hatte.
„Monsieur Taridec, Sie hatten am Samstag einen Termin mit Monsieur de Rochefort, in der Ville Close. Können Sie uns sagen, um was es dabei ging.“
„Verzeihen Sie, aber ich weiß nicht, was Sie das angeht. Meine Gespräche sind doch wohl meine Privatangelegenheit.“
„Unter normalen Umständen würde ich Ihnen ja gerne zustimmen, Monsieur Taridec. Aber bei Mord hört die Privatangelegenheit auf.“
Ewen sah Taridec dabei ins Gesicht. Er wollte jede Bewegung, jede Regung seines Gesichtes sehen. Die Mimik konnte sehr hilfreich sein.
Das Erstaunen, dass sich jetzt auf Taridecs Gesicht zeigte schien echt zu sein. Entweder der Mann war ein ausgezeichneter Schauspieler, oder aber er wusste wirklich nichts vom Ableben des Herrn de Rochefort.
„Sie machen wohl Witze, Monsieur le Commissaire?“
„Sehe ich so aus, als ob ich Witze mit dem Tod eines Menschen machen würde?“ Dann fuhr Ewen fort.
„Am Samstagnachmittag ist de Rochefort in der Ville Close erschossen worden. Kurz zuvor haben Sie sich mit ihm getroffen. Zum einen geht diese Tatsache aus seinem Terminkalender hervor, zum anderen gibt es ein Foto, auf dem Sie mit dem Toten zu sehen sind kurz vor seinem Ableben.“
Yves Taridec blickte Ewen die ganze Zeit über an. Ewen nahm jetzt eine entspannte Sitzhaltung auf der Couch ein, und Taridec begann zu sprechen.
„Meine Herren, Sie sehen mich sprachlos. Ich hatte mich am Samstag mit Monsieur de Rochefort getroffen. Es ging um die anstehenden Wahlen. Er wollte, dass ich meine Unterstützung für den aktuellen Kandidaten zurückziehe und diese lieber ihm zukommen lasse. Ich unterstützte seit Jahren den Abgeordneten, Maëlik Decroaz. Als ich de Rochefort sagte, dass meine Unterstützung auch weiterhin Decroaz gehören würde, wurde er beinahe ausfallend. Er drohte mir, dass ich das noch bereuen würde. Es würden demnächst Erkenntnisse publik werden, die seine Wiederwahl zu Nichte machten. Ich fand diese Bemerkung, schon gar aus seinem Mund, beinahe makaber. Er selber war ja eigentlich nicht wählbar. Ein Staatssekretär, der sich bestechen ließ, war ja nicht gerade ein Aushängeschild.“
„Monsieur Taridec, dazu möchte ich mich nicht äußern. Uns geht es nur um die Aufklärung des Mordes. Hat Monsieur de Rochefort sich präziser ausgedrückt, warum Herr Maëlik Decroaz nicht mehr wählbar sei?“
„Nein, es blieb bei diesen Andeutungen. Ich hatte den Eindruck, dass er bemüht war, einige Leichen von Decroaz auszugraben. Dabei weiß ich gar nicht, ob es welche gab. Aber Sie wissen ja, bei genauem Nachsehen findet sich bei jedem Menschen ein schwarzer Fleck auf der weißen Weste.“
„Monsieur Taridec, darf ich Sie noch fragen, warum er ausgerechnet bei Ihnen Unterstützung erbeten hat? Sind ihre Zuwendungen für die PS so hoch?“
Taridec lachte schallend.
„Nein, es geht nicht um eine finanzielle Unterstützung. Ich bin der Vorsitzende eines Freundeskreises der PS. Meine Empfehlungen werden von unseren Mitgliedern weitergetragen, und so habe ich durchaus bedeutenden Einfluss. Auch die Presse ist regelmäßiger Gast bei unseren Treffen, und der Kontakt zu dem Ouest France und zum Télégramme ist ausgezeichnet. Sie verstehen, was ich meine?“
„Ich verstehe sehr wohl, Monsieur Taridec. Haben Sie am letzten Samstag mit de Rochefort noch andere Themen bewegt?“
„Nein, das war das einzige Thema. Ich habe Monsieur de Rochefort anschließend sofort verlassen.“
„Wohin sind Sie danach gegangen?“ Ewen fiel die Bemerkung von der jungen Amerikanerin ein, dass sie den Mann auf der Fähre wiedergesehen hatten.
„Als ich mich verabschiedete, bin ich zuerst in Richtung des Ausgangs der Ville Close gegangen. Später habe ich mich aber entschlossen, mit der Fähre noch zur Passage Lanriec zu fahren, und ein wenig spazieren zu gehen. Ich bin sehr erzürnt gewesen über das Verhalten von de Rochefort und habe ein wenig Entspannung gebraucht.“
„Haben Sie vielen Dank für Ihre Unterstützung. Vielleicht müssen wir noch einmal auf Sie zukommen.“
Ewen und Paul erhoben sich und gingen zum Ausgang. Ewen erhaschte noch einen Blick in das Zimmer, das direkt neben das Wohnzimmer anschloss. Ihm war, als ob er einen Schatten gesehen hätte. Hatte sich dort jemand aufgehalten, der ihr Gespräch verfolgt hatte?
Monsieur Taridec begleitete die beiden Kommissare bis zur Tür. Dort verabschiedete er sich nochmals und schloss die Tür hinter ihnen wieder ab.
„Hast du etwas bemerkt, als wir aus dem Wohnzimmer in den Hausflur traten?“ Ewen sah Paul an.
„Nein, ist dir etwas Spezielles aufgefallen?“
„Nicht wirklich, aber ich hatte den Eindruck, als ob sich jemand in dem Zimmer neben dem Salon aufgehalten hatte. Ich meinte einen Schatten gesehen zu haben, der hinter der Tür verschwunden war, als wir vorbeigingen.
Kapitel 5
Nach dem Telefongespräch, das de Rochefort mit Emile Hervy am Freitagmorgen geführt hatte, war seine Stimmung nicht gerade euphorisch gewesen. Er hatte gehofft, möglichst noch vor dem Treffen mit Yves Taridec, erste Ergebnisse von Hervys Nachforschungen zu erhalten. Stattdessen war der Privatdetektiv nur bei belanglosen Aussagen geblieben. Er würde weitere Ergebnisse erhalten, aber bis jetzt gäbe es nur erste Hinweise, die eine Wiederwahl von Decroaz unwahrscheinlich erscheinen ließen. Er würde ihn am Abend wieder anrufen und dann vielleicht mit entsprechenden Ergebnissen aufwarten können.
Alain de Rochefort wurde langsam unruhig. Die Entscheidung, wer als Kandidat der PS für die Region aufgestellt wurde, war für den Samstag in einer Woche geplant. Es blieben somit gerade noch acht Tage Zeit, um eine erneute Aufstellung von Decroaz zu verhindern. Er musste Yves Taridec unbedingt für sich gewinnen können. Derjenige, der Taridecs Unterstützung erhielt, war so gut wie gewählt. Alain de Rochefort mochte diesen etwas aufgeblasenen Taridec nicht besonders. Aber es war jetzt nicht der Augenblick, sich um solche Befindlichkeiten zu kümmern. Hier ging es um sein Comeback, sozusagen um Sein oder Nichtsein.
Alain legte den Hörer auf und ging in das noch spartanisch eingerichtete, Wohnzimmer. Seine Wohnung im 8. Arrondissement von Paris hatte er nicht aufgegeben, die Nähe zum Zentrum der Macht war ihm wichtig. Wenn er erst einmal wieder als Abgeordneter im Parlament säße, dann würde er seinen Weg nach oben erneut antreten, da war er sich sicher. Es störte ihn nicht, sich hier in der Provinz wählen zu lassen.
Ein Kommissar aus Quimper war schuld gewesen an seinem Absturz. Er hatte seinen Nebenverdienst, den er von seinem Freund Denis Goëlan für seine Beratertätigkeit erhalten hatte, aufgedeckt. Aber genau dieser Nebenverdienst war es jetzt, der ihm seinen Wiedereintritt in die Politik ermöglichte. Ohne diese finanzielle Rückendeckung war es unmöglich die Kampagne zu starten. Alain de Rochefort hoffte auf den Abend und auf ein gutes und umsetzbares Ergebnis des Privatdetektivs.
Er überlegte nicht lange und entschied sich in die Stadt zu gehen. Er brauchte frische Luft, und außerdem könnte es nicht schaden, wenn die Menschen der Stadt einen zukünftigen Kandidaten zu Gesicht bekämen.
Er ging zu Fuß von seinem Haus am Place Duquesne bis zu der kleinen Fähre, die die Hafeneinfahrt von Concarneau überquerte und so die Ville Close mit der Passage Lanriec verband. Die Fähre war beinahe schon eine Touristenattraktion. Der größte Teil der Nutzer waren Besucher von Concarneau, die auf dieser Seite, gegenüber der Ville Close, ihr Fahrzeug abstellten und für wenige Cent direkt in die Ville Close oder in die Stadt auf den Markt fuhren. Auf der Fähre hatten vielleicht zehn oder fünfzehn Personen Platz. Aber die Fähre verkehrte nach Bedarf ständig, und so ersparte man sich die leidige Parkplatzsuche in der Stadt. Als er an der Anlegestelle angekommen war, sah er, dass die Fähre gerade auf dem Weg zurück nach Lanriec war. Es würde vielleicht noch eine Minute dauern bis sie anlegte. Nach weiteren fünf Minuten waren sie auf dem Weg zur Ville Close.
Alain de Rochefort fand die Altstadt malerisch und wert, dass