Emma Richi

Vermächtnis der Toten


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ich vergessen hatte: Bilderrahmen! Die könnte ich morgen in dem kleinen Ort kaufen. Als Hintergrund für den Laptop wählte ich mein Lieblingsfoto mit Anton. Das war als ich vier geworden bin, auf meiner Feier. Wir lagen zusammen in einer Hängematte unter zwei Bäumen, die mit Lichterketten geschmückt waren. Anton und sein Vater hatten das organisiert, eine Prinzessin sollte auch wie eine feiern, hatten sie gesagt. Es war ein Tag, an den ich mich gern erinnerte. Einer von wenigen aus meiner Kindheit vor Kethie. An den Laptop schloss ich meine Festplatte an und sicherte meine Daten ein zweites Mal. Als ich mich mit dem Internet verband, öffnete ich meinen überfüllten E-Mail Account. Viel Mails von meinem Hockey Coach und einige wenige von meinem Gymnasium. Ich las sie alle flüchtig durch und entschied niemandem zu antworten. Taylor war aufgewacht und kam in einem Übergrößen Pulli zu mir an den Tisch: “Und? Hab ich was verpasst?“ “Den Horror. Ich glaub, ich hab genügend Klamotten für mein restliches Leben.“ Sie lachte und trank ein Glas Wasser. “Und war’s schön?“ “Sie ist der Wahnsinn auf zwei Beinen“, sagte Tay und lächelte glückselig. Ich musste auch lächeln, denn es machte mich glücklich sie so zu sehen. “Ich glaub, mehr will ich gar nicht wissen.“ Wir sahen uns einen Moment schweigend an. “Haben die aus der unteren Etage wieder zu laut Musik an?“ “Nope, das ist unsere neue Anlage, Tim hat sie zusammen gesucht und ich hab die letzte halbe Stunde damit verbracht sie aufzubauen und meinen Laptop einzurichten. Du kannst dein Handy mit den Lautsprechern verbinden, dann läuft deine Musik und du kannst auch regeln wir laut oder leise.“ “Cool, ich schätze wir haben den besten Klang überhaupt. Will ich wissen wie viel du ausgegeben hast?“ Ich schüttelte den Kopf, sagte dann aber doch beiläufig: “Mein Konto bleibt voll. Voll genug um unser Zimmer umzubauen.“

      Ihr blick spiegelte Verwirrung wieder. Eine Erklärung war nötig: “Ich schätze, hier wird außer Riley niemand zusätzlich einziehen, also bin ich dafür alles Unnötige rauszuschmeißen und unser Zimmer in unser eigens Paradies zu verwandeln. Immerhin werden wir hier noch drei Jahre wohnen. Und Riley schläft mit in deinem Bett, demnach brauchen wir zwei Betten.“ “Und wer schläft mit in deinem Bett?“ Ich warf ihr einen zerknüllten Bong an den Kopf. Wir lachten. “Jetzt mal im Ernst, wen gedenkst du mit in dein Bett zunehmen?“, ihr Ton war vollkommen ernst und ich wusste genau was ich antworten würde: “Ich schlafen am besten, wenn ich allein in meinem Bett bin.“ Ihr erstaunen machte mich verlegen, auch wenn es dafür eigentlich keinen Grund gab. “Oscar steht voll auf dich und ich könnte wetten, wenn die Jungs dich nicht beschützen würden, dann wären noch viel mehr Jungs hinter dir her.“ Bevor ich ihr eine Antwort darauf geben konnte, tauchte eine zerknirschte Riley auf. Ich musste doch echt grinsen. Aber ich hatte genügend anstand um zu sagen: “Ich geh jetzt zu Mrs. Trimbee und hol mir mein Trainigsokay für morgen ab und ihr zwei könnt machen, was auch immer ihr wollt.“

      Als ich das Zimmer verlassen hatte, fiel mir ein, dass ich wirklich dringend neues Pulver benötigte, also war es nicht einmal gelogen. Meine Kopfschmerzen waren nicht mehr so schlimm, aber sie waren da. Vielleicht ergab sich die Möglichkeit Pulver zu nehmen, ohne dass Mrs. Trimbee es erfahren würde. Ich wollte trainieren, gestern hatte ich zwar gewonnen, aber ich war einfach nicht gut genug gewesen um nicht verletzt zu werden.

      In der Krankenstation war nichts los, niemand außer Mrs. Trimbee war dort. “Ich wollte fragen, ob sie einen Moment Zeit für mich haben.“ Ihr lächeln war Antwort genug. Auf dem Bett sitzend stand sie vor mir, betrachtete mein Gesicht. “Susann hat sich selbst übertroffen, man sieht es kaum wenn man es nicht weiß. Die Schwellungen sind immer noch da, also gebe ich dir jetzt vier Pulverpäckchen. Die müssen bis morgen Mittag reichen, da will ich dich wieder hier sehen“, stellte sie fest und wollte sich gerade abwenden, als ich die alles entscheidende Frage stellte: “Darf ich wieder Trainieren?“ Jetzt schien sie verwirrt, doch auch in einer Art belustigt, die mich erschreckte. “Genau wie deine Mutter. Ich erlaube dir kein Training vor Montag, morgen werde ich neu entscheiden und wenn du dich nicht daran hältst, dann werde ich dasselbe machen wie bei deiner Mutter.“ Schon wieder und gleich zweimal: Mutter. “Und das wäre dann?“ “Ich werde dich sedieren und hier behalten.“ “Das wäre Körperverletzung, Missbrauch des Amtes und so einiges mehr, ich würde es ihnen nicht raten.“ Ich kannte mich in diesem Bereich des Gesetzes aus und nutzte es. Das Lächeln von Mrs. Beth Trimbee machte mich jedoch nervös. “Dann gebe ich dir kein Pulver mehr und du hast schmerzen, ich finde genügend Möglichkeiten.“ Na super! Die Krankenschwester/Ärztin war ja wirklich darauf aus mir mein Training zu ruinieren. “Na gut, darüber können wir ja morgen noch einmal sprechen. Hier ist das Pulver und eine Schlaftablette, nimm sie mindestens eine Stunde nach der Einnahme des Pulvers, wenn möglich mehr.“ “Na gut, aber morgen bekomme ich eine Chance das neu zu verhandeln“, sagte ich und nahm das Zeug. Ein Nicken ihrerseits ließ mich aufatmen. Dann sagte sie noch: “Ich schätze du weist nicht viel über Claudia, aber sei versichert, sie ist dir wirklich sehr ähnlich und das vor allem als gutes.“ “Dankeschön Ma’am“, es hatte mir bisher nicht viel bedeutet, aber ihre Worte gingen tief in mein Herz. Es änderte nichts daran, dass ich nicht wusste, ob ich sie kennen lernen wollte, aber es änderte mein Gefühl von Verlassenheit ein wenig.

      Ich beeilte mich nicht zurück in mein Zimmer zu kommen. Auf dem Gang traf ich ein paar der jüngeren Schüler. Sie gafften mich an, als wäre ich in einem Schaufenster ausgestellt. Hört das denn niemals auf?! Im Gemeinschaftsraum saßen viele Schülerinnen auf einem Haufe, sie tuschelten und als sie mich sahen, war kurzzeitig ruhe im Karton. Ohne mich darum zu kümmern ging ich den Gang entlang, die Treppe hoch zu unserem Zimmer. Es war das größte von allen. Daraus lässt sich etwas machen. Wieder klopfte ich zur Warnung und ging dann rein. Die beiden waren geduscht und saßen am Tisch. “Ich nehm jetzt Pulver und leg mich hin, vielleicht bringt es mir etwas.“ Als ich gerade ins Bad wollte mir ein Glas Wasser holen, fragte Riley mir ein Foto vor die Nase haltend: “Ist das von dir?“ Ich nickte, es hörte sich nach einer Anklage an. “Entschuldige, ich wollte eigentlich nur wissen, ob du das Baby darauf bist.“ “Laut dem Brief ja. Warum?“ Jetzt heilt Riley ihr Foto daneben und kommentierte: “Weil das kleine Mädchen demnach ich bin.“ Taylor sah uns grinsend an. “Also Riley kommt definitiv nach eurem Vater und Remy du nach eurer Mom.“ Taylor war wirklich hoch auf begeistert von den neuen Erkenntnissen. “Dann würd ich sagen, hab ich ‘ne große Schwester, die mit meiner einzig besten Freundin zusammen ist. Schlimmste Zwickmühle ever.“ Riley lachte. “Ich will alles wissen und vor allem, ist unsere Mom eine richtige Mom?“ Verlegen sah ich auf den Boden. “Das kann ich dir nicht sagen, denn ich kenne sie nur von dem Foto. Du ja scheinbar auch.“ Rileys Gesicht sah verwirrt aus, das war doch nun wirklich nicht schwer! Ich bin nicht bei dieser Frau aufgewachsen, dröhnte es in meinem Kopf. “Dann lernen wir sie zusammen kennen.“ Ich nickte beklommen. Jetzt würde ich mit der Schlaftablette nicht mehr warten. Statt dem Pulver nahm ich die Tablette und legte mich hin. “Ich möchte nur ein wenig schlafen, wir können später reden.“ Riley hatte sich mit Taylor auf den Hochboden verzogen. Es lief leise einer meiner Playlists und ich nickte ein.

       Riley:

       Sie war eingeschlafen. Echt niedlich, sie zuckte ein paar Mal mit der Nase. Sie war wirklich süß und sie war meine Kleine. Immer hatte ich mir Geschwister gewünscht, nicht allein zu sein. Jetzt würde ich das alles mit Remy nachholen. Egal was passiert, niemand kann irgendeinen Zweifel wecken, sie ist meine Schwester!!! Keine Chance, die werd ich nie wieder hergeben! Genauso wie Taylor. Aber jetzt gerade beobachten wir einfach zusammen wie niedlich Remy beim Schlafen ist.

       Nach einer Stunde schlief sie noch tief und fest, deswegen gingen wir allein zum Essen. Einige fragten nach Remy, doch als wir sagen, sie würde schlafen, sahen viele enttäuscht aus. Als wäre das alles eine einzige große Show und Remy die Hauptdarstellerin. Am liebsten hätte ich die alle angeschrien, aber Taylor drückte meine Hand. Die Jungs redeten nur über die Tour und bemerkten gar nicht, dass Remy nicht da war. Nach dem Essen kam Mrs. Green zu uns: “Wo habt ihr denn Remy gelassen?“ Taylor sah mich unsicher an, doch dann kniff ich die Arschbacken zusammen und antwortete ihr: “Sie schläft noch. Zumindest hat sie noch geschlafen als wir gegangen sind.“ “Nun, dann werde ich nach ihr sehen und ihr etwas zu Essen mitbringen“, sagte Mrs. Green und machte sich auf den Weg.

      Jemand rüttelte an mir, aber ich bekam eigentlich nicht wirklich