Jürgen H. Ruhr

Undercover - Auftrag


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betrat mit grimmigen Gesicht den Raum. Chrissi, die wieder das spitze Messer in der Hand hielt, folgte ihm auf dem Fuße.

      „Aha, der Herr Heyer. Nun, dann setzen sie sich mal hier an den Tisch. Meine Mitarbeiter sagten mir, dass sie mich unbedingt sprechen wollten.“

      Sam musste den Frührentner zwischenzeitlich instruiert haben, denn Heyer setzte sich ohne Murren auf den angebotenen Stuhl. Christine reinigte sich angelegentlich die Fingernägel mit ihrem Messer. Mich würde es nicht wundern, wenn sie das Messer erneut durch ihre Hand stoßen würde. Unauffällig beobachtete ich die Frau.

      „Sie haben gesagt, dass es einige interessante Dinge gäbe, die sie berichten könnten. Ich will alles hören. Alles, ohne Wenn und Aber. Mein Mitarbeiter dort“, Bernd zeigte auf mich, „hat mir das Versprechen abgetrotzt, dass ich sie dann am Leben lasse. Ehrlich gesagt, hoffe ich eigentlich, dass sie lügen werden. Außerdem wissen wir auch so schon genug.“ Jetzt blickte Bernd wieder auf Chrissi. „Ich denke wir verschwenden eh nur unsere Zeit hier.“ Chrissi grinste.

      Dann wandte Bernd sich wieder an Heyer: „Fangen wir ganz klein an. Wie heißen sie?“

      „Heyer“, antwortete der Mann kleinlaut. „Aber das wissen sie doch.“ Bernd sah Heyer nur streng an. „Günther Heyer“, beeilte der sich zu sagen und schob dann nach: „Günther Friedhelm Heyer, geboren zwölfter Mai Neunzehnhundertundsechzig.“

      Bernd nickte. „Na also, geht doch. Weiter so und ich muss mein Versprechen, sie am Leben zu lassen, auch noch halten. Nächste Frage: Was machen sie beruflich?“

      Heyer sah zu Boden, während er antwortete: „Ich bin Frührentner. Früher habe ich als Bäcker gearbeitet, bekam dann aber eine Mehlstauballergie und konnte meinen Beruf nicht mehr ausüben. Nach einiger Zeit der Arbeitslosigkeit ging ich in Rente.“

      Bernd grinste Heyer an. „Prima. Das war das was ich hören wollte.“ Heyer streckte erschrocken beide Arme von sich. „Halt, halt. Da ist noch etwas: Ich arbeite jetzt ‚nebenbei‘ als Kurierfahrer.“

      Bernd unterbrach ihn: „Wir kommen der Sache näher. Weiter!“

      „Vor einigen Jahren lernte ich einen Mann kennen, der mir einen Nebenverdienst anbot. Ich bräuchte lediglich einige Kurierfahrten für ihn durchzuführen. Der Mann war Rumäne und als er mit einem Bündel Geldscheinen winkte, konnte ich kaum ‚nein‘ sagen. Für das Geld sollte ich mir einen Transporter mit Anhänger kaufen.“

      Bernd sah erst mich an, dann nacheinander die anderen. „Wie hieß dieser Rumäne?“ - „Dimitru Pâgescu. Es ist der Mann, zu dem ich heute noch Kontakt habe. Pâgescu gibt mir die Aufträge und bezahlt mich. Bar natürlich.“

      Bernd nickte. „Gut. Erzählen sie uns etwas über die Art der Aufträge und die Kontaktaufnahme mit diesem Pâgescu. Und sparen sie nicht an Details. Wir wollen alles wissen!“

      Heyer gab sich mittlerweile geschlagen. Als Häuflein Elend saß er auf seinem Stuhl und es sprudelte nur so aus ihm heraus. „Ich fahre zu einer Lagerhalle in der Nähe von Düren und lade dort verschlossene Kisten in meinen Wagen und Anhänger. Dann erfahre ich das Ziel und die Route.“

      Bernd hakte nach: „Was befindet sich in den Kisten?“ - „Das kann ich nicht genau sagen, da die Kisten alle fest verschlossen sind. Allerdings weiß ich, dass es sich um alle möglichen Gegenstände handelt, die irgendwo gestohlen wurden. Aber - bitte glauben sie mir - Einzelheiten sind mir nicht bekannt. Auch weiß ich nie vorher, wohin ich fahren muss. Das sagt man mir immer erst beim Einladen der Kisten.“

      Bernd brummte etwas, dann sah er Heyer lauernd an. „Wie treten sie mit Pâgescu in Kontakt?“ - „Normalerweise gar nicht. Pâgescu ruft mich auf meinem Handy an. Prepaid und nur für den Empfang seiner Anrufe. Für andere Anrufe darf ich das Handy nicht benutzen. Aber es gibt eine Möglichkeit, mit ihm in Kontakt zu treten, wenn ich etwas Dringendes habe. Allerdings muss es wirklich dringend sein. Der Mann ist sehr aufbrausend und wird schnell wütend. Also versuche ich, zu vermeiden ihn anzurufen!“ Diesmal musste Bernd nicht erst nachfragen, Heyer erzählte freiwillig weiter: „Ich rufe eine bestimmte Nummer aus der Telefonzelle an der Kirche in Rheydt an. Es muss unbedingt diese Telefonzelle sein. Dann spreche ich auf ein Band und exakt sechzig Minuten später ruft Pâgescu mich zurück. Außerdem gibt es einen Code, der vor jedem Gespräch abgefragt wird. Diese Losung wird nach jedem Gespräch geändert.“

      „Aha.“ Das waren endlich die Neuigkeiten, die wir uns erhofft hatten. Bernd sah den Mann eindringlich an. „Was sprechen sie auf Band? Eine spezielle Nachricht?“ - „Nein, ich nenne nur meinen Namen. Mehr nicht. Aber meinen vollständigen Namen. Also: Günther Friedhelm Heyer. Dann lege ich wieder auf. Die Nennung des vollständigen Namens ist unbedingt erforderlich, sonst weiß Pâgescu, dass etwas nicht stimmt.

      Bernd nickte und sah mich an. Das war wichtig. Wenn ich Pâgescu anrufen musste, durfte ich nicht vergessen, den vollständigen Namen zu nennen. Ich bestätigte Bernd, dass ich ihn verstand, indem ich leicht mit dem Kopf nickte. Zufrieden wandte der sich wieder Heyer zu: „Und wie lautet der aktuelle Code?“ - „Pâgescu sagt: ‚de ce nu râzi?‘ und ich muss antworten: ‚pentru ca sunt trist‘. Das ist die aktuelle Losung. Damit weiß Pâgescu, dass es sich auch wirklich um mich handelt und nicht irgendjemand anderes ihn kontaktiert.“

      Nach und nach erfuhren wir immer mehr Einzelheiten zu der Rumänischen Bande und Heyers Kurierfahrten. Gut, dass Bernd das Gespräch aufzeichnete, soviel Details hätte ich mir nie merken können. Schließlich fragte Bernd unseren Gast nach dem Aussehen Pâgescus.

      „Der Mann ist ziemlich klein, höchstens einmeterfünfundsechzig. Dafür aber dick. Richtig dick, wenn sie wissen, was ich meine. Der wiegt bestimmt seine hundertachtzig Kilo. Und einen Schnurrbart trägt er.“

      Bernd nickte. „Gut. Gibt es zu dem Mann noch etwas zu berichten?“ - „Pâgescu ist brutal. Ein brutaler Schläger. Bei unseren Treffen befand immer so ein ‚Bodyguard‘ dabei. Das ist auch ein Rumäne. Überhaupt, die ganze Bande besteht aus Schlägertypen. Mit denen möchte ich mich nicht anlegen!“

      „Gut, für‘s erste haben sie ihren Kopf gerettet.“ Bernd tat ganz gönnerhaft. „Jetzt erzählen sie uns doch mal einige Details aus ihrem Leben. Sind sie verheiratet? Haben sie Kinder?“

      Natürlich war uns der Familienstand Heyers bekannt. Bernd wollte aber auf diese Art und Weise Details erfahren, die wir noch nicht kannten. Doch Heyer konnte uns nicht wirklich weitere Neuigkeiten mitteilen. Endlich winkte Bernd ab. „Das reicht erst einmal.“ Lächelnd blickte er auf uns. „Ihr lasst mir den Mann in Ruhe. Jedenfalls so lange, bis ihr von mir persönlich andere Befehle erhaltet. Habt ihr das verstanden?“ Wie gute Gauner - Mitarbeiter nickten wir ernst. Chrissi steckte bedauernd ihr Messer fort und deutlich war Heyer die Erleichterung anzusehen.

      „Das ging ja leichter, als geplant.“ Wir saßen in der Bibliothek des Krav Maga Studios an unserem ‚Stammtisch‘. Wie viele Stunden verbrachte ich hier schon mit Lernen, Lesen und Diskussionen. Bevor wir in unsere Detektei - Gebäude umzogen, war dies hier eine der Anlaufstellen gewesen. Auch heute versorgte uns Jennifer mit frischen Brötchen und Kaffee. Ob es nicht doch eine Möglichkeit gab, dieses Goldstück hier gegen unsere ‚Sekretärin‘ Birgit zu tauschen?

      „Möchte jemand Orangensaft?“ Die Blonde stand mit einer Karaffe vor uns. Zweifellos gehörte das Mädchen zu uns in die Detektei. Ich lächelte und hob die Hand. „Gerne, Jenni. Das ist so lieb von dir. Du bist doch einfach die Beste.“

      Bernd blickte uns an: „Bevor Sam jetzt mit weiteren Ausführungen zum Ablauf beginnt, muss ich mich verabschieden. Alles Weitere besprecht ihr mit ihm; er behält auch die Koordination der gesamten Aktion. Hat noch einer von euch eine Frage, die nur ich ihm beantworten kann?“

      Bernd wollte sich schon wieder verdrücken? Das war jetzt meine Gelegenheit. Und ob ich eine Frage hatte, die nur er beantworten konnte: „Bernd, eine kleine Frage habe ich noch.“ - „Ja, Jonathan, dann schieß los.“ - „Also, also“, ich wusste nicht so recht, wie ich die Frage formulieren sollte, dann aber sagte ich mir, dass geradeheraus wohl der beste Weg wäre. „Also, Bernd. In