so fasziniert?“ Ani meinte einen Anklang von Eifersucht in der Stimme des Guten Gottes zu hören. „Seine ganze Erscheinung“, entgegnete Iset mit strahlenden Augen. „Ja, sieh doch nur“, pflichtete Henut-tau-nebu ihr bei, „wie edel einfache Bauern sein können!“ Ani war heilfroh, dass Rechmire gerade eben die letzten Gäste ankündigte und das Thema somit erledigt war: „Der Vorsteher der Pferde und Bruder der Großen königlichen Gemahlin, der ehrenwerte Eje mit seiner Gemahlin Tij und den Töchtern Nofretete und Mutnedjmet!“

      Noch nie hatte Ani ein schöneres Menschenkind gesehen als die älteste Tochter des Vorstehers der Pferde. Und er hatte, so wahr er hier stand, an diesem sonderbaren Tag die schönsten Frauen und Mädchen des ganzen Landes gesehen. Nofretete, so musste er sogleich feststellen, trug ihren Namen wahrlich zu Recht. Denn er bedeutete nichts weiter als „Die Schöne ist gekommen“. Sie trat zu den anderen auf die Terrasse und genoss es sichtlich, dass sich alle an ihrer außergewöhnlichen Schönheit ergötzten. Nach den üblichen