Jean-Pierre Kermanchec

Tod in der Ville Close


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       14 SB

       12 CR

      Was bedeuteten die Buchstaben und Ziffern? Lag hier der Schlüssel zur Lösung ihres Falles? Ewen überlegte, welche Bedeutung sie diesem Zettel geben sollten. Natürlich könnte es sich um einen einfachen Notizzettel handeln, den de Rochefort vielleicht schon vor längerer Zeit erstellt hatte, um sich irgendetwas merken zu können. Der Mann war Staatssekretär im Verteidigungsministerium gewesen, da konnte doch das MD für Ministère de Défense stehen. Das schien ihm plausibel zu sein. Damit würden sie aber im Augenblick nicht weiterkommen. Er widmete sich den anderen Beweisstücken. Er sah sich das Foto genauer an, dass das amerikanische Ehepaar aufgenommen hatte.

      „Paul, habt ihr bereits klären können, wer der zweite Mann auf dem Bild ist?“

      „Nein, noch nicht. Wir sind aber dran. Ein Bildvergleich mit unserer Datenbank hat bisher noch keine Übereinstimmung ergeben. Wir suchen weiter.“

      „Wir sollten uns die Wohnung von de Rochefort ansehen.“

      „Toll, dann auf nach Paris. Nourilly wird sich sicherlich über den Reiseantrag freuen.“ Paul lächelte verschmitzt und sah Ewen an.

      „Der wird sich natürlich nicht freuen, aber wir können nicht alles unserem Kollegen, Jean-Paul Claude, in Paris überlassen. Haben wir überhaupt die Adresse von de Rochefort?“

      „Ich habe bereits um die Beschaffung gebeten, ich habe sie noch nicht erhalten. Ich frage nach, ob die Sekretärin sie schon kennt. Wie war übrigens dein Wochenende, der Besuch der Filets Bleus?“

      „Ach, im Großen und Ganzen ganz nett. Es ist Carla hauptsächlich um ihre Tochter gegangen. Diese Menschenmassen sind einfach nichts für mich.“

      „Solche Massenveranstaltungen versuche ich auch zu meiden wo ich nur kann“, meinte Paul.

      „Wenn du in der Politik arbeiten würdest, dann müsstest du solche Events nutzen, um gesehen zu werden. Am Samstag ist eine ganze Reihe von Politikern in der Ville Close gewesen. Ich habe drei sogar selber gesehen, als ich nach der Tatortbesichtigung wieder die Ville Close verlasen habe. Da sind die Abgeordneten von der UMP, der PS und sogar von den Grünen vertreten gewesen. Es finden ja demnächst wieder Wahlen statt. Meinst du, dass de Rochefort aus diesem Grund hier in Concarneau gewesen sein könnte?“

      „Kann ich nicht sagen, für mein Gefühl ist es keine gute Visitenkarte, sich mit einem vorbestraften Staatssekretär zu zeigen. Sein Aufenthalt muss einen anderen Grund gehabt haben. Ich werde zu Dustin gehen, vielleicht hat er im Wagen schon etwas gefunden, gehst du mit?“

      „Natürlich, falls es etwas Neues gibt, will ich es wissen.“

      Paul und Ewen gingen in die große Halle, in der Dustin damit beschäftigt war, das Fahrzeug des ehemaligen Staatssekretärs zu untersuchen.

      „Ihr habt es wohl sehr eilig, wenn ihr hier persönlich erscheint.“

      „Dustin, du solltest doch wissen, dass wir ohne deine ausgezeichnete Arbeit keinen einzigen Fall lösen würden!“

      „Das musste ja mal gesagt werden“, meinte Dustin und grinste. Also, ich kann euch schon einmal verraten, dass wir in dem Wagen nichts von Bedeutung gefunden haben. Im Handschuhfach haben wir lediglich diese kleine Liste gefunden, mit den Kandidaten der PS für die nächsten Wahlen. Sie enthält die Adressen von sechs Leuten, die sich für ein Abgeordnetenmandat für Concarneau beworben haben. Vielleicht hat de Rochefort die Kandidaten aufsuchen wollen. Dann habe ich noch den Strafzettel gefunden, der auch im Handschuhfach gelegen hat. Demnach hat de Rochefort längere Zeit auf dem Parkplatz am Place Duquesne in der Passage Lanriec gestanden und nicht bezahlt.“

      „Diese Information ist durchaus wichtig“, meinte Ewen. „Es könnte doch sein, dass er von dort aus mit der Fähre in die Ville Close gefahren ist.“

      „Das kann nicht sein, Ewen“, schaltete Paul sich in das Gespräch ein.

      „Wir haben seinen Wagen gegenüber der Ville Close gefunden.“

      „Stimmt, das hast du mir schon gesagt, als ich heute Morgen eingetroffen bin.“

      „Nun gut, das ist dann wirklich nicht so viel, Dustin, ich habe gehofft, dass wir etwas mehr erfahren würden. Danke jedenfalls, bis demnächst.“

      Ewen und Paul verabschiedeten sich von Dustin und gingen wieder in ihr Büro.

      Paul kümmerte sich sofort um die Adresse von de Rochefort. Es dauerte auch gar nicht lange, bis er sie in Händen hielt. Sein Erstaunen war groß. Er stand von seinem Schreibtisch auf und ging ins Büro von Ewen.

      „Ich habe eine traurige Nachricht für dich, Ewen“, meinte er, als er ins Büro trat.

      „Wir können nicht nach Paris fahren.“

      „Warum denn das? Hast du Nourilly bereits gefragt?“

      Nourilly, der OPJ, war er der Chef der police judiciaire. Ewen war der Meinung, dass diese Officiers de police judiciaire, im Zuge der Sparmaßnahmen die die Regierung plante, abgeschafft werden könnten, ohne einen Verlust der Polizeiarbeit befürchten zu müssen. In seinen Augen bestand die Hauptaufgabe von Robert Nourilly, dem OPJ, vorwiegend darin, Pressekonferenzen einzuberufen, zu denen er Ewen jedes Mal hinzubat.

      „Nein, Ewen, ich habe soeben die Adresse von Alain de Rochefort erhalten. Er hat seinen Wohnsitz in Paris in einen Zweitwohnsitz verwandelt und ist nach…“, Paul machte eine Kunstpause, um Ewen raten zu lassen.

      „Nach Concarneau gezogen?“

      „Stimmt genau, er hat seinen Erstwohnsitz hierher nach Concarneau verlegt. Er wohnt am Place Duquesne, in der Passage Lanriec. Deswegen auch der Strafzettel dort. Wahrscheinlich hat sein Wagen mehrere Tage auf dem Parkplatz gestanden. Seine Wohnung liegt genau gegenüber der Ville Close.“

      „Dann lass uns sofort nach Concarneau, beziehungsweise zur Passage Lanriec fahren, und uns die Wohnung ansehen. Seit wann wohnt er denn dort?“

      „Der Abmeldung von Paris ist zu entnehmen, dass er bereits vor vier Wochen weggezogen ist.“

      „Mal sehen, was uns dort erwartet.“

      Kapitel 4

      Ewen und Paul brauchten nicht lange für die Strecke von Quimper nach Concarneau. Nach der Abfahrt von der Voie Express zur Passage Lanriec passierten sie das centre ville von Concarneau, oder kreiz kêr, wie die Bretonen sagen und überquerten die Brücke über den Moros. Der Moros, der sich aus dem Zusammenfluss der beiden Bäche Le Moros und Le Val gebildet hatte, floss am Hafen von Concarneau in den Atlantik. Ein Teil des Flusses war gestaut und diente als Trinkwasserreservoir. Die Brücke überspannte den Moros in einer Höhe von ungefähr dreißig Metern. Erst vor einigen Wochen war ein LKW-Fahrer mit seinem Fahrzeug durch das Brückengeländer eingebrochen und hinabgestürzt. Der Fahrer war auf der Stelle tot gewesen. Den Schaden an der Brücke konnte Ewen immer noch sehen als sie jetzt daran vorbeifuhren. Über Tage war es ein Thema in dem Ouest France gewesen. Gleich an der zweiten Ampel nach der Brücke bogen sie zweimal nach rechts ab und erreichten schließlich den Place Duquesne.

      Ewen stellte seinen Dienstwagen ab und überquerte mit Paul den Platz. Beim Aussteigen war ihm aufgefallen, dass man von hier aus einen schönen Blick auf die Altstadt von Concarneau hatte. Von dieser Seite sah die Ville Close ganz anders aus.

      Paul, der sich den Schlüsselbund von de Rochefort eingesteckt hatte, probierte die einzelnen Schlüssel durch. De Rochefort hatte zahlreiche Schlüssel an dem goldenen Anhänger. Der vierte Schlüssel passte und Paul öffnete die Tür zu dem Haus. Schon im Hausflur erkannten sie, dass der Bewohner noch nicht sehr lange hier weilte. Zahlreiche Umzugskartons stapelten sich im Gang. Ewen und Paul stiegen die Treppe nach oben. Die eigentliche Wohnung lag auf den beiden