Tessa Koch

Liebe ist tödlich


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alle Gäste zufrieden sind, zu Nick. „Du hast auch nichts zu tun, oder?“, grinst sie ihn an und lehnt sich neben ihn an den Tresen.

      Er muss ebenfalls grinsen. „Nö, du übernimmst ja auch die Arbeit für mich.“

      „Tja, dafür verdiene ich aber auch das Geld.“ Sie lacht.

      „Es gibt immer einen Haken“, erwidert Nick und freut sich, als er sie erneut zum Lachen bringt. Er mag ihr Lachen. Es hat etwas Betörendes an sich, so wie eine Droge. Man möchte sie immer wieder zum Lachen bringen, weil es einem dann selber besser geht.

      „Gott sei Dank hab ich bald Feierabend“, sagt sie dann mit einem flüchtigen Blick auf die Uhr, die über der Tür zu der Küche hängt. Es ist kurz vor zehn Uhr abends. „An Tisch siebzehn sitzen drei rotzfreche Teenager die mich immer mit meinem Vornamen ansprechen. < Hey, Melina, kannst du uns noch ´ne Cola bringen? > < Melina, wo bleibt unser Essen? > < Melina, bringst du mir noch Ketchup? > Ich könnte jedes Mal kotzen, wirklich, ich hasse das.“

      Nick muss anfangen zu lachen. „Du kannst dir ja mein Namensschild anpinnen, dann sind sie verwirrt.“

      Sie lacht wieder. „Wahrscheinlich. Oder sie denken, ich bin ein Transvestit.“ Sie lachen beide. „Wie lange musst du denn noch bleiben?“ Melina sieht ihn aus fragenden braunen Augen an. Irgendwie verleihen ihr diese großen braunen Augen etwas kindlich Unschuldiges, so wie Bambi.

      Er seufzt. „Bis zum bitteren Ende – ich hab heute Schlussdienst. Also kann ich warten, bis sich der letzte Gast dann irgendwann endlich aus dem Laden schleppt. Aber ich hoffe, dass es nicht so lange dauert. Ich muss noch für ´ne Prüfung lernen und wenn ich heute erst gegen zwei, halb drei rum zu Hause bin, kann ich mich morgen garantiert nicht dazu aufraffen. Dann will ich den Sonntag lieber ausschlafen anstatt zu büffeln. „

      Melina betrachtet ihn nachdenklich. „Wenn du morgen wirklich lernen willst, kann ich auch deinen Schlussdienst übernehmen. Dann kannst du gegen Zehn abhauen, früh schlafen gehen und dann morgen den ganzen lieben langen Tag lernen. Nicht dass du sonst noch deine Prüfung versaust.“

      Nick sieht sie an, von ihrem Angebot überrascht und gerührt zugleich. „Ach, du bist in der letzten Woche schon zweimal für mich eingesprungen, ich will dir das nicht noch einmal antun. Denk an die Typen an Tisch siebzehn.“

      Sie lacht erneut. „Es ist ja nur ein Angebot, nachher fällst du nämlich durch die Prüfung und gibst mir die Schuld, weil ich dich bis in die Puppen habe arbeiten lassen.“ Sie zwinkert ihm grinsend zu. „Oder noch schlimmer, du hältst mir einen Vortrag über Leichen und so.“

      „Was hast du denn gegen Leichen?“ Er muss über ihren Gesichtsausdruck lachen.

      Sie verzieht den Mund. „Ehrlich, ich verstehe nicht, wieso man freiwillig Gerichtsmediziner werden will.“

      Er zuckt mit den Schultern. „Liest du nicht gerne Krimis und so?“

      „Ja“, gibt sie angespannt zurück, „ich lese gerne, aber deswegen muss ich noch lange nicht in einem toten Menschen rumbohren, ihn auseinander nehmen und seine einzelnen Organe wiegen. Mir reicht die bloße Vorstellung, um einen Brechreiz zu bekommen.“ Nick muss amüsiert grinsen. „Nein, jetzt mal ehrlich“, sagt Melina und reibt ihre Hände aneinander. „Wenn deine Gäste wüssten, dass du nachmittags an Leichen rumschnippelst, würdest du garantiert kein Trinkgeld mehr bekommen.“

      „Wer weiß“, grinst Nick nur. „Mir macht es auf jeden Fall Spaß – wenn man es so nennen kann. Außerdem muss ich ja erst mal mein Medizinstudium überstehen, ehe ich wirklich Gerichtsmediziner werden kann. Wenn mein Onkel da nicht wäre, dann dürfte ich garantiert nirgendwo dran rumschnippeln.“

      Melina sieht ihn mit leicht zusammengezogenen Brauen an. „Ist dein Onkel Arzt?“

      Er nickt und seufzt dann leise. „Chefarzt sogar. Eigentlich verschafft mir das nur Vorteile, auch wenn es den anderen gegenüber vielleicht ein bisschen unfair ist. Die dürfen sich alle nämlich nur mit dem Stoff rumschlagen, während ich mir bereits Leichen ansehen darf.“ Er seufzt wieder, während Melina erneut das Gesicht verzieht. „Aber manchmal ist es auch wirklich schwierig. Weil jeder erwartet, dass ich mindestens genauso gut werde wie er.“

      „Ist bestimmt nicht einfach“, pflichtet sie ihm bei. Dann lächelt sie wieder schwach. „Ich hätte dennoch keine Lust, alleine mit Dutzenden Toten in einem Raum zu sein. Irgendwie würde ich dauernd das Bedürfnis verspüren, mich umzudrehen und zu gucken, ob sie auch wirklich noch tot sind.“

      Nick muss lachen, doch ehe er auf ihren Kommentar antworten kann, kommt Isa auf sie zu, in der Hand ein Tablett beladen mit leeren Gläsern. „Lia, die Kerle am Tisch siebzehn fragen nach dir, sie wollen zahlen!“, sagt sie an Melina gewandt, ehe sie in die Küche verschwindet.

      „Gut“, seufzt sie leise und stemmt sich vom Tresen ab. „Also überleg`s dir nochmal mit deinem Schlussdienst, ich hab da echt nichts gegen. Ich hab morgen nichts zu tun und außerdem kann ich das Geld gebrauchen.“

      „Meliiiinaaa!“, brüllen da die drei Jungen im Chor durch den halben Laden.

      Das Gesicht von ihr verfinstert sich. „Glaub mir, wenn das weiter so geht, hast du bald drei neue Leichen, die du untersuchen kannst.“ Nick muss wieder lachen, während Melina mit gereizter Miene zu dem Tisch geht.

      Sein Blick folgt ihr.

      Kapitel 22

      Nick ist müde und lustlos, als er sich am Montag in den Hörsaal schleppt. Natürlich hat nie jemand behauptet, dass Studieren einfach sei, vor allem nicht, wenn man nebenbei arbeiten muss, um genug Geld für die Studiengebühren und die anderen anfallenden Kosten aufzubringen. Zwar bekommt er staatliche Unterstützung, doch reicht diese bei Weitem nicht aus, um neben der Gebühren und den Anschaffungskosten von Büchern, Heften, Blöcken, Stiften und einer Monatskarte für Bus und Bahn auch noch die Miete seines mickrigen Zimmers zu decken. Ihm bleibt also nichts anderes übrig als nebenbei auch noch zu jobben.

      Und deswegen ist er jetzt so müde.

      Er schaut sich in dem Hörsaal um und sucht nach Jan, einem Typen, den er erst hier kennen gelernt hat, doch er kann ihn nicht entdecken. Also lässt er sich auf einen der nächstbesten Plätze fallen, kramt einen zerfledderten Zettel und einen Stift hervor und lehnt sich dann soweit zurück, wie es der Stuhl ihm erlaubt.

      Seine Augen brennen und ihm tut der Rücken weh, obwohl er sich nicht genau erklären kann, woher diese Schmerzen kommen. Vage erinnert er sich, wie er in dem gestrigen Arbeitstumult einen Stoß in den Rücken bekommen hat, als er nicht schnell genug aus der Küche verschwand, um die Bestellungen rauszubringen. Vielleicht kommen sie ja da her.

      Inzwischen bereut er, dass Angebot von Melina nicht doch angenommen zu haben, sein ununterbrochenes Gähnen ist der beste Beweis dafür, dass ihm eine Nacht mit mehr als fünf Stunden Schlaf einmal ganz gut getan hätte. Doch nun ist es zu spät. Außerdem hätte er gestern nicht bis in die Nacht lernen müssen.

      Als sich ein Typ mit blonden, etwas längeren Haaren neben ihn setzt, beachtet Nick ihn nicht weiter. Im Grunde ist es ihm egal, wer sich neben ihn setzt und wer nicht. Er möchte diese Vorlesung nur so schnell wie es geht hinter sich bringen, sich dann in die nächste schleppen und dann so schnell wie möglich wieder nach Hause in sein Bett.

      Sein Bett erscheint ihm mit einem Mal wie das Paradies Eden.

      „Hey, bin ich hier richtig bei Rechtsmedizin?“ Der Kerl mit den blonden Haaren hat sich zu ihm rüber gebeugt und mustert ihn aus klaren blauen Augen. Seine Erscheinung wirkt sehr gepflegt und seine Klamotten lassen darauf schließen, dass er Geld haben muss. Sie sind schlicht und subtil, wie es nur Markenklamotten sein können.

      „Ja“, antwortet Nick einsilbig. Er blickt ihn nicht einmal an.

      „Ist der Professor gut?“

      Nick unterdrückt ein Seufzen. Er ist momentan einfach nicht an einer Konversation interessiert.