Wieland Barthelmess

ECHNATON


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Erscheinung gar nicht satt sehen. Wie Amenhoteps Mutter Teje hatte sie eine natürliche, majestätische Ausstrahlung. Nur dass sie von einer derart perfekten Schönheit war, dass Ani fast glauben wollte, der von Großmutter Mutemwia soeben hoch gelobte Bildhauer in Achmim habe sie aus einem Block Rosenquarz geschlagen und von den Göttern zum Leben erwecken lassen. Nofretete bemerkte Anis Blicke, sah ihm ins Gesicht und lächelte kurz. Doch wie vollkommen anders war ihre jüngere Schwester! Ein dickliches, vorlautes Kind, das einen tiefschwarzen Zwerg mit sich führte, den es soeben erst von ihrem vollkommen in sie vernarrten Vater geschenkt bekommen hatte. „Heute erst ist er zusammen mit den wilden Bestien aus Nubien oder Punt oder woher auch immer bei uns angekommen. Ist er nicht niedlich?“, rief sie verzückt und klopfte dem kleinen, kaum ebenso großen Mann auf den Kopf. „Los, tanzen!“, plärrte sie ihn an, was er aber nicht verstand und sie nur aus traurigen Augen ansah. „Lass es gut sein“, meinte Tij, der man die Ähnlichkeit mit Mutnedjmet, ganz im Gegensatz zu Nofretete, deutlich ansah, so dass man sofort Mutter und Tochter in ihnen erkannte. „Er ist ja schon ganz durcheinander unser armer Däumling und muss erst einmal unsere Sprache lernen.“ Und an den Zwerg gewandt fuhr sie freundlich fort: „Nicht wahr? Du ganz müde. Viel Tanzen machen heute. Schwere Beine, nicht?“ Und an die Runde gerichtet, meinte sie schließlich. „Wenn er nur nicht so hässlich wäre, der kleine Wicht. Ich verrate aber nicht zu viel, wenn ich euch sage, dass er nicht überall so winzig ist. Meine Dienerin war vorhin regelrecht erschüttert, als sie ihn gebadet hat.“ Beifall heischend blickte sie in die Runde, strich aber schließlich ihr mit Goldfäden durchwirktes Kleid glatt, als sie merkte, dass niemand Lust verspürte, auf ihre Bemerkung weiter einzugehen. Amenhoteps Onkel Eje lächelte verlegen und versuchte das Thema zu wechseln, indem er Thutmosis nach seinen Fortschritten in den militärischen Disziplinen fragte. Unwillig und maulfaul murmelte der irgendetwas vor sich hin, was niemand so recht verstand.

      „Da du weißt, Thutmosis“, Pharaos Stimme hatte einen ärgerlichen Ton angenommen, „dass man - so man überhaupt etwas zu sagen hat – immer darauf achten soll, dass diejenigen, an den man sich richtet, das Gesagte auch verstehen. Also muss ich bei deinem Gemurmel davon ausgehen, dass du uns also nichts zu sagen hast.“ Thutmosis guckte beleidigt und kraulte die Katze derart heftig, dass sie schließlich fauchte. „Setz die Katze runter und schau mir ins Gesicht. – So und jetzt mein lieber Sohn, sage mir, was dich so störrisch werden lässt.“

      „Ich werde kein Pharao des Krieges und der Gewalt“, sagte Thutmosis unerwartet fest. „Wozu soll ich dann das Morden und Totschlagen lernen?!“

      „Damit du deine Herrschaft verteidigen kannst, falls es nötig sein sollte.“ Pharaos Stimme klang nun wieder sanft und beherrscht. „Halte durch, mein Junge. Nach dem Opet-Fest kannst du dann nach Men-nefer gehen. Ich glaube es wird dir ganz gut tun, mal aus dem Palast und seinen Gepflogenheiten herauszukommen.“

      „Und in Men-nefer werde ich dann zum Hohepriester des Ptah gedrillt. Ich will nicht diese blöden Ämter und auch das altertümliche Zeugs will ich nicht lernen.“

      „Du wirst eines Tages Pharao, mein Sohn. Du solltest also schon wissen, wessen König du dann bist. Dein Bruder wird Schwager Anen ablösen und wird Hohepriester des Amun. Es wird dir helfen, wenn du erst einmal diese Widerstände los sein wirst, glaub es mir.“

      Amenhotep schaute betreten, fasste sich aber dann doch ein Herz. „Ich wollte dich eigentlich fragen, lieber Vater, ob du mir die Quälerei bei den Amun-Priestern nicht ersparen könntest. Ich hab ihn heute gesehen ihren angeblich lebendigen Amun. Er ist ein billiges Stück schwarzer Stein. Und er ist so tot wie ein Stein nur sein kann. Es ist lediglich ein Popanz, der nur dazu taugt, den Menschen Angst einzujagen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Der ganze Amun-Kult dient nur dazu, dass einige sich die Taschen voll stopfen können. Fast sind sie schon reicher und mächtiger als der Pharao selbst. Denn sie behalten alles für sich, während du den Menschen Gutes tust, ihnen Tempel schenkst und Brot und Bier. Warum fordert dies die Maat nicht auch von den Amun-Priestern? Lass mich nicht bei diesen selbstsüchtigen Menschen! Ich habe andere Gedanken …“

      „So, so, so!“ Bis weit zum Nil schallte Pharaos Stimme. „Meine Söhne haben andere Gedanken. Das klingt ja fast nach einer Palastrevolution! Der eine möchte dies nicht und der andere jenes. Ihr seid aber nun mal als Gottessöhne geboren! Meint ihr, mich hat man gefragt? Damals, ich war kaum halb so alt wie ihr, als mein Bruder starb und ich Thronfolger wurde? Vier Jahre später hat man mir die Krone aufs Haupt gesetzt.“ Er atmete tief durch. „Söhne, ich weiß es ist schwer, aber es geht um eure Zukunft.“ Da war sie wieder die Stimme des Guten Gottes. „Denn ohne das Wissen, das ihr euch wohl oder übel aneignen müsst, werdet ihr eure Feinde nie richtig einschätzen können. Man wird euch hinwegfegen unter irgendeinem Vorwand und den fettesten der Amun-Priester mit einer meiner Rosenknospen vermählen.“

      „Ihhh“, riefen die Mädchen wie aus einer Kehle.

      Pharao lachte lauthals. „Ein Glück, dass meine liebe Teje mir auch meine Rosenknösplein geschenkt hat. Mein Herz hätte so viel weniger zum Jubeln, wenn ich nur meine beiden Söhne hätte!“ Und an sie gewandt fuhr er fort: „Was sind das denn so für Gedanken, die ihr hegt? Lasst uns doch alle daran teilhaben.“ Der Gute Gott lehnte sich in seinem Sessel zurück.

      „Ja, also …“ wollte Amenhotep gerade anfangen, von seinen Plänen zu berichten, als Pharao die Hand hob. „Psssst - dein Bruder ist der Thronfolger. Er spricht zuerst.“

      Als müsse er erst überlegen, sah Thutmosis in die nachtschwarze Luft. „Also, wenn ich erst mal Pharao bin, dann müssen sowieso alle tun, was ich will.“ Frech schaute Thutmosis seinem Vater ins Gesicht und zuckte mit den Schultern. Ani fürchtete, dass ihm die Knie versagen könnten, erwartete er doch Blitze aus des Guten Gottes Augen und Beben, die alles verschlangen.

      „Schwager Eje“, sagte der Pharao stattdessen mit ruhiger Stimme, „meinem Sohn Thutmosis scheint die militärische Umgebung wirklich nicht gut zu tun. Benenne mir bitte einen Lehrer, der geeignet ist, ihm gleich ab morgen Unterricht zu erteilen, welches die Rechte, aber auch Pflichten eines Herrschers von Ägypten sind. Mir scheint es da noch gehörige Wissenslücken zu geben. Wenn das Opet-Fest beendet ist, wünsche ich, dass er unverzüglich nach Men-nefer reist, um dort im Tempel des Ptah zu erfahren, was es bedeutet Mensch zu sein und was es braucht, um ein Gott zu werden.“ Pharao wandte sich nun Amenhotep zu. „So, und nun zu dir, Amenhotep. Welches sind deine Gedanken?“

      „Ich glaube an die Kraft der Schönheit.“ Die Terrasse summte von leise dahingehauchten Ahs. Fast hätte Ani gekichert, hatte ihm nicht Amenhotep selbst vor wenigen Stunden gesagt, dass man nur von Schönheit zu reden brauche, um die Herzen der Frauen zu gewinnen? Aber auch der Pharao lächelte wissend. „Ich möchte meinen Bruder in eine Million Mal eine Million Jahren dahingehend unterstützen“, fuhr Amenhotep fort, „indem ich die Kunst, die von der Größe Pharaos berichtet, zur vollen Blüte bringe. Sie soll künden von der ewigen Macht des gottgleichen Königs und von der ewigen Dauer Ägyptens. Sie soll Schönheit bringen in den Alltag der Menschen und sie soll sie wissen lassen, wem sie ihr Glück zu verdanken haben. Für jetzt und für alle Zukunft. In Achmim so hört man sagen, formiert sich soeben eine Schule, die Kunst völlig anders versteht. Sie wollen nicht mehr mittels altüberlieferter Abbilder darstellen, die im Grunde nichts weiter sind als bildhaft ausgeführte Symbole. Sondern sie wollen die Wirklichkeit einfangen, so wie sie tatsächlich ist.“ Ani sah sich unbemerkt um und ertappte Ejes Frau Tij dabei, wie sie ihre Gesichtshaut straff zog, wohl in dem Gedanken, von einem der neuen Künstler der Wirklichkeit entsprechend abgebildet zu werden. „Wir müssen den Menschen Freude am Dasein geben und sie befreien von den Ängsten ums Diesseits und Jenseits. Eine neue, eine wahre Kunst wird ihnen den Weg weisen, um sich von altem Aberglauben zu befreien und die Vernunft in ihr Herz zu lassen.“ Ein kurzes Raunen huschte kaum merklich wie eine Fledermaus über die Terrasse, nur die alte Mutemwia ließ ein knappes Bravo hören.

      „Wo hast du denn solche Reden zu führen gelernt?“ Pharao war sichtlich beeindruckt und sah seinen Schwager Eje fragend an, als ob der ihm den Lehrer nennen könne, der seinen Sohn so vortrefflich unterrichtet hat. Doch der grinste nur vielsagend.

      „Von Mutter“,