T. von Held

Afrikanische Märchen auf 668 Seiten


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war frei von Argwohn. Es tat ihm leid, daß Wanyana

       ihn nicht liebte und es nicht duldete, daß er ihr mit

       Zärtlichkeiten nahte; doch hoffte er, daß es ihm gelingen

       würde, sie nach und nach für sich zu gewinnen;

       deshalb beschloß er, nicht in sie zu dringen, sondern

       es der Zeit und seinem stets sich gleichbleibenden

       Aufmerksamkeiten zu überlassen, ihr Herz zu rühren.

       Er baute für sie ein neues, schönes Haus, besuchte sie

       ab und zu, brachte ihr stets Geschenke mit und tat

       alles, um ihre Liebe zu gewinnen.

       In nicht allzulanger Zeit gewahrte Wanyana mit

       Schrecken, daß sie einem Kinde das Leben schenken

       sollte. Angsterfüllt vor dem Zorn ihres Gatten, bat sie

       ihn, für mehrere Wochen seine Besuche bei ihr einzustellen,

       und versprach ihm dafür, später ein ergebenes

       und liebendes Weib zu sein. Beglückt ob dieser Aussicht,

       willfahrte Uni ihrem Wunsche. Durch ihre eigenen

       Untergebenen suchte Wanyana Kunde von ihrem

       Geliebten zu erlangen, erfuhr aber nur, daß er plötzlich

       verschwunden und niemand wisse, wohin er gegangen

       sei.

       Kurze Zeit darauf gebar Wanyana einen kleinen

       Jungen. Geängstigt von dem Gedanken daß der König

       ihre Untreue entdecken könnte, nahm sie das Kind

       und legte es in die Werkstatt eines Töpfers; dann aber

       ging sie eiligst zu einem Zauberer, beschenkte ihn

       reich und bat ihn, in irgend einer Weise dafür zu sorgen,

       daß ihr Kind gut gepflegt würde. Beruhigt durch

       das Versprechen unverbrüchlichen Schweigens,

       schritt sie alsdann schnell heim.

       Am folgenden Morgen wollte Muyana, der Töpfer,

       in seine Werkstatt gehen; sein Weg führte ihn vorbei

       an der Tür des Zauberers, und dieser rief ihn an:

       »Muyana, warum nimmst du jetzt immer schlechte

       Erde, aus der du deine Töpfe machst? Sie sind nicht

       mehr so gut wie früher und zerbröckeln in der Hand.«

       »Ach Doktor!« rief der arme Töpfer erschreckt,

       »sage du mir, was ich tun soll, damit meine Arbeit

       wieder werde, wie sie sonst war!«

       »Gut, Muyana! ich kann dir raten. Du hast einen

       mächtigen Feind, der nur Böses für dich sinnt; aber

       ich will seine Pläne zu schanden machen. Gehe du in

       deine Werkstatt und suche in ihr nach irgend etwas

       Lebendigem. Wenn du es gefunden hast, so nimm es

       zu dir, hüte und pflege es; denn wisse, solange es lebt,

       wirst du vor allem Übel bewahrt bleiben.«

       Muyana war nicht wenig erstaunt, als er diese

       Worte gehört hatte, eilte weiter zu seiner Werkstatt

       und gewahrte dort alsbald ein sorglich zusammengewickeltes

       Bündel, dessen Inhalt ihm aber verborgen

       blieb, und das er nicht wagte zu berühren.

       »Ich will zu meiner Frau gehen und ihr all dieses

       erzählen,« sagte er zu sich; »denn Weiber wissen mit

       geheimnisvollen Dingen besser Bescheid,« und

       schnellen Schrittes lief er heim.

       »Du Dummkopf!« schalt sein Weib, nachdem es

       zugehört hatte: »Warum hast du nicht getan, was der

       Zauberer dir befohlen hat? Komm' jetzt gleich mit mir

       und zeige mir, was du gesehen hast. Mich beunruhigt

       ein Traum, den ich in der vergangenen Nacht gehabt

       habe, und das Bündel, von dem du da gesprochen

       hast, kann für uns beide von großer Bedeutung sein.«

       So zogen sie miteinander zur Töpferei. Gerade als

       sie dort ankamen und die Frau eben nahe hinzutrat,

       um zu sehen, was auf der Erde in Felle gewickelt lag,

       fing das Kind an zu schreien und sich zu bewegen:

       »Du meine Güte, das ist ja ein Säugling,« rief das

       Weib, »und es sieht genau so aus, wie das Kind, welches

       ich heute Nacht im Traume sah! Heb' es auf,

       Muyana, gib es mir und verletze es ja nicht!«

       Muyana war wie von Sinnen, tat aber, wie sein

       Weib ihm geheißen hatte, und gab ihr das Kind, ohne

       ein Wort zu sagen. Entzückt betrachtete die Frau das

       gesunde, wohlgebildete Kind, wiegte es in ihren

       Armen und rief aus:

       »Muyana, was sind wir doch für glückliche Leute!

       Seit Jahren sehne ich mich nach einem Kinde, und

       endlich haben gute Geister meinen Wunsch erfüllt

       und uns das schönste aller Kinder gegeben. Unser

       Glück ist gemacht!«

       »Aber wessen Kind mag das sein?« fragte Muyana

       argwöhnisch.

      Kapitel 3

      »Wie kann ich das sagen? Laß uns dankbar sein,

       daß wir es gefunden haben; fürwahr, der Zauberdoktor

       ist ein guter und weiser Mann; er wird wohl auch

       das Geheimnis dieses kleinen Wesens kennen; uns

       aber geht das nichts an, laß uns lieber gar nicht daran

       denken. Nicht wahr, fortan ist das Kind unser; wir

       wollen dafür sorgen und es wie unser eigenes halten!«

       »Wie du willst!«

       So hatte denn das Kind der schönen Wanyana seine

       Pflegeeltern gefunden, und in ganz Unyoro gab es

       keine Mutter, die stolzer auf ihr Kind gewesen wäre,

       als Muyanas Weib auf diesen Findling. Der Knabe

       wurde mit Ziegen- und Kuhmilch ernährt und gedieh

       prächtig. Als Muyana zu dem Zauberdoktor ging, um

       diesen zu fragen, wie er das Kind nennen solle, antwortete

       der ihm:

       »Nenne es Kimyera – den Mächtigen.«

       Als Kimyera etwa ein Jahr alt war, ging Wanyana

       eines Tages zu einem Töpfer, um für ihr Haus Töpfe

       zu kaufen. Sie setzte sich auf die Erde am Eingange in

       der Werkstatt und wählte aus, was ihr gefiel. Da

       plötzlich hörte sie ein Kind schreien.

       »Hat dein Weib kürzlich ein Kind gehabt?« fragte

       Wanyana, »ich hörte bisher nichts davon.«