Josefine Gottwald

Die Krieger des Horns - Blutmond


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      Ich muss lachen. Was uns Danny danach noch hinterherruft, höre ich schon nicht mehr. Ich tausche ein wissendes Grinsen mit Andy und Robin.

      „Diese Fähigkeit ist unvergleichlich – ich danke dir!“, sagt Andy zu seinem Bruder.

      „De nada“, antwortet Robin großzügig. „Du hättest ihn schon längst auf seinen Platz verweisen sollen!“

      „Ach weißt du, es gibt so viel Bedeutenderes in der Welt ...“ Andy sieht zu mir und ich nicke zustimmend. „Und man kann einem Esel schließlich nicht beibringen, ein Hengst zu sein.“

      „Mein kleiner Bruder ist so weise!“ Robin sieht Andy an, als wollte er ihn am liebsten in die Wange kneifen und Andy zieht eine Grimasse.

      Als wir beginnen, die Wildpferde einzukreisen, lache ich noch immer über die beiden und habe Danny schon fast wieder vergessen.

      „Ich glaube, wenn ich euch nicht hätte, müsste ich auf der Shore Ranch versauern!“, behaupte ich. „Hoffentlich wird meine Mutter einsehen, dass sie mich nicht die ganzen Ferien dort festhalten kann!“

      „Das wird sie bestimmt, sie liebt dich!“, sagt Andy. „Auch wenn sie sich manchmal nicht zwischen euch entscheiden kann.“ Er entfernt sich ein Stück von mir, um die Herde einzukreisen, aber dann fällt ihm noch etwas ein: „Und wenn nicht, dann musst du durch das Fenster fliehen und ich hole dich persönlich mit meinem Pferd ab!“

      „Exacto“, bestätigt Robin, „du knotest die Bettlaken zusammen und Andy entführt dich auf seinem weißen Hengst! Wie im Märchen, maravilloso!“ Er zwinkert mir zu.

      Ich grinse. „Da lasse ich es doch gern drauf ankommen!“

      Brendan

      Die Ersten, die mich begrüßen, sind meine Pferde. Das Einhorn Justo wiehert aus vollem Halse und die gescheckte Cheyenne – das Pony meiner kleinen Schwester – tänzelt aufgeregt am Weidezaun entlang, während mein Vater den Wagen in die Einfahrt lenkt.

      Die Sonne brennt auf das Autodach und ich reiße die Tür auf, noch bevor wir anhalten. Die Pferde stehen im Schatten einer alten Kiefer und kämpfen gegen die lästigen Fliegen. Als ich über den Zaun zu ihnen klettere, kommen sie gemütlich auf mich zu und untersuchen meine Taschen auf Karotten und Äpfel.

      „Okay, ich ergebe mich!“, lache ich, als sie mich abschnuppern und mit ihren Nüstern warme Luft unter mein Shirt blasen. Ich zeige ihnen den Beutel, wo ich etwas für sie versteckt habe und Justo vergräbt schmatzend sein Maul darin. „Na, hast du mich vermisst, mein Guter?“ Ich kraule ihn zwischen den Ohren.

      Das Indianerpony ist recht kurzweilig, antwortet er in meinen Gedanken, aber es ist etwas Anderes, einen Seelenverwandten zurückzuhaben! Während er frisst, blicken mich seine blauen Augen fragend an. Wirst du diesmal bleiben?

      Ich lasse mir Zeit und werfe dem Pony ein paar Äpfel hin.

      „Ich hätte mich wahrscheinlich ohnehin nie an diese Schule gewöhnt. Ich hoffe, die Mädchen nehmen es mir nicht übel, wenn ich ihnen von nun an auf den Geist gehe ...“

      Ich blicke ihn zweifelnd an, aber er schnaubt erfreut. Vielleicht sehen wir sie dann auch öfter!

      „Natürlich. Wenn du willst, reiten wir jeden Tag rüber zur Ranch. Vielleicht lasse ich dich dann auch dort, in der Herde ...“

      In der Einhornherde ...

      „Also, worauf warten wir? Es sind Ferien und am Tag sind keine Vampire unterwegs!“ Ich versuche ein selbstbewusstes Grinsen, aber in meinem Kopf melden sich Zweifel.

      Manchmal rieche ich hier ein seltsames Tier, erzählt mir mein Einhorn später, als ich im Sattel sitze und es zur Davis Ranch lenke.

      „Was für ein Tier?“, frage ich.

      Ich weiß nicht, es schleicht hier herum. Ich habe es noch nie gesehen, aber es hat eine magische Aura, so als ob es kein gewöhnliches Tier wäre, eher ein ... eben ein Wesen.

      „Ein Wesen? Was denn für ein Wesen? Sind wir nicht alle Wesen?“

      Ich ermuntere ihn zu einem lockeren Trab.

      Du verstehst das nicht, Mensch!, schnaubt er und ich muss lachen.

      „Ich gebe mir ja Mühe! Ich lese alles über Wesen, was ich finde, wenn ich wieder am PC sitze, aber das wird mir nicht sagen, wie es für dich gerochen hat, verstehst du? Oder wie seine Aura aussieht!“

      Eine Aura sieht überhaupt nicht aus!, berichtigt er und schüttelt die Mähne. Sie ist eher – wie ein Gefühl, als ob dich ein Schaudern überkommt, wenn du jemanden ansiehst, eine kalte Hand dein Herz ergreift oder eine wohlige Wärme dich durchströmt.

      „Hmm ...“ Ich denke über seine Worte nach und blicke in den Himmel. Ein Stück entfernt ruft ein Grünhäher in den Zweigen und ein Schmetterlingspaar tanzt an uns vorbei.

      Da ist es wieder! Justo bleibt wie angewurzelt stehen. Dort, zwischen den Bäumen!

      Eine Viertelmeile entfernt erkenne ich ein Gestrüpp, aber meine Augen sind zu schlecht, um ein Tier darin auszumachen.

      „Zwischen den Bäumen?“, frage ich. „Sind wir wirklich so nah an den Wolf Forest herangeritten?“

      Sei still, ich muss mich konzentrieren!

      „Und, was siehst du?“, flüstere ich und ducke mich an seinen Hals. „Spürst du eine Aura?“

      Er reckt die Nase in die Luft und zieht die Lippe nach oben, um zu schnüffeln.

      Es riecht. Seltsam. Und seine Aura ... ist seltsam. Unschlüssig wirft er den Kopf hin und her.

      „Sollten wir näher heran?“ Unschlüssig halte ich mich an ihm fest, aber er nimmt mir die Entscheidung ab. Schritt für Schritt schleicht mein Pferd am Waldrand entlang und ich starre konzentriert auf das Gebüsch, aber nichts regt sich.

      „Vielleicht ist es ganz klein“, vermute ich, „wie eine Maus oder sogar eine Ameise.“

      Das hättest du wohl gern, du Angsthase! Nein, ich glaube, es ist groß.

      Ich schlucke. Warum sagt er nicht, wie groß?

      „Ich sehe gar nichts!“

      Aber ich sehe es! Vor Überraschung bleibt er stehen und zuckt zusammen, und ich erschrecke mich gleich mit und falle in seinen Rücken.

      Entschuldigung, sagt er halbherzig, um gleich darauf wieder den Hals zu recken wie eine Giraffe. Was ist das?

      „Mein Gott, was siehst du denn? Ich erkenne –“

      Als mir bewusst wird, was dort unten im Gras kauert, schrecke ich hoch und stoße mit dem Kopf an einen Ast. Mein Hut rutscht mir in die Augen und vor Überraschung ziehe ich an den Zügeln.

      Halt doch still!, meckert das Einhorn

      Ich rücke die Krempe gerade und sortiere eilig meine Hände, während mein Blick wieder zu dem Gebüsch wandert. „Ist das ... ist das ein Wolf?“, frage ich.

      Ich weiß nicht ...

      Unwillkürlich klammere ich mich mit den Beinen an ihm fest und merke es erst, als er die Flanken bläht, um sich Platz zu machen. „Er beobachtet uns!“, flüstere ich. „Lass uns hier verschwinden, Justo, das ist ein Werwolf!“

      Am helllichten Tag?

      „Das meine ich ernst!“

      Bevor wir unsere Diskussion beendet haben, hat die Kreatur sich schon entschieden. Schneller, als ich sehen kann, schießt sie aus ihrer geduckten Haltung empor und jagt mit großen Sätzen auf uns zu, die Zunge weit heraushängend und die schwarzen Augen starr auf uns gerichtet. Der Wolf ist viel kleiner als in meiner Erinnerung, aber trotzdem stellen sich mir die Nackenhaare auf. Mit einer Hand umklammere ich die Zügel und mit der anderen taste ich nach dem Shel, das ich um den Hals trage.

      „Ich