Josefine Gottwald

Die Krieger des Horns - Blutmond


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magische Pferde, schwarze Magie – das alles ist so unrealistisch, dass ich es manchmal selbst nicht glaube. Aber wir haben es alle erlebt.

      Als ich mich von Andy selbst im Sattel kaum lösen kann, sagt Danny irgendetwas hinter meinem Rücken, worüber die Männer, die mit ihm reiten, schallend lachen müssen. Ich kann mir denken, welcher Art diese Bemerkung war und rolle nur mit den Augen. Meistens versuche ich so zu tun, als würde es mich überhaupt nicht interessieren, was er sagt. Aber natürlich verletzt es mich trotzdem.

      Robin spornt seinen Hengst zu einem kurzen Sprint an und schließt zu uns auf. Er sitzt so gerade im Sattel von Destino, als wäre er mit ihm verwachsen.

      Ich muss beinahe schmunzeln bei seinem stolzen Blick. Er schnaubt wie ein wütender Stier, als er sagt: „Perdón, dass ich euch störe, aber ich laufe Amok, wenn ich es noch länger mit diesen Burros aushalten muss! Wie schaffst du das nur, Querida? Du bist zu bemitleiden!“

      Ich versuche, gelassen zu antworten. „Ich verbringe einfach so viel Zeit wie möglich mit euch!“

      Die beiden tauschen einen Blick und Robins Züge entspannen sich. Die übertriebene Sorgenfalte verschwindet von seiner Stirn, als er sieht, dass es mir gutgeht. Sofort tritt das vieldeutige Lächeln wieder in sein Gesicht und er schüttelt den Kopf, während er mich ansieht, als wäre ich unfassbar für ihn. Manchmal glaube ich, die beiden wissen gar nicht, wie gut mir ihre Anwesenheit tut. „Ich glaube, ohne euch würde ich sterben!“, gestehe ich, und Robin lacht, weil er es für einen Scherz hält.

      Andy hält noch immer meine Hand, während wir nebeneinander herreiten. Die drei weißen Pferde in einer Reihe sehen aus wie aus einer Show, ihr Fell glänzt in der Morgensonne, Mähne und Schweif wippen bei den ausgreifenden Bewegungen und ihre blauen Augen strahlen so viel Weisheit aus, dass jeder von ihrem Bann ergriffen wird, ohne zu wissen, was es ist, dass diese Pferde so faszinierend macht. Wenn ich versuche, mich genau zu konzentrieren, fühle ich das Leuchten, das von ihrer Stirn ausgeht. Gemeinsam mit unseren Freunden besitzen wir die sechs letzten Einhörner, die es gibt. Wahrscheinlich sind auch sie ein Grund, weshalb ich es schaffe, Dannys Launen zu ignorieren.

      Er sagte, Luna würde mir nur Ärger bringen. Und zu viel kosten. Es stimmt, sie ist wählerisch bei den Kräutern, die sie frisst, und empfindlich gegen Nässe und Zug. Aber ihre Seele ist meiner so tief verbunden, dass ich glaube, ohne sie nur noch ein halber Mensch zu sein. Sie versteht all meine Gedanken und schafft es immer wieder, mir Mut zu machen oder mich zu beruhigen.

      Während wir im versammelten Trab durch die Prärie schaukeln, beobachte ich Robin und Andy und versuche zu ergründen, was sie beschäftigt. Luna erkennt meine Sorge sofort und richtet ihre Ohren nach links und rechts zu den anderen Einhörnern, um ihnen ihre Aufmerksamkeit zu widmen.

      Geht es ihnen gut?, frage ich sie in Gedanken, ohne dass meine Freunde es hören können.

      Sie nickt mit dem Kopf, als ob die Fliegen sie stören würden; dabei schnaubt sie beruhigend. Sie verarbeiten es nach und nach. Im Moment haben sie genug Ablenkung, aber sie werden trotzdem noch Zeit brauchen.

      Jetzt nicke ich, obwohl sie es nicht sehen kann. Ich würde so gerne mehr tun, denke ich, und Andy blickt mich unvermittelt an, weil ich seine Hand gedrückt habe. Als er mich fragt, ob alles in Ordnung ist, bin ich froh, dass er nicht die Gabe des Gedankenlesens besitzt. Wenn ich versuche, über die Geschehnisse im Wolf Forest zu reden, wird er meistens schweigsam oder tut, als wären seitdem schon Jahre ins Land gegangen. Dabei sind es gerade mal ein paar Monate ...

      „Dort sind sie!“, ruft Jeremy Davis plötzlich nach hinten und deutet auf einen Hügel, wo er seine Herde entdeckt hat. Die Mustangs, die dort bis eben noch gegrast haben, heben aufmerksam die Köpfe, als wir uns nähern – unschlüssig, ob sie flüchten oder warten sollen.

      Andy schnalzt mit der Zunge und wir schließen zu seinem Vater auf.

      Anstatt sein Pferd zum Galopp anzuspornen, springt Señor Davis aus dem Sattel, lässt die Zügel auf den Boden fallen und läuft der Herde zu Fuß entgegen.

      Nach kurzem Zögern wiehert die Leitstute, freudig, ihn erkannt zu haben. Dann gerät Bewegung in die Herde: Wie ein roter Blitz schießt der Leithengst um seine Stuten herum und rast geradewegs auf Jeremy zu. Seine Mähne fliegt, als er sich einen Weg durch den dünnen Nebel bahnt, die Nüstern sind vor Aufregung gebläht und die Augen geweitet. Erst kurz vor Señor Davis hält der Hengst abrupt an; hinter ihm legt sich der Staub.

      Andy lacht, als er sieht, wie angespannt meine Züge waren. Er drückt meine Finger und erklärt: „Das ist Zorro, der beste Hengst, denn wir bisher hatten, wir züchten seit vielen Jahren mit ihm. Er ist der Stammvater aller wilden Fohlen!“

      „Es sieht nicht einfach aus, ihn zu zähmen!“, sage ich lächelnd.

      „Das ist eine lange Geschichte mit meinem Vater und ihm ...“

      „Jetzt sind ja zum Glück noch Ferien, da haben wir viel Zeit für lange Geschichten!“ Ich grinse zufrieden.

      „Zeit, die du sinnvoll in deine Schulausbildung investieren wirst!“, berichtigt eine Stimme hinter mir. „Anstatt sie mit deinen zugewanderten Freunden zu verschwenden!“ Er wird leiser und wirft einen schnellen Blick auf Señor Davis, unter dessen Kommando er steht.

      Robin und Andy sehen entsetzt aus, aber bevor sie etwas sagen können, drehe ich mich im Sattel zu Danny um.

      „Ich freue mich wirklich über dein Angebot, mir Nachhilfe zu erteilen! Aber ich dachte, du musst meiner Mutter das Reiten beibringen? Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass ich mich mit deiner Hilfe von einem A auf ein A+ verbessere ...“

      „Ich glaube, wir brauchen Piper dringender als die Algebra“, sagt Andy lächelnd. „Ohne ihre Hilfe müssten wir einen Teil der Pferde unausgebildet verkaufen.“

      „Dass du sie dringend brauchst, ist mir klar!“ Danny grinst selbstgefällig. „Ich kann mir eine Menge Talente vorstellen, die Piper für dich unentbehrlich machen!“

      Andy antwortet ruhig. „Ich glaube nicht, dass Sie ihr in diesen Dingen etwas vorschreiben können.“

      „Ich hoffe nur, ihr bezahlt sie auch entsprechend!“

      „Ach, hören Sie doch auf, Piper ständig so blöd anzumachen, sonst werden Sie sich irgendwann im Staub der Prärie wiederfinden!“

      „Du willst mir drohen, Mexikaner?“ Er zischt das Wort so scharf zwischen den Lippen, dass es mich an das Rasseln einer Klapperschlange erinnert, die sich zum Kampf aufstellt.

      „Bitte, lasst es gut sein!“, sage ich mit so viel Langeweile, wie ich aufbringen kann, und berühre Andy an der Schulter, um ihn zu beruhigen.

      Aber nach einem kurzen Blick auf Señor Davis, der noch mit Zorro beschäftigt ist, reitet Danny noch ein Stück näher an uns heran und flüstert gerade laut genug, dass wir es hören können: „Geht dahin zurück, wo ihr hergekommen seid, verdammte Ausländer! Ihr seid kein Umgang für meine Familie!“ Er spuckt vor uns auf den Boden und sieht mir voll Hass in die Augen. „Genauso wenig wie du!“

      „Also jetzt reicht es!“ Robin wendet seinen Hengst in einer Sekunde auf der Stelle und steht Danny gegenüber, der Mühe hat, sein Pferd zu bremsen.

      „Was mischst du dich da ein?“ Dannys Augen funkeln angriffslustig. Aber Robin hält seinem Blick stand.

      Während Danny nach den passenden Worten sucht, um uns weiter zu provozieren, macht sein Schimmel plötzlich einen Satz zur Seite und steigt erschrocken auf die Hinterhand. Danny war nicht gefasst auf diese Situation, verliert die Steigbügel und rutscht aus dem Sattel. Er klammert sich noch immer an die Zügel, als er auf dem Rücken im Sand landet.

      Einen Moment sieht er schockiert aus, aber er erholt sich schnell und springt wieder auf die Beine. Er wettert über seinen Schimmel, den er gerade so daran hindern kann, uns zu folgen, als wir uns abwenden und ihn im Staub stehen lassen.

      „Wir wollen nur dein Bestes, Piper!“, behauptet er und fügt hinzu, dass es mir noch leidtun würde. „Deine Mutter wird traurig sein,