Christine Jörg

Geh in die Wueste


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Er streichelte ihr über die Wange. „Und über Atilio konnte ich dich treffen. Also hat es sich gelohnt, dass ich im Wohnheim abgestiegen bin.“

      „Oh ja“, erwiderte Ruth mit sanfter Stimme, „das war der schönste Moment in meinem Leben.“

      „Und es wird noch viele schöne Stunden geben“, Fernando legte die Arme um Ruth und zog sie fest an sich.

      Meistens hielt sich das Paar in Ruths und Gabis Wohnung auf. Es war angenehmer und gemütlicher dort.

      Gabi hatte sich ebenfalls verliebt und war am Wochenende kaum noch in München. Waren sie und ihr Freund Stefan jedoch in der Stadt, planten die zwei Paare gemeinsame Unternehmungen. Schnell hatte Ruth festgestellt, dass Fernando ausgezeichnet kochte und ließ sich von ihm die ausgefallensten Gerichte vorsetzen. Sie wurde regelrecht zur Feinschmeckerin.

      Natürlich hatten Fernando und seine Freunde hin und wieder Auftritte zu denen Ruth sie gerne begleitete.

      Der Sommer nahte. Die Tage wurden länger. Zusammen mit Fernando, manchmal schloss sich Atilio an, ging Ruth in den Straßen von Haidhausen joggen.

      Oft trafen sie sich mit anderen Latinos am Chinesischen Turm im Englischen Garten oder sonst in einem der Biergärten Münchens.

      Als das Wetter richtig sommerlich wurde, musizierten die drei Freunde Fernando, Atilio und Oscar im Englischen Garten. Sehr zur Freude der Spaziergänger.

      Ruth war glücklich. Leider nahten die Semesterferien und sie musste nach Kempten zurückkehren. Schon vor einem Jahr hatte sie sich um einen Ferienjob als Verkäuferin beworben, den sie nun wohl oder übel antreten musste.

      Inzwischen hatte Ruth ihre Eltern in ihr Verhältnis mit Fernando eingeweiht.

      „Ruth, du solltest dir das gut überlegen“, war das Erste, was ihrer Mutter einfiel.

      „Mama“, beschwichtigte Ruth ihre Mutter, „wir lieben uns.“

      „Was ist schon Liebe?“, wollte Ruths Mutter wissen, „die vergeht und was dann?“

      „Wieso sagst du das?“, Ruth wurde ärgerlich. „Du kennst ihn doch überhaupt nicht. Bist du neidisch?“

      „Sag mal, wie redest du mit deiner Mutter?“, Ruth hatte nicht bemerkt, wie ihr Vater die Küche betreten hatte.

      „Stimmt doch“, sagte Ruth trotzig. Beinahe wäre sie mit dem Fuß aufgestampft wie ein kleines Kind.

      „Ihr könnt doch Fernando nicht aburteilen“, fuhr Ruth verärgert fort, „nur weil er Chilene ist.“

      „Das will auch keiner“, mischte sich die Mutter wieder ein, „aber er ist weit weg, wenn er in seine Heimat zurückkehrt. Das musst du bedenken.“

      „Ja“, lenkte Ruth ein, „das stimmt schon, aber er ist wirklich ein lieber Mensch.“

      „Sag ihm doch einfach, er soll dich hier besuchen, wenn du in den Semesterferien in Kempten arbeitest“, schlug der Vater vor.

      „Mach ich auf jeden Fall“, erwiderte Ruth freudig und drückte ihrem Vater einen Kuss auf die Wange.

      Als Ruth nach diesem Wochenende, wie üblich abends mit dem Zug nach München zurückkehrte, erwartete Fernando sie am Bahnhof. Zuerst schloss er sie in seine Arme und küsste sie, dann nahm er ihr die Reisetasche ab und beide gingen Hand in Hand zur S-Bahn.

      „Meine Eltern wollen dich kennen lernen“, erzählte ihm Ruth freudestrahlend, kaum waren sie in die S-Bahn eingestiegen und hatten Platz genommen.

      „Meinst du, das ist eine gute Idee?“, gab Fernando zu bedenken.

      Ruth war über Fernandos Reaktion verblüfft. Was sollte denn das? „Natürlich ist das eine gute Idee. Wieso fragst du?“

      „Nun ja, wir kennen uns noch nicht lange“, überlegte Fernando, „und überhaupt, bei uns stellt man seinen Freund erst den Eltern vor, wenn man sicher plant, sich zu verloben.“

      „Das ist bei euch“, meinte Ruth und puffte ihn mit der Faust leicht auf die Brust, „aber nicht hier.“ Insgeheim hoffte sie jedoch, dass es irgendwann auf eine Verlobung hinauslaufen würde. Und das noch vor Fernandos Abreise nach Chile. Fernando erzählte sie selbstverständlich nichts davon.

      „Mal sehen“, sagte der junge Mann zurückhaltend.

      Ruth, die sich eine freudigere Reaktion erhofft hatte, konnte ihre Enttäuschung kaum verbergen, deswegen schaute sie aus dem Fenster in den finsteren Tunnel der S-Bahn und biss sich auf die Lippen. Auf keinen Fall wollte sie hier und jetzt zu heulen anfangen.

      Fernando schien Ruths Erregung und vor allem Enttäuschung zu spüren, denn er nahm ihre Hand und drückte sie fest.

      „Natürlich besuche ich dich, während der Semesterferien“, sagte er mit weicher Stimme, hob ihre Hand an seine Lippen und drückte einen zarten Kuss darauf. „Ich hätte dich auch ohne Einladung deiner Eltern besucht.“

      Ruth schaute durch einen Tränenschleier auf Fernando und lächelte ihn scheu an. Er legte den Arm um ihre Schulter, doch sie kamen schon an den Rosenheimer Platz. Beide erhoben sich. Fernando nahm die Tasche auf und sie verließen die S-Bahn.

      In der Wohnung waren sie alleine, da Gabi bei ihrem Freund verweilte und erst am Dienstag zurückkehren würde.

      Fernando stellte nur die Tasche neben der Wohnungstüre ab und schob die Türe mit dem Gesäß zu. Dann beugte er sich herab, hob Ruth hoch und trug sie ins Zimmer. Sie lachte und versuchte sich scheinbar zu wehren, doch erfolglos.

      „Ein Wochenende ohne dich, das ist einfach zu lange“, sagte Fernando mit rauer Stimme. Er stellte sie in Ruths Zimmer auf den Boden und nahm sie ganz fest in die Arme.

      „Ja, viel zu lange“, hauchte Ruth nur, denn Fernando drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Langsam strichen sie sich die Kleidung vom Körper und liebkosten sich.

      Irgendwann landeten sie auf dem Teppich und liebten sich hingebungsvoll. Fernando war nicht ihr erster Mann, doch empfand sie den Sex mit ihm als besonders schön und sie genoss es jedes Mal in seinen Armen zu liegen.

      „Oh, mein Liebster“, hauchte sie nun, „wie werde ich es ohne dich nur aushalten?“

      „Wieso?“, wollte Fernando wissen und nagte zärtlich an ihrem Ohr, „ich bin doch da.“

      „Ja“, Ruth drehte sich ihm zu und schaute ihn eingehend an. „Aber deine Zeit hier ist begrenzt. Und dann wirst du weit weg sein. Unerreichbar! Es macht mich jedes Mal verrückt, wenn ich darüber nachdenke.“

      „Denk einfach nicht dran“, schlug Fernando vor und spielte mit ihren Brustwarzen.

      „Ich muss aber ständig daran denken“, gestand Ruth. „Es ist nun einmal so.“

      „Ach, Ruth“, stöhnte Fernando, „musst du alles vermiesen? Lass uns doch einfach die Zeit genießen, die wir zusammen sein können. Später wird man weitersehen.“

      „Fernando, ich liebe dich“, meinte Ruth eindringlich und fuhr mit ihrem Zeigefinger über seine vollen Lippen. „Du bedeutest mir sehr viel.“

      „Aber mein Herzchen, ich liebe dich auch“, bestätigte ihr Fernando, nachdem er sanft auf ihren Finger gebissen hatte. „Und du weißt, dass du mir viel bedeutest. Genau deswegen genieße ich jetzt jede einzelne Minute mit dir. Mehr können wir doch gar nicht tun. Komm, lass dich streicheln. Ich habe so sehr Lust auf dich.“

      Immer noch auf dem Teppich liegend liebten sie sich erneut. Diesmal war Ruth jedoch nicht bei der Sache, weil sie immer daran denken musste, dass ihre gemeinsame Zeit mit Fernando in München sehr gegrenzt war, und dass er dann weit weg von ihr sein Leben führen würde.

      Nachdem sie sich zum zweiten Mal geliebt hatten, erhoben sie sich. Ruth ging nackt in den Gang, holte die Reisetasche und räumte sie endlich aus. Natürlich hatte ihre Mutter wieder feine Sachen zum Essen mitgegeben. Das war so üblich.

      Fernando