Christine Jörg

Geh in die Wueste


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müssen verrückt sein“, stellte Ruth atemlos fest.

      „Wieso, ist doch schön“, meinte Fernando schlicht, löste sich von ihr und betrachtete sie eingehend. „So einen schönen Körper bekommt man nicht alle Tage zu sehen, anzufassen und zu lieben.“

      Ruth boxte ihn. Fernando lachte und küsste sie auf die rechte Brust. Beide verließen die Küche und gingen nacheinander duschen.

      Danach begaben sie sich brav ins Bett. Sie lagen sich noch ein wenig den Armen, doch an Sex dachten sie nicht mehr. Bald schlief das Paar zufrieden ein.

      *

      Zwei Wochen später begannen die Semesterferien. Ruth würde sieben oder acht Wochen arbeiten. Mit Fernando vereinbarte sie, dass sie sich ein Wochenende in München und eines in Kempten treffen würden. Es kam natürlich immer drauf an, ob Fernando mit seiner Gruppe auftreten musste.

      „Du kannst in der Zeit hier in der Wohnung bleiben“, bot Ruth ihm an. „Mit Gabi ist es abgesprochen.“

      „Nein, das möchte ich nicht“, wehrte Fernando ab. „Ich bleibe lieber im ungemütlichen Wohnheim.“

      „Gut“, sagte Ruth nur schulterzuckend, „den Schlüssel hast du.“

      Für Ruth war es ein trauriger Augenblick, als Fernando sie am Sonntagnachmittag zum Bahnhof brachte und alleine winkend auf dem Bahnsteig zurückblieb. Sie setzte sich auf ihren Platz und schaut teilnahmslos auf die vorbeirasenden Häuser vom Stadtrand Münchens.

      Am Montag trat sie, wie schon während der vergangenen Semesterferien ihre Aushilfsstelle als Verkäuferin in einem Schuhladen an.

      Am Mittwochabend rief Fernando Ruth bei ihren Eltern an.

      „Hola, querida“, begann er das Gespräch, als Ruth den Hörer aus der Hand ihrer Mutter erhielt. „Qué tal?“

      „Mir geht es gut, mein Liebling“, erwiderte Ruth brav, „und dir?“

      „Ja, auch. Du fehlst mir“, gestand Fernando.

      „Du mir auch“, pflichtete Ruth bei, „wann kommst du am Wochenende?“

      „Deswegen rufe ich an“, Ruth spürte, wie Fernando zögerte, „wir müssen am Samstag auftreten. In La Peseta Loca ist jemand ausgefallen, und sie haben uns gebeten, einzuspringen.“

      „Ach, nein“, rief Ruth aus. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

      „Ja, leider“, sagte Fernando. „Wir können das Treffen um ein Wochenende verschieben, wenn es deinen Eltern recht ist.“

      „Muss es ja“, Ruth wurde fast garstig. „Dann komme ich am Samstag nach der Arbeit nach München.“

      „Machst du das wirklich?“, Fernandos Stimme klang hoch erfreut.

      „Ja“, erwiderte Ruth, „ich nehme den Zug um halb fünf, dann bin ich um sechs da.“

      „Ich weiß nicht, ob ich dich abholen kann“, gab Fernando zu bedenken. „Wir müssen ein wenig proben.“

      „Ich finde den Weg“, sagte Ruth nur, „schließlich wohne ich lange genug in der Gallmayrstraße.“

      „Wir treffen uns am besten in La Peseta“, schlug Fernando munter vor.

      „Okay“, antwortete Ruth.

      „Muy bien“, stellte Fernando fest, „Grüße deine Eltern unbekannterweise von mir, und ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten. Tschüs, meine Liebste.“

      „Tschüs, te quiero“, rief Ruth kurz, doch sie war sich nicht sicher, ob Fernando die letzten Worte gehört hatte.

      „Mama“, Ruth ging in die Küche. „Fernando kann am Wochenende nicht kommen. Sie haben einen Auftritt. Ich werde am Samstag direkt nach der Arbeit nach München fahren.“

      „Lohnt sich das denn?“, wollte ihre Mutter wissen.

      „Für Fernando lohnt sich das immer“, stellte Ruth nüchtern fest und hatte ihre Enttäuschung während des Telefongesprächs schon vergessen.

      „Sag mal, Ruth“, hörte sie ihre Mutter sagen. „Hier gibt es doch das Haus International. Da könnten deine Freunde auch auftreten. Du solltest nachfragen.“

      „Und wo sollen die drei übernachten, wenn sie von München kommen?“, Ruth schaute ihre Mutter fragend an.

      „Na, hier bei uns“, meinte die nur. „So viel Platz haben wir schließlich und es wäre nur für ein Wochenende.“

      „Ja“, Ruth fand die Idee gar nicht mehr so schlecht. „Ich frage im Haus International nach. Dann kann ich das Thema am Wochenende bei den Dreien erwähnen.“

      Am Samstag war Ruth zwar erledigt von der Arbeitswoche, trotzdem fuhr sie, wie sie es mit Fernando vereinbart hatte, nach München.

      Zu ihrer Überraschung holte ihr Liebster sie vom Bahnhof ab. Sie fiel ihm um den Hals und sie küssten sich.

      „Ich habe nicht viel Zeit“, erklärte Fernando, als sie in der S-Bahn saßen. „Ich muss gleich zur Peseta. Die anderen warten auf mich.“

      „Kann ich meine Tasche in die Wohnung bringen?“, wollte Ruth wissen, „dann komme ich gleich mit.“

      „Ja“, meinte Fernando lächelnd. „So viel Zeit muss sein.“

      Ruth öffnete die Wohnungstüre, ging sofort in ihr Zimmer und stellte die Tasche in eine Ecke. Fernando folgte ihr, drehte sie zu sich um, legte seine Arme um sie und küsste sie lange. Doch dann besannen sie sich auf die Verabredung mit Atilio und Oscar. Sie lösten sich voneinander und verließen die Wohnung beinahe fluchtartig.

      „Hola, amigos!“, wurden Fernando und Ruth lautstark von Atilio und Oscar begrüßt. Sie gaben sich, wie es üblich ist, Küsschen rechts und links auf die Wange.

      Die Proben begannen und Ruth hörte dem Trio interessiert zu. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie schrecklichen Hunger hatte. Sie wartete jedoch, bis die drei Männer ihre Proben beendet hatten.

      Der Wirt, selbst ein halber Latino, stellte ihnen Empanadas mit Hackfleischfüllung hin. Die Fleischtaschen waren gut gewürzt und Ruth bekam Durst. Die anderen schien das Pikante nicht zu stören. Als Ruth nach Trinken verlangte, lachten sie nur und erklärten ihr, es sei besser zuerst Brot zu essen, als das Feuer im Mund durch ein Getränk löschen zu wollen.

      Während sie beim Essen saßen, erzählte Ruth vom Internationalen Haus in Kempten.

      „Ich habe dort nachgefragt“, erklärte sie, „die wären durchaus an einem Auftritt von euch interessiert.“

      „Was?“, lachte Atilio, „bist du jetzt unser Impresario?“

      Oscar und Fernando schauten etwas pikiert.

      „Und wie soll das gehen?“, wollte Oscar ärgerlich wissen. „Wir fahren am Abend hin, treten auf und hauen wieder ab. Wie weit ist der Ort überhaupt weg?“

      „Na ja“, Ruth war unsicher geworden, „eineinhalb Stunden mit dem Zug oder Auto.“

      „Und das für einen Auftritt“, ungläubig schüttelte Atilio den Kopf.

      Ruth wurde ärgerlich. „Aber ihr lasst mich ja nicht ausreden“, sagte sie schnell, „ihr könntet bei uns übernachten. Bestimmt wäre es möglich zwei Abende zu arrangieren. Dann würde sich die Sache doch lohnen. Oder?“, setzte sie vorsichtig hinzu. Sie konnte nicht verstehen, weshalb die Freunde ihren Vorschlag so vehement ablehnten. Schließlich hatte sie es nur gut gemeint und wollte den Dreien zu mehr Taschengeld verhelfen.

      „Frag doch mal.“ Fernando mischte sich erst jetzt ins Gespräch ein.

      „Gut“, sagte Ruth nur. Sie war beleidigt. Etwas mehr Begeisterung hatte sie seitens der drei Männer erwartet.

      Der Abend verlief nach dieser kleinen Auseinandersetzung friedfertig. Fernando,