Tessa Koch

Liebe ist tödlich


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„Kommt drauf an, wie du gut definierst“, nuschelt er daher nur gelangweilt zurück.

      „Naja.“ Der Typ lacht. „Man sollte was bei ihm lernen – ich hab nicht umsonst meinen anderen Job aufgegeben, nur um mich von einem Idioten vollschwafeln zu lassen.“

      Wenn Nick besser aufgelegt gewesen wäre, hätte er vielleicht sogar nach dem vorherigen Beruf von dem Kerl gefragt. Doch so übergeht er den Kommentar einfach. „Ist schon ganz okay hier. Mal so mal so. Man lernt auf jeden Fall was.“

      „Das ist gut.“ Der Typ grinst ihn an. „Ich bin im Übrigen Lennard.“

      „Nick.“

      „Wie lange bist du schon hier, Nick?“

      Man, er will echt nicht begreifen, dass er die Klappe halten soll, schießt es Nick durch den Kopf. Er sieht ein, dass dieser Lennard hartnäckig an einer Konversation interessiert zu sein scheint und ihn daher nicht allzu schnell wieder in Ruhe lassen wird. „Fast fünf Jahre, so wie alle hier.“

      „Cool.“ Geht so, schießt es Nick durch den Kopf. „Dann bist du ja fast durch und was kommt dann? Willst du gleich Arzt werden?“

      Nick fragt sich, was ihn das überhaupt interessiert. „Nein, ich will in die Gerichtsmedizin.“

      „Oh, interessant“, erwidert Lennard. „Ich will ganz normaler Arzt werden, aber sooft wie ich umziehe, frage ich mich, ob ich mein Studium überhaupt jemals beenden werde.“ Er lacht kurz. „So ist das halt, was?“

      „Scheint so.“

      Nick ist erleichtert, als der Professor den Hörsaal betritt und seinem Eintritt eine beinahe sofortige Stille folgt. Auch der Typ neben ihm hält nun endlich seine Klappe und wendet sich mit einer durch und durch konzentrierten Miene dem Professor zu. Nicks Blick schweift zu dem Heft, das er vor sich liegen hat. Es ist in einem roten Papier eingeschlagen und in sauberer Handschrift hat der Kerl seinen Namen auf das Heft geschrieben. Nickt wird nicht einmal stutzig, als er einen anderen Namen liest, als den, den der Typ ihm soeben genannt hat.

      Er bemerkt es nicht einmal.

      Kapitel 23

      Es ist Samstagabend und die Hölle ist los.

      Nick weiß, dass er eigentlich zehn Arme bräuchte, um all die Bestellungen mitnehmen zu können, die auf dem Metalltisch in der Küche (dort warten die Gerichte) und auf dem Tresen (da stehen die Getränke) auf ihn warten, doch er hat nun mal keine zehn Arme. Ärgerlicher Weise.

      Das Schrillen der Glocke, die verkündet, das eine weitere Mahlzeit zubereitet ist, schrillt ununterbrochen durch den Laden, doch Nick weiß, dass, wenn man auf dieses Schrillen nicht geradezu abgerichtet ist, man es so gut wie nie wahrnimmt. Genau wie die anderen, mit denen er heute die Schicht teilt, ist er nur am Rennen, Essen Holen, Bestellungen Aufnehmen und Abkassieren. Obwohl es stressig ist, kann er sich nicht beschweren. Er verdient gut, Samstagabends, vor allem wenn bereits etwas Alkohol geflossen ist, geben die Leute immer gutes Trinkgeld.

      Er hat nur zwei Tische, an denen bereits seit mehr als zwei Stunden dieselben Gäste sitzen, ansonsten kommen die Leute, bestellen, essen und trinken recht eilig und bezahlen dann sofort wieder, um zu verschwinden und den Tisch für neue Gäste freizumachen. Nette Laufkundschaft.

      Ein Traum für das Portemonnaie also.

      Und ein Albtraum für die Füße.

      Melina eilt an ihm vorbei und obwohl sie ebenso gestresst und gehetzt wirkt, wie er sich fühlt, schafft sie es dennoch, ihm im Vorbeigehen ein Lächeln zuzuwerfen. Seine Laune steigt etwas und obwohl er weiß, dass er eigentlich keine Zeit für solche Gedanken hat (er hat nicht mal Zeit, um überhaupt zu denken), fällt ihm wieder einmal auf, wie sehr er Lia mag. Doch sich darüber im Klaren zu werden, was genau das für ihn wohl bedeuten könnte, dafür reicht die Zeit nun wirklich nicht.

      Er bringt die Bestellungen weg, wünscht den Leuten, eine Gruppe von jungen Studenten, wie es ihm scheint, einen guten Appetit und verschwindet sofort wieder. Er hat bereits neue Gäste ins Auge gefasst, die sich an einem gerade frei gewordenen Tisch in seinem Revier setzen. Er eilt sofort dorthin. „Schönen guten Abend“, begrüßt er die drei Frauen munter. Im Grunde sind sie noch eher Teenager als Frauen. Nick würde ihnen zumindest keinen Alkohol verkaufen, ohne vorher nicht ihre Personalausweise kontrolliert zu haben. Er wechselt das Teelicht gegen ein neues aus und zündet dieses an.

      „Hallo.“ Die Mädels mustern ihn neugierig, doch es fällt ihm nicht auf. Er ist gerade dabei, die leeren Gläser der Vorgänger zusammenzuklauben und auf ein Tablett zu stellen. Dann wischt er den Tisch mit einer schnellen Bewegung einmal feucht ab.

      „Darf ich euch schon was zu trinken bringen?“ Er sieht die drei Mädchen fragend nacheinander an. Das eine wird unter seinem Blick rot und er muss ein Grinsen unterdrücken. Irgendwie ist es ja niedlich.

      „Drei Cola, bitte“, bestellt eine von ihnen mit einem Blick in die Runde und lächelt ihm zu. Ihm wird gar nicht bewusst, dass sie versucht mit ihm zu flirten. Zum einen sind sie ohnehin zu jung für ihn (er glaubt, mindestens acht Jahre älter zu sein als sie) und zum anderen ist er zu sehr in seine Arbeit vertieft, um die Avancen eines Teenagers jetzt zu bemerken.

      „Alles klar, es kann aber leider etwas dauern, hier ist momentan die Hölle los.“ Er wirft einen schnellen Blick über die Schulter. Der Laden ist rappelvoll, die einzelnen Gespräche haben sich zu einem monotonen Summen erhoben, das den Raum erfüllt. „Ich werde aber mein Bestes geben.“ Er grinst den Mädchen zu und das eine wird wieder rot. Als er sich umdreht, um zu gehen, hört er sie hinter sich kichern.

      An der Kasse trifft er Lia. „Bin sofort weg“, sagt sie, ohne von dem Monitor aufzusehen.

      Im Grunde haben die <Kassen> kaum noch etwas mit normalen Kassen zu tun. Es sind eher Computer, in denen sie, nachdem sie ihre Schlüssel eingesteckt haben, die Bestellungen eingeben, die dann an die Küche geschickt werden, wo die Köche diese dann zubereiten. Außerdem speichern diese <Kassen> alle Getränke und Speisen, die ein Tisch den Abend über bestellt, sodass die Rechnungen der einzelnen Tische allesamt abgespeichert sind. Möchte ein Gast zahlen, so braucht man diese nur auszudrucken.

      Wunderwerk Technik.

      „Lass dir Zeit“, erwidert Nick und sieht Melina beim Eingeben der Speisen und Getränke zu.

      Sie schickt die Bestellung ab. „Wir haben aber keine Zeit“, grinst sie ihn dann an. „Nur falls es dir noch nicht aufgefallen ist, aber der Laden ist voll. Wenn das weiter so geht, können wir die Gäste übereinander stapeln, während sie uns die Haare vom Kopf fressen.“ Nick muss lachen, doch ihm bleibt keine Zeit, um Lia zu antworten.

      Mit einem letzten Zwinkern ist sie bereits wieder in Richtung Küche verschwunden, aus der ein erneutes Schrillen dröhnt. Er sieht ihr unbewusst nach und ihm fällt wieder einmal auf, was für eine schöne Figur sie hat. Durch das enge Arbeits-T-Shirt, das sie tragen müssen, wird sie noch etwas mehr betont. Privat neigt Melina dazu, weitere Sachen zu tragen, die ihre weiblichen Vorzüge eher kaschieren als betonen, und Nick hat sich schon das ein oder andere Mal gefragt, wieso sie sich nur so verstecken will. Sie könnte Dutzenden Männern den Kopf verdrehen, wenn sie nur wollte.

      Er steckt seinen eigenen Schlüssel in die Kasse und wählt schnell den Tisch aus, für den die Bestellungen gemacht werden sollen, danach gibt er die drei Colas ein und schickt die Bestellung ab. Danach zieht er seinen Schlüssel wieder aus der Kasse und hetzt ebenfalls in Richtung Küche, aus der weiteres Schrillen klingt.

      Über den Abend hinweg scheint der Laden nicht leerer, sondern nun noch voller zu werden, sodass Eva, die Schichtleiterin des Abends, wertvolle Minuten damit verschwendet, Kollegen von ihnen anzurufen, um sie um Unterstützung zu bitten. Am Ende lassen sich tatsächlich zwei von ihnen, Tony und Mareike, dazu erweichen und sind binnen einer halben Stunde da, um ihnen unter die Arme zu greifen.

      Von da an scheint es etwas entspannter zu werden.

      Gerade