ständigen Wohnsitz zu entscheiden. Hingegen sprach die Lage direkt am Meer und mit schönen Stränden am anderen Ende der Stadt oder auf der Ostseite, an der er wohnte, für ein angenehmes Leben. Aber de Rochefort brauchte den Trubel, die Blitzlichter wenn er erschien und die beständige Erwähnung seiner Person in der Presse. Natürlich nur, wenn es sich um positive Artikel handelte. Auf die reißerischen Aufmachungen, als die Presse ihn der Korruption bezichtigt hatte, konnte er verzichten.
De Rochefort durchschritt mit hoch erhobenem Kopf die Ville Close. Die Touristenströme waren ihm nicht so wichtig. Mit Anzug und Krawatte bekleidet ging er an den Musikanten vorbei, die wie beinahe an jedem Tag gleich hinter dem Haupteingang zur Ville Close saßen. Er überquerte die ehemalige Zugbrücke, um die Altstadt zu verlassen und quer über den gegenüberliegenden Marktplatz zur Markthalle zu gehen.
Die Markthalle war einer der Orte, die er an Concarneau am meisten schätzte. Sie war relativ klein, das konnte aber daran liegen, dass viele Bewohner ihren Fisch direkt an den diversen Verkaufsständen in und um die Stadt herum kauften oder auch in der großen Fischhalle, der criée, wie man die Halle nannte. Wenn gegen halb sechs Uhr morgens die Boote vom Fang zurück in den Hafen kamen wurden die Fische dort sofort versteigert. Es gab einen Verkaufsladen für die Bevölkerung am Ende der Halle, und zahlreiche Bewohner pflegten dort ihre Fischeinkäufe zu tätigen. In der Markthalle gab es neben Fisch auch Gemüse, Fleisch, Brot und Kuchen und natürlich bretonische Spezialitäten. Alain de Rochefort betrat die Halle, die nur am Vormittag geöffnet war. Es gab einen Händler, bei dem er gerne das Landbrot kaufte und einen anderen, bei dem er sich die Paté besorgte, die er hier so schätzte. Die Paté au Pommes hatte es ihm angetan.
Nach seinem kleinen Einkauf setzte er sich auf die Terrasse des l´Amiral, das an der linken unteren Ecke des Marktplatzes lag, von der Markthalle aus gesehen. Er bestellte sich einen Grand Café und genoss das angenehme warme Wetter. Unentwegt versuchte er die vorbeieilenden Menschen mit einem Lächeln zu beglücken, schließlich konnte jeder ein potentieller Wähler sein. Sehen und gesehen werden war schon immer seine Devise gewesen. Er kam dieser Aufgabe gerne nach. Schon gar auf einer Terrasse und im Sonnenschein. Mit einer Tasse Café vor sich auf dem Tisch war es leicht, sich ohne große Anstrengung zu präsentieren.
„Bonjour Alain, du bist auch in der Stadt?“
Alain de Rochefort drehte sich zu der Stimme um.
„Bonjour Monique, schön dich zu sehen. Komm, ich lade dich zu einem Café ein.“
„Ich bin zwar etwas in Eile, aber für einen Café sollte es noch reichen.“ Monique Grosselle setzte sich zu ihm an den Tisch.
„Was macht deine Kampagne? Ich habe meine Vorschläge für dich schon fast fertig. Ich denke, ich kann sie dir an einem der nächsten Tage vorbeibringen. Vielleicht Montag oder Dienstag.“
„Ich danke dir, Monique, wie geht es deiner Tochter?“
„Der geht es soweit gut. Sie ist ja noch fast ein Kind, und da will ich sehr vorsichtig sein mit meinen Fragen. Aber ich danke dir jedenfalls, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Mir wäre jedenfalls nicht aufgefallen, dass sich dieser Wagen ständig am Spielplatz aufhält, dort wo sie ihrer Aufgabe als Babysitter nachkommt. Wenn ich ihre bisherigen Äußerungen richtig deute, dann ist der Mann nie aus dem Auto ausgestiegen. Es sieht so aus, als ob er immer nur Fotos gemacht hat.“
„Das ist auch gut so, es wäre ja fürchterlich, wenn deiner Tochter etwas zustoßen würde.“
„Bist du schon weitergekommen mit deinen Nachforschungen? Wer hätte so etwas vermutet, von einem so angesehenen Menschen? Die Mutter der Freundin meiner Tochter hat mir von den Anschuldigungen gegen den Mann erzählt. Sie behauptet, dass ihre Tochter missbraucht worden ist. Sie hat aber keinerlei Beweise vorlegen können. Ich muss dich aber jetzt verlassen, wir sehen uns spätestens am Montag oder Dienstag nächster Woche, versprochen.“
Monique erhob sich, bedankte sich für den Café und verließ die Terrasse des l´Amiral.
Alain de Rochefort sah auf seine Uhr und stellte fest, dass es langsam auch für ihn Zeit wurde wieder nach Hause zu gehen. Er wollte noch einige Unterlagen durchgehen, und er musste unbedingt an seiner Rede feilen, die er am nächsten Samstag auf dem Parteikonvent halten wollte.
De Rochefort bezahlte, stand auf und überquerte die Straße, um durch die Ville Close zu gehen und am anderen Ende mit der kleinen Fähre zurückzufahren. Der Vormittag war jedenfalls sehr angenehm verstrichen. Wenn ihm Emile Hervy am Abend noch gute Nachrichten mitteilen konnte, dann wäre der Tag gerettet. Morgen stand das Treffen mit Taridec bevor.
De Rochefort war nach wenigen Minuten vor seinem Haus angekommen. In Paris war er nicht so schnell vom Stadtzentrum aus bei seiner Wohnung angelangt. Das war hier in der Provinz ein echter Pluspunkt. aber was konnte man in einer solchen Kleinstadt sonst noch tun? Beinahe nichts, außer den Besorgungen für das tägliche Leben nachgehen. Er schloss die Haustür auf und ging hinein.
Kapitel 6
Als die beiden Kommissare Yves Taridec verlassen hatten, trat Marcel Kerlac aus dem Arbeitszimmer von Taridec und ging auf ihn zu.
„Gut, dass die beiden mich nicht mit dir gesehen haben. Ich habe keine Lust mit der Polizei zu sprechen.“
„Das ist auch ganz in meinem Sinne, Marcel. Bleib du schön im Hintergrund. Jetzt, da de Rochefort tot ist, wäre es ein denkbar schlechter Augenblick für dein Erscheinen. Du hast ja nichts mit seinem Ableben zu tun, Marcel?“
„Wo denkst du hin! Ich habe ihn ja noch nicht einmal getroffen. Es ist ja nicht mehr dazu gekommen. Er ist am Samstagabend nicht zu unserer Verabredung erschienen und so bin ich unverrichteter Dinge wieder gegangen.“
„Es wäre besser wenn er noch lebte. Wir könnten seine Dienste gut gebrauchen. Mit seinen Kontakten wäre das Projekt schneller vorangekommen. Ich wäre sogar bereit gewesen, für seine Ernennung zum PS Kandidaten zu werben, wenn er mir nur eine Zusage zum Projekt gegeben hätte. Aber am Samstag in der Ville Close ist er stur bei seiner Aussage geblieben, dass er zuerst gewählt werden müsse, bevor er etwas versprechen würde.
Maëlik Decroaz hat mich enttäuscht. Ich bin schon der Meinung gewesen, dass er etwas kooperativer wäre, wenn man ihm zu einem Abgeordnetensitz verhilft. Jetzt meint er wohl, dass er meiner Hilfe nicht mehr bedarf, um erneut zu kandidieren. Der wird sich noch wundern.“
„Ich habe vorhin gehört, dass du zu den beiden Kommissaren gesagt hast, dass du de Rochefort die Unterstützung verweigert hast bei eurem Treffen. Gerade eben hast du gesagt, dass du ihn unterstützt hast. Was stimmt denn jetzt?“
„Ich musste de Rochefort erst einmal eine Abfuhr erteilen. Ich konnte doch nicht akzeptieren, dass er mich warten ließ mit seiner Zusage. Außerdem wollte ich immer den Eindruck erwecken, als ob die Herren Politiker mich herumkriegen konnten. Meiner Erfahrung nach waren sie dann der Meinung, dass sie mich lenken konnten. Sie merkten selten, dass ich sie in meine Richtung dirigierte.“
„Aber wer hat de Rochefort umgebracht? Wir waren es ja nicht.“
„Noch einmal, du hast wirklich nicht deine Hand im Spiel, Marcel?“
„Ich schwöre es dir, ich habe nichts damit zu tun.“
„Ich auch nicht. Gut, wir müssen jetzt völlig neu an die Sache herangehen. Decroaz verweigert uns ja Unterstützung, der muss auf jeden Fall durch einen anderen Kandidaten ersetzt werden. Wir brauchen ganz schnell einen guten und bekannten Mann aus der Region. Der muss aber auch bereit sein, unser Vorhaben zu unterstützen.“
„Yves, mit einem Mann kann ich nicht dienen, aber wie wäre es mit einer Frau?“
„An wen denkst du?“ Taridec sah seinen Geschäftsführer an.
„Nun, ich denke an Monique Grosselle. Die Frau ist bestens bekannt in Concarneau und ist bei den letzten Wahlen, bei denen sie zum ersten Mal angetreten ist, sofort in den Gemeinderat gewählt worden. Wenn man der Frau anbietet, unter bestimmten