i.A. - H.T.K.

Die Köchmüller-Papiere


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ist sein Arbeit-Geber… – …durch einen Investmentfonds plattgemacht worden… – …So sieht er das zumindest…. – …Und nun tauchst du hier als so'n Banker auf… – …und dann noch mit Schlips und Kragen…. – …Also… – …ein rotes Tuch ist nichts dagegen…. – …Wir wollen hier kein unnötiges, eventuell handfestes Palaver…. – …wenn der Vogel, da hinten, ausrastet…. – …Der Typ hat, ganz klar, einen an der Klatsche…. – …Aber, das hast du dir sicher schon gedacht… – …So… – …ich bin jetzt erstmal eine dampfen.“ Der Gemütliche zündete sich, mitten im Rauchverbot, sein Krautstäbchen an und schlenderte entspannt zur Treppe. Der strenge Geruch des konisch geformten Glimmstängels erinnerte den Ex-Banker an Sünden aus längst vergangenen Jugendtagen...

      Tief in der darauffolgenden Nacht wurde Heinrich „…von irgend so einem bekloppten Radiowecker…“ aus dem Schlaf gerissen. Einige Augenblicke vergingen, bis seine Augen scharf ziehen konnten. Tatsächlich 3Uhr55! Die Musik lief also schon seit fünf Minuten. Sein Gehirn täuschte ihm ein verzerrtes Echo vor. „Schluss mit dem Gedudel!“ Köchmüllers Hand landete auf dem Radio. Er raffte sich auf, wankte ein wenig auf dem Weg zum Bad, drehte dort die Dusche auf. Wenige Minuten später stand er, in voller Montur, vor der Schaltuhr-Kaffemaschine. Er nahm einen Schluck des belebenden Getränks und goss den Rest in seine Iso-Kanne. Ab damit, in die Ledertasche; dabei noch ein versichernder Blick hinein: Ja, es waren alle Unterlagen an Bord! Nun auf Zehenspitzen zur Tür, diese leise hinter sich geschlossen und dann zügigen Schrittes zur Haltestelle. Die kühle Nachtluft spülte seinen Kopf durch... Nach sechsstündiger Anreise hatte Heinrich sein Reiseziel erreicht. Genau fünf Minuten vor der Zeit stand er auf dem Stadtplatz einer jener malerischen Kleinstädte im erweiterten Einzugsbereich der bekannten Landeshauptstadt.

      Die letztnotwendigen Schritte führten ihn durch den Arkaden-Gang, bis er das, ungefähr DIN-A3-große, Firmenschild der „Beyslböck-Invest“ entdeckte. Es hing neben einer schweren, uralten Eichentür. Mit dem Durchschreiten des Einlasses, übersprang er gut 150 Jahre. Aus dem Ambiente eines vormals königlichen Zeitalters, außerhalb des Gebäudes, wurde inwärts eine stylisch-weiße Marmorhalle mit einem, hypermoderne Kälte ausstrahlenden, Empfangsbereich. Das ebenso durchgestylte `Post-Post-Modern-Püppchen´ führte ihn, nach kurzem Wortwechsel, zu einem Konferenzzimmer. Er möge sich einen Moment gedulden, bis Dr. Beyslböck erscheine. Es vergingen nur wenige Augenblicke. Der Bewerber hatte gerade genug Zeit, seine Unterlagen aus der Tasche zu holen, als sich die Tür erneut öffnete.

      Doch was er nun sah, kitzelte sein Zwerchfell, es brachte ihn nur auf den Gedanken: „Ein Kanarienvogel!!!!“ Mit aller Kraft musste der Bewerber ein Loslachen unterdrücken. Nicht deshalb, weil ein ungefähr sechzigjähriger, durch Sonnenbankmissbrauch dunkelbraun gerösteter Mann mit breitem Jacketkronen-Lächeln vor ihm stand. Auch nicht, weil sein Gegenüber bei gut 1Meter80 Körpergröße rund 30 Kilogramm Übergewicht aufwies. Das alles: Nein, kein Problem! Die visuelle Grausamkeit war der quietsch-gelbe, dreiteilige Anzug und die Tatsache, dass dieser auch noch eine Nummer zu klein geraten war. Hinzu kam ein dunkelblaues Oberhemd, auf dem eine hellrote Krawatte leuchtete. Das also war Doktor Eduard Friedberg-Beyslböck! Der österreichische Namensgeber der `Beyslböck-Invest.´, mit samt seinem allzu offensichtlich schwarzgefärbten Haar. Fehlten nur noch die Riesenschuhe, die rote Nase und die Autohupe zur Vervollständigung des grotesken Clowns-Kostüms.

      „Ja, grias Goooht!“ Geschmeidigster K.u.K.-Hauptstadt-Dialekt. Der Kanariengelbe lachte den Stellensuchenden an. Heinrich hatte sich nach dieser Schrecksekunde wieder im Griff, lächelte zurück, konnte das ihm Gebotene aber immer noch nicht ernst nehmen. Er entschloss sich, das Spiel vorläufig mitzuspielen und abzuwarten, bis dieser nur allzu bekannte und aufdringliche Showmaster, fröhlich lachend, zur Tür hereinspringen und rufen würde: „Herzlich Willkommen in unserer Show! Dort ist die versteckte Kamera!“

      Kaum dass beide Platz genommen hatten, ging die Tür erneut auf und hereinspaziert kam eine Frau, ungefähr in Alter und Korpulenz mit dem Dialektschleimer vergleichbar. Auch sie war in ihrem schwarzen Kostüm mit großen weißen Punkten und weißem sixties Schlapphut mindesten so dezent und unauffällig gekleidet, wie Beyslböck. Ihre leuchtendgrünen Augenlider überspitzten das verspachtelte Röstgesicht.

      „Ahh“, der Doktor erhob sich angestrengt, „doarf ichch bekoannt mochen?! Dösss issst mäine liebä Frau!“ Heinrich überraschte nun nichts mehr. Er erhob sich, schickte in Gedanken Verwünschungen an den Showmaster, den er immer noch hinter diesem Spielchen vermutete, machte mit den Worten „Küss die Hand, gnää Frau.“, eine leichte Verbeugung. Er ließ sowohl seinen Augen als auch seinen Gedanken freien Lauf: „Wo ist die versteckte Kamera? Euch Pack krieg ich schon!“

      Die Runde begann mit geschäftsmäßigem Small-Talk über die Anreise und das sonnige Föhnwetter. Heinrichs Anspannung löste sich ein wenig. „Also“, Dr. Beyslböck wurde nun ernst, „aus Ihren Unterlagen ist absolut zweifelsfrei festzustellen, dass Sie sich im Geldgewerbe auskennen und für uns – also für meine liebe Frau und mich – erste Wahl sind.“ Er blätterte geradezu demonstrativ in den vor ihm liegenden Papieren. „Internationale Finanz-Transfers sind Ihnen bekannt.“ Er nahm den Kandidaten in durchdringenden Augenschein. „Genau das ist unser Geschäft.“ Er blätterte wieder. „Wir erwarten von Ihnen absolute Verschwiegenheit und ein Maximum an Flexibilität.“, sagte es, ohne von den Unterlagen aufzusehen. „Da sehe ich keine Schwierigkeit.“, erwiderte Heinrich, „Wir müssen alle sehen, wo wir bleiben.“ „Das `Maximum´ von dem ich spreche, heißt auch Spontaneität. Wenn es sein muß, aus dem Stand nach Australien oder Indonesien. Und wenn ich `Chile´ sage, dann schauen Sie schon nach einer günstigen Verbindung.“ Der Unternehmer lächelte und schob die Begründung nach: „Wir legen das Geld unserer Klienten auch schon mal in bar an, weil es in verschiedenen Gegenden der Welt einfach der schnellste Weg ist, Entscheidungen vor Ort zu ermöglichen.“ „Bargeld lacht!“ Heinrich zeigte sich gänzlich auf gleicher gedanklicher Höhe. „Exakt. Da kann soviel Elektronik im Spiel sein, wie will, über Geldbündel sieht keiner hinweg.“ „Sie sind also das, was wir Banker einen … – …nun ja, sagen wir mal `Financial-Maverick´ nennen.“ „Hmmm… - Wenn eine Rückverfolgbarkeit ausgeschlossen sein soll, da kommen die Leute zu uns. Liegt alles zwischen knapp einer halben Million und im Extrem fünf, sechs Millionen.“ „Ich verstehe. Kapital-Fluchthelfer!“ Heinrich lehnte sich angewidert zurück. „Oba naaaaiiin!“, Dr. Beyslböck lachte wieder breit, „Alles völlig legal. Also, für unsere Steuerbehörden. Aber wir müssen vierdimensional denken. Viele Geschäfte laufen nicht nur in fernen Kulturkreisen ab, sondern auch – hinsichtlich Entwicklungsgesichtspunkten – unter anderen, teilweise geradezu vorgestrigen Bedingungen und tradierter Denkweise.“ Beyslböck blätterte weiter in der Bewerbungsmappe: „Ich kann mir vorstellen, dass Sie als Banker einer derjenigen sind, die nicht jedem Abzock-Geschäft hinterher laufen.“ „Wohl wahr.“ „Na, also. Und wir – also, meine liebe Frau und ich – sind da ganz auf Ihrer Wellenlänge. Wir wollen weder Probleme mit den Behörden, noch mit unseren Kunden haben. Als Familienbetrieb stehen wir doch immer direkt an der Front.“ Er blickte wieder auf die Unterlagen. „Nein, nein… - krumme Dinger können wir uns nicht leisten. Und auch unseren Mitarbeitern muten wir keine Gefährdungen zu, die nicht absolut, im Rahmen unserer langjährigen Erfahrungen, juristisch einzuordnen sind.“ Nun meldete sich auch Frau Beyslböck zu Wort: „Schau'n Sie, wir haben 25 handverlesene Mitarbeiter in unserem Unternehmen. Alle sind lange, zwischen 5 und bis zu 32 Jahren, für uns tätig. Und nie – ich betone – niemals wurde gegen uns Anklage erhoben... Natürlich gibt es immer wieder Ermittler, die sich wichtig machen und profilieren wollen. Aber wo nötig, da hat unser Anwalt vorher alles überprüft. Auch woher das Geld stammt, wird, so weit möglich, von uns in Erfahrung gebracht und streng dokumentiert.“ „Plausibilitätsprüfung?“ „Nein.“, sie blickte ernst, „Wir sind da viel empfindlicher, als Ihr bisheriger Arbeitgeber. Und warum? Weil wir persönlich haften. Und weil wir nur einen Rechtsanwalt haben und keine komplette Rechtsabteilung, wie eine Bank. Wir können weder Gesetze noch Urteile kaufen!“ „Und unser Leistungsspektrum ist auch anders gefächert“, pries der Ungefiederte