Jürgen H. Ruhr

Undercover - Auftrag


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da war sie auch schon. Wie auf Bestellung. Unauffällig stellte ich mich hinter ihr an. Dann folgte ihr Sprung. Wieder perfekt. Nachdem sie sich versichert hatte, dass das Wasser frei war, ließ sie sich voller Anmut vom Sprungbrett fallen.

      Aber nun war ich an der Reihe! Auf diese Gelegenheit wartete ich schließlich schon sehnsüchtig. Die Kleine würde sich wundern, denn jetzt kam der Jonathan Lärpers Kunstsprung! Anlauf über die gesamte Brettlänge nehmend, sprang ich am Ende voller Schwung noch einmal richtig hoch. Der Lärpers - Schrei! Damit würde die Kleine garantiert auf mich aufmerksam werden: „Huääääääääh!“ Meine Arschbombe musste das gesamte Becken in Wellen versetzt haben. Na, wenn das meine Schönheit jetzt nicht mitbekommen hatte, dann wusste ich auch nicht!

      Prustend tauchte neben mir der alte Mann von vorhin auf. „Sie Rüpel!“, brüllte er und hustete lautstark. „Sie sind eine Gefahr für alle Schwimmer!“ Schon gellte die Trillerpfeife vom Rand des Beckens. „Zweite Verwarnung, Freundchen. Noch ein so‘n Ding und du kannst nach Hause gehen!“

      Ich war versucht, dem Bademeister meinen Mittelfinger zu zeigen, entschied mich dann aber dagegen. Nicht, dass der Aufpasser mich am Ende doch noch aus dem Bad werfen würde. Stattdessen streckte ich dem immer noch prustenden Alten meine Zunge heraus und kraulte dann Richtung Beckenrand. Diese Spießer und Kleingeister!

      Aber wo war mein Mädchen? Ob sie meine Sprungkünste bewundert hatte? Suchend sah ich mich um. Nichts. Sie war wie vom Erdboden verschwunden.

      „Da ist ja unser Held wieder.“ Dirk sah mir grinsend entgegen. Seine Aussprache schien nicht mehr allzu deutlich und mehrere Bierflaschen lagen auf der Decke neben ihm. „Feucht das Wasser, was?“ Dann reichte er mir eine Flasche. „Jetzt wird erst einmal angestoßen. Drei Freunde müsst ihr sein!“ - „Sollt ihr sein“, korrigierte ich ihn automatisch und schob die hingehaltene Flasche zurück. Jetzt bei der Hitze Bier, ohne vorher etwas gegessen zu haben? Das ging gar nicht.

      „Du willst uns doch wohl nicht beleidigen. Ich sag‘s doch immer: Zwei Freunde und ein Fragezeichen. Los, Jonathan. Ein Bier wird dir doch wohl nicht schaden. Bist doch kein Weichei.“

      Hilfesuchend schaute ich auf Frank. Der aber lag mit geschlossenen Augen da und schien die Sonne zu genießen. Seufzend griff ich nach der Flasche.

      „Na, geht doch. Hepp und ex!“ Klirrend stießen die Flaschen zusammen. Wenigstens war der Gerstensaft kalt. Nach den ersten Schlucken wollte ich die Flasche absetzen, doch Dirk, selbst noch trinkend, sah mich strafend an. Mit Mühe und Not schaffte ich es, den gesamten Inhalt in mich hineinzuschütten. Fast hätte ich mich übergeben. „Lecker, nicht?“, grinste mein Freund mich an und ließ seine leere Flasche zu den anderen kullern.

      Mir wurde flau. Das fehlende Essen, die Hitze und - ja, was war das eigentlich für Bier? Das schmeckte doch nicht normal! Ich schaute auf das Etikett. ‚Bockbier‘. Dirk füllte sich hier vormittags schon mit Starkbier ab? Das Schwimmbad begann sich plötzlich ganz leicht zu drehen. Nur gut, dass ich jetzt einfach hier auf meiner Decke ein Nickerchen machen konnte …

      „Fussballtime, Jonathan!“ Frank schien sein Sonnenbaden jetzt lange genug genossen zu haben. Nun verlangte es ihn offensichtlich nach körperlicher Betätigung. „Komm, Jonathan. Es wird Zeit die Kugel zu bewegen.“ Frank stupste mich freundschaftlich an. Warum musste er das aber immer so feste tun?

      „Ich brauch ne Pause, Frank.“ Das Drehen in meinem Kopf wurde schlimmer. Jetzt einfach nur ein wenig schlafen! Frank schüttelte den Kopf und lachte: „Pause? Ich höre immer Pause.“ Der Ball traf meinen Kopf. Mein Freund fing ihn geschickt wieder auf. „Nix Pause, Jonathan. Erst kommste zu spät, dann willste nur faulenzen. Wo bleibt deine Freundschaft - Solidarität?“ - „Spiel mit Dirk“, entgegnete ich und ließ mich langsam zurücksinken. Schon traf mich wieder dieser Scheißball am Kopf.

      „Dirk, hat zu viel gesoffen. Der muss sich erst einmal ausruhen. Aber du bist ja gerade erst angekommen. Also los!“ - „Aber ich war doch schon im Wasser“, protestierte ich schwach.

      „Das zählt nicht. Wir waren auch schon im Wasser.“ Unsanft zog Frank mich am Arm hoch. Fast hätte er ihn mir ausgerenkt. Ich fügte mich in mein Schicksal.

      „Da vorne ist ein freies Plätzen!“ Schon zuckelte ich hinter meinem Freund her. ‚Drei Freunde sollt ihr sein‘ … Naja.

      „Los, du Flasche. Schlaf nicht ein. Schieß!“ Frank wusste mich mit freundlichen Worten aufzumuntern. Aber ich hatte ja auch einfach keine Lust. Lustlos kickte ich das Leder zu ihm zurück.

      Dann fiel mein Blick auf sie! Auf dem Bauch liegend, unterhielt sich die Schönheit mit einer Freundin. Lachend machte sie mit den Händen einige Gesten. Auch die Freundin lachte, war aber bei weitem nicht so hübsch wie meine kleine Freundin. Ich lächelte. Ein neuer Anfang konnte gemacht werden. Dann traf mich der Ball am Kopf.

      „Komm, du Weichei.“ Frank half mir wieder hoch. „Du musst schon besser aufpassen! Und deine Schüsse sollten auch besser gezielt kommen. Nicht, dass du am Ende noch jemanden triffst!“

      Frank war so fürsorglich. Aber er brachte mich auf eine geniale Idee. Jetzt wusste ich, wie ich mit dem Mädchen in Kontakt treten konnte.

      „Geh da rüber, du kriegst jetzt die Flanke deines Lebens“, wies ich Frank an. So war es recht, er stand direkt in einer Linie mit der Kleinen. Noch einmal ließ ich meinen Plan im Kopf Revue passieren: Mein Schuss musste für Frank nach einer echten Bombe aussehen, durfte aber in Wirklichkeit nicht zu fest werden. Der Ball sollte meine zukünftige Freundin nur leicht streifen.

      Ich nahm Anlauf. Frank sah mir erwartungsvoll entgegen. Dann rannte ich los, Fünf Schritte, vier, drei, … Ich stolperte. Zwei - und Schuss! Durch das Stolpern fiel der Tritt mit mehr Energie aus, als ich zunächst geplant hatte. Der Ball zischte an Frank vorbei, über die Mädchen herüber und klatschte irgendeinem Badegast gegen den Kopf. Naja, kann ja mal passieren …

      „Sie verdammter Lümmel.“ Ausgerechnet den Alten aus dem Schwimmbecken musste mein Schuss treffen. Der kam jetzt mit erhobener Faust und dem Ball auf mich zu. „Du bist ja nicht nur eine Gefahr im Wasser, Bürschchen“, tobte er.

      Nun, eigentlich war es ja Franks Schuld. Der sollte den Ball doch halten! Ich sah mich nach meinem Freund um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Der Alte stand nun vor mir. Hochrot im Gesicht. Dem bekam bestimmt die Sonne nicht.

      Na, wenigstens war meine Schönheit jetzt auf mich aufmerksam geworden. Ich lächelte sie an.

      „Du unverschämter Lausebengel! Jetzt auch noch so dämlich grinsen. Na warte, den Ball kannste dir beim Bademeister abholen!“ Gut, dass das nicht meiner war. Das würde Frank übernehmen müssen.

      Plötzlich gellte hinter mir eine Trillerpfeife lautstark auf. Langsam drehte ich mich um und da stand er vor mir: der Bademeister. „Bürschchen, Bürschchen. Ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Du bist der typische Unruhestifter! Unschuldige Badegäste belästigen. Außerdem scheinst du betrunken zu sein. So etwas dulde ich hier nicht!“ - „Genau“, bestätigte der dicke Alte und hielt den Ball hoch, „damit hat er mich getroffen.“

      „Das war‘s mein Freund! Du packst jetzt deine Sachen und verschwindest aus meinem Schwimmbad. Komm wieder, wenn du gelernt hast, dich zu benehmen.“ Der Badeaufpasser begleitete mich zu meiner Decke. Hätte der Mann Handschellen dabeigehabt, ich wäre wohl gefesselt abgeführt worden. Frank und Dirk konnte ich nirgends entdecken. Vermutlich tummelten sich die beiden gerade wieder im kühlen Nass.

      Dann stand ich wieder vor dem Eingang des Schwimmbades. Mister Badeaufseher begleitete mich sogar bis hinter das Kassenhäuschen. Und an meinem Fahrrad waren die Ventile gestohlen worden. So durfte ich anschließend auch noch zu Fuß nach Hause gehen …

      An diesen Tag im Schwimmbad musste ich jetzt denken, als wir an Bernds kleinem Pool vorbeigingen. Das Mädchen sah ich nie wieder, nur in meinen Träumen lächelte sie mir oft zu.

      „Jonathan. Was ist? Wo bleibst du?“ Sam stand vor der offenen Tür zum ‚Gästezimmer‘, in dem dieser Günther Heyer untergebracht war. Ich löste mich