Jürgen H. Ruhr

Undercover - Auftrag


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vielleicht zwanzig Jahren. Er und einige illustre Typen standen neben bunten Mopeds und schauten grimmig aus der Wäsche. ‚Hellbent Gang‘ stand auf der Rückseite.

      Ich suchte weiter.

      Plötzlich klingelte es an der Tür. Zunächst ignorierte ich den melodischen Dreiklanggong, dann fiel mir das Gebimmel auf den Wecker.

      „Guten Tag, Herr Heyer. Haben sie mich vergessen?“ Die alte Frau stand gebückt vor mir und sah mich aus dicken Brillengläsern an. „Sie haben sich aber verändert. Sind sie jünger geworden?“ Ich sah die Alte verwundert an. „Ich bin nicht Günther Heyer. Mein Name ist Jonathan Lärpers.“

      Jetzt nahm sie die Brille ab und besah mich von oben bis unten. „Sie sehen aber ein wenig aus, wie Günther. Wie heißen sie? Länkers?“ - „Lärpers, Jonathan Lärpers.“ - „Aha. Herr Länkers. Aber was machen sie hier in der Wohnung von Günther? Sind sie ein Einbrecher?“

      Im Geiste raufte ich mir die Haare. Was wollte die Frau von mir? „Nein, gute Frau. Ich bin kein Einbrecher. Ich bin der Sohn von Günther Heyer.“ - „Der Sohn? Ach deswegen die Ähnlichkeit. Sie sehen Günther wie aus der Rippe geschnitten ähnlich.“ - „Aus dem Gesicht geschnitten.“ - „Häh?“

      Ich schaute an der Frau vorbei in das Treppenhaus. „Es heißt: Wie aus dem Gesicht geschnitten“, korrigierte ich sie.

      „Junger Mann, junger Mann! Wer schneidet denn im Gesicht herum? Nein, nein Adam wurde auch aus einer Rippe gemacht.“ - „Das war Eva!“ Langsam langweilte mich diese unsinnige Diskussion. Aber die Frau war mit ihrem Wissen und ihrer Neugier anscheinend noch nicht am Ende. Ich beschloss, mich zurückzuhalten. „Eva hat Adam aus einer Rippe gemacht? Junger Herr Länkers - sie sollten ihre Bibel einmal genauer lesen!“

      Ich seufzte und gab es auf. „Was kann ich denn für sie tun? Warum haben sie geklingelt?“ - „Sie sind aber neugierig, Herr Länkers. Sind sie nun ein Einbrecher?“

      Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Das erklärte ich doch eben schon. „Lärpers, Jonathan Lärpers. Ich bin der Stiefsohn von Günther Heyer und trete sein Erbe an. Und jetzt muss ich weiter aufräumen.“ Rasch zog ich die Türe zu, scheiterte aber an dem Fuß der Alten, der im Türrahmen stand.

      „Sie treten das Erbe?“ - „Ich trete an.“ - „Das spielt doch keine Rolle, Herr Länkers. Wenn Günther ihr Vater war, dann müssen sie auch seine Nachfolge antreten. Also los, junger Mann.“

      Jetzt fühlte ich mich völlig verwirrt. Was wollte die Frau nun eigentlich? Und wer war das? Ich musste an die vielen Papiere denken, die noch durchzusehen waren. Wie wurde ich sie jetzt möglichst schnell wieder los? „Wer sind sie denn überhaupt? Ich kenne sie doch gar nicht.“ - „Ich sie doch auch nicht. Sie können viel behaupten, dass sie Günther Heyer sind. Wir sind halt zwei Fremde.“

      Jetzt langte es mir. Ein beherzter Tritt gegen den in der Türe stehenden Fuß und ich wäre die Alte los. Warum ich das nicht tat, blieb mir schleierhaft. „So, jetzt noch einmal ganz langsam - ich heiße Jonathan Lärpers, bin der Stiefsohn von Günther Heyer und muss jetzt die Wohnung aufräumen.“

      „Aha. Sie sehen auch nicht aus wie Günther. Mit der Behauptung wären sie nie und nimmer durchgekommen. Ich bin ihre Nachbarin von gegenüber. Klara Rohsner. Sie dürfen aber Frau Rohsner zu mir sagen. Und jetzt, da sie das Erbe übernehmen, also die Rechte des Günther, da müssen sie auch die Pflichten übernehmen.“

      „Aha.“ Mir schwante Schlimmes. Die Frau wollte bestimmt, dass ich die Treppe putzte. Nun, Sam würde das schon organisieren.

      „Ja, genau - aha. Und eine von Günthers Pflichten ist, mit mir einkaufen zu gehen. Günther war immer pünktlich montags bei mir. Und wo bleiben sie, Herr Länkers? Da sitze ich und warte und kein Günther kommt um mich abzuholen.“

      „Frau Rohsner, ich wusste doch nicht einmal von ihrer Vereinbarung mit Günther Heyer. Außerdem habe ich keine Zeit für so etwas. Ich muss die Wohnung aufräumen, das sagte ich doch schon. Und jetzt nehmen sie endlich den Fuß aus der Tür.“ Ich drückte die Tür leicht gegen ihren Fuß, um meiner Forderung Nachdruck zu verleihen.

      „Au, Hilfe, Hilfe!“, schrie die Alte und wummerte mit der Faust gegen das Türblatt. Überrascht ließ ich los und krachend schlug die Klinke gegen die Wand. „Sie Einbrecher! Ich bleibe hier, bis sie mich zum Einkaufen fahren! Ich schreie um Hilfe!“

      Verzweifelt blickte ich auf den blockierenden Fuß. Wie kam ich jetzt aus der Nummer wieder raus?

      „Können wir jetzt fahren oder muss ich den ganzen Tag hier in der Türe stehen? Wenn wir nicht bald fahren, dann schreie ich!“

      „Gut, gut“, gab ich mich geschlagen. Dann kam mir eine grandiose Idee. „Ich fahre sie. Lassen sie mich nur schnell meinen Autoschlüssel und meine Papiere holen.“ Vorsichtig zog ich die Tür zu. Frau Rohsner dachte aber nicht daran, den Fuß aus der Tür zu nehmen. Auffordernd sah ich sie an. „Nun, was ist. Ich muss meinen Schlüssel holen.“ - „Ich warte hier. Mit dem Fuß in der Tür. Sie sind genau wie ihr Vater. Der hat auch immer versucht, mich reinzulegen. Aber das ist ihm nur einmal gelungen. Also los, holen sie ihre Papiere, ich warte hier.“

      Gut, die Frau hatte gewonnen. Seufzend suchte ich meine Papiere und den Fahrzeugschlüssel zusammen. Endlich durfte ich die Tür schließen. Allerdings hakte Frau Rohsner sich jetzt bei mir unter, so dass es keine Gelegenheit gab zu entkommen.

      „Was wollen sie denn damit?“ Frau Rohsner zeigte grimmig auf meinen Einkaufswagen. Dann schob sie mir ihren hin. „Na, dann sehen sie mal zu, wie sie mit beiden zurechtkommen. Günther hat meinen Wagen immer geschoben! Sie wollen doch nicht allen Ernstes, dass ich mich mit dem Ding abmühe?“

      Bis in den Eingang des Discounters waren wir schon gekommen. Warum erwähnte die Frau das mit dem Einkaufswagen jetzt erst? Vorhin hätte ich meinen ja zurückstellen können. Aber jetzt … „Ich wollte auch ein paar Dinge einkaufen“, erklärte ich und schob meinen Wagen vor mir her, während ich ihren zog. Zwei Einkaufswagen, die ich schieben und ziehen musste, und die Frau legte ein Tempo vor, dass ich kaum mitkam. „Nicht so schnell, Frau Rohsner. Ich komme ja gar nicht mehr mit!“ - „Günther war da aber ein wenig fixer als sie. Nun machen sie schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Ach Moment, ich habe noch etwas vergessen.“ Frau Rohsner machte auf dem Absatz kehrt und strebte wieder dem Eingang zu. Kurz davor wandte sie sich einem Regal zu und fischte von ganz hinten eine Packung Kaffee hervor. Schnaufend eilte ich mit meinen zwei Einkaufswagen heran.

      „Merken sie sich mal: Immer die Waren von hinten nehmen. Da stehen die frischen und länger haltbaren Sachen. Nie von vorne!“ Ich nickte. Hauptsache, ich kam bald wieder nach Hause - also in Heyers Wohnung. Schließlich gab es noch genug zu tun für mich.

      Schon stürmte die Alte weiter. „Wie heißen sie eigentlich?“, rief sie durch den halben Laden. Rasch sah ich zu, dass ich sie wieder einholte. „Lärpers, aber das sagte ich doch schon!“ - „Nein, nicht ihren Nachnamen. Wie heißen sie mit Vornamen? Günther habe ich auch Günther genannt. Das war nämlich sein Vorname.“ - „Ich weiß. Günther“, nickte ich bestätigend.

      „Ach, sie heißen auch Günther? Welch ein merkwürdiger Zufall.“ - „Nein, Frau Rohsner, ich heiße Jonathan. Jonathan Lärpers. Aber das sagte ich doch vorhin schon.“ Frau Rohsner eilte schon wieder mit Riesenschritten voran. Bisher war nicht mehr als die eine Packung Kaffee in meinen beiden Wagen. „Also doch nicht Günther? Sie sind ein komischer Mensch. Mal heißen sie so, dann wieder so. Wissen sie was - ich nenne sie jetzt einfach Günther. Das kann ich mir gut merken.“

      Egal. Meinetwegen sollte sie mich doch ‚Günther‘ nennen. Hauptsache, die Frau gab Ruhe und wurde bald mit ihrem Einkauf fertig. Mittlerweile standen wir in der Nähe der Kassen. War‘s das jetzt?

      „Ach, ich Schussel.“ Schon eilte sie wieder davon. So schnell konnte ich ihr nicht folgen, meine beiden Einkaufswagen hatten sich ineinander verkeilt. Als ich endlich zu ihr unterwegs war, hörte ich sie schon durch den Laden schreien: „Günther! Günther, wo bleibst du?“ - „Bin schon da“, keuchte ich und