i.A. - H.T.K.

Die Köchmüller-Papiere


Скачать книгу

bereits wieder, zum wesentlich höheren Marktpreis, dem nächsten Opfer auf den Rücken gepackt worden. Selbstverständlich wieder finanziert vom >freundlichen Partner, bei der Verwirklichung Deines Lebenstraumes< “

      Er berichtete ihr, dass er während seiner Ausbildung in Abteilungen gearbeitet hatte, die später aufgespalten wurden. Die herausgelösten Teile waren zum Aufbau des „Spiels“ vorgesehen und wurden zu diesem Zweck rechtlich komplett ausgelagert. Was er nicht erwähnte, war die Tatsache, dass er auch in diesen Abteilungen ein stets gefügiger, wissbegieriger und fleißiger Lehrling und somit Zuarbeiter gewesen war.

      Ein paar Jahre später, am sonntäglichen Frühstückstisch: Mittlerweile Bankbetriebswirt mit eigenem Aufgabenbereich. Unter dem Einfluss seines gewachsenen Wissens, sagte er seiner Frau, dass es ihm jedesmal eiskalt den Rücken herunterlaufe, angesichts des „Hütten-Kreislaufs“, der da ganz speziell und exklusiv in seinem Hause entwickelt und betrieben worden war. Dies sei auch der Tatsache geschuldet, so sein Befund, dass dieses „Abzock-System“ so einfach wie gewinnbringend und trotzdem weitestgehend unauffällig sei. „Es gibt natürlich, bezogen auf die einzelnen Objekte, einige Unwägbarkeiten.“ Er räumte gedankenverloren das Geschirr zusammen. „Ein Risiko ist dieser >Ausfall< eines Kunden“, fuhr er fort. Dieser Begriff sei blanker Zynismus, werde er doch genutzt, zur Umschreibung, dass es einem „Karussell-Kunden“ tatsächlich und wider aller Planung gelungen war, unter Aufbietung aller Kräfte, die Hypothek über den Berg zu zerren und ins vertraglich vereinbarte Ziel der Schuldenfreiheit zu bringen. Köchmüller fand das garstige „Spiel“ mindestens fragwürdig, da, ausschließlich zu Lasten der Betroffenen und ab einer bestimmten, kritischen Umsatzmenge, mindesten 100% Gewinn zu erwarten war. „…wohlgemerkt: 100 Prozent bei uns, auf einen Kaptaleinsatz, der ausschließlich im Verantwortungsbereich des Kunden liegt...“

      Als Köchmüller nun, zehn Jahre später, nach seinem Ausscheiden aus dem Job, noch einmal das Thema anschnitt, da hatte sich Elkes Einstellung merklich geändert. Sie war nur noch interessiert, am eigentlich simplen Aufbau des hausinternen Hebelproduktes und an der erfreulich hohen Profitabilität, ohne ernstlich zu beachtende Risiken. Seinem Einwurf der billigenden Inkaufnahme von Existenzvernichtung, bis hin zur Obdachlosigkeit, stellte sie nur entgegen: „Welches Problem? Die sind doch alle volljährig.“

      Oberflächlich beruhigte sich Köchmüller dadurch, dass zumindest einige Fälle die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit erhielten. Einmal im grellen Rampenlicht der Öffentlichkeit vorgeführt, dauerte das allgemeine Gemunkel über eine abgezockte Familie jedoch kaum länger als das unglaublich kurze Blitzlichtgewitter. Sein Ex-Arbeitgeber nutzte diese Phase, gab sich öffentlich zutiefst zerknirscht „...über so eine Tragödie. Über so eine bedauerliche Ausnahme, die auch einmal vorkommt, wenn sich beim Immobilien-Erwerb unglückliche Umstände verketten. Aber wir helfen in solchen Fällen, ganz unbürokratisch, wo wir nur können...“ Selbstverständlich wurde geholfen...! Wenn es eine ruinierte Familie tatsächlich schaffte, öffentlichkeitswirksam, die Kameras für sich einzuspannen. Die Grundbedingung, der wie auch immer gearteten Hilfe, war eine unterschriebene Verschwiegenheits-Klausel, die vor allem über das „Wie“ dieser Hilfe getroffen wurde. Der zentrale Punkt, aus Sicht der beteiligten Unternehmen: Die Glücklichen waren und blieben nur ein heller Fall pro tausend anderer, die im Dunkeln festsaßen. Die Chef-Etage hatte bereits sehr früh, in Kenntnis von Köchmüllers Charakterstruktur, diesen „…hässlichen Ast…“ aus seinem Verantwortungsbereich herausgeschnitten. Sie wussten: Er fuhr nicht gern „Karussell“ mit seinen Kunden.

      Und er selber? Heinrich T. Köchmüller war über diese „…Entscheidung an blö… - äh… höherer Stelle…“ niemals und keineswegs traurig...

      In Bezug auf Kundennepp stand Köchmüller, über die Jahre, sogar den medienöffentlichen Vorgängen, in seiner Region, höchst skeptisch gegenüber. Er vermutete imagepolierende Absprachen zwischen so manch einem Investor oder Bauträger und den in kippelig gestalteten Vertragsverhältnissen Beschäftigten, in den Funk- und Printhäusern. Aus seiner Jugendzeit, bei einer Schülerzeitung, leitete er einen Sachzwang ab: Gab es bei den Profis nicht ein symbiotisches `Geben und Nehmen´, unter dem Motto: „Ich habe jeden Tag viel Sendezeit…“„…die weißen Seiten meiner Zeitung zu füllen!“ Waren dies nicht die ewig gleichen Klagelieder der verantwortlichen Redakteure, fragte er sich. Auch wehrten sich die Sprecher der betroffenen Interessen-Verbände, in professioneller Rollenausübung:

      „Innerhalb unseres erfolgreichen Verbandes gibt es keine Pfuscher. Ob es in unserer Branche überhaupt schwarze Schafe gibt, ist uns nicht bekannt. Selbst knappe Kalkulationen hindern unsere Mitglieder nicht daran, auf der Grundlage der Gesetze, das zu liefern was der Kunde bestellt. Und falls es außerhalb unserer Organisation einen Unredlichen geben sollte, der die Grenzen der Rechtschaffenheit überschreitet, so existieren in unserem Rechtsstaat Behörden und Gerichte, die sich dieses Typen annehmen...“

      Aus diesem Spannungsfeld zwischen „Kunde“, „Hersteller“, „Kapitalgeber“ und „Weißen Seiten“ ließe sich sicher eine entsprechende Artikel-Serie krèieren, vollzog Köchmüller die möglichen Gedanken in der Redakteurs-Ebene nach. Natürlich sollte der Inhalt so gestaltet sein, dass die entsprechenden Unternehmen nicht wirklich in die Bredouille kamen. Von dieser informellen „Schutz-vor-Bankrott-Regel“ waren sicherlich jene Unternehmen ausgenommen, deren einziger und ausschließlicher Gründungszweck der Betrug war, vermutete er. Selbstverständlich gab es Ausnahmen von dieser Ausnahme: Branchenunabhängig fand die Justiz keinerlei Zugang zu kriminell organisierten Unternehmen, die aufgrund ihrer schieren wirtschaftlichen Größe „systemrelevant“ erschienen. Unternehmen, die sich somit, „zurecht“, außerhalb der irdischen Gerichtsbarkeit wähnten – zum Beispiel Köchmüllers ehemaliger Arbeitgeber.

      Die Rollenverteilung und der Ablauf öffentlich abgewickelter Kulanzverfahren hatten, in Köchmüllers Augen, klare und vor allem finanziell kalkulierbare Spielregeln: Für die „…reumütig…“ auftretenden Unternehmen blieb deren „…kulante Hilfe…“ nur dann kostengünstig, wenn es ein konkret abgrenzbarer Einzelfall war, der keine juristischen Hebel für andere Betroffene darstellen konnte. So hatten, nach seiner Erfahrung, z.B. die Erwerber von Eigentumswohnungen, wegen der Vergleichbarkeit innerhalb des Gebäudes oder Bauabschnittes, stets wesentlich schlechtere Karten, trotz Medienhilfe. War es aber ein - nach Möglichkeit - freistehendes Einfamilienhaus, so konnte man immer auf der Finanz- und Bauträgerseite von einem klar abgrenzbaren „...unglücklichen Einzelfall...“ sprechen. Die Geschäftsführer der angeprangerten Unternehmen gaben sich dann, vor laufender Kamera, zutiefst zerknirscht und „…überwachen selbstverständlich persönlich!!!“ die Reparatur-Arbeiten. Am Ende noch ein aufgeplusterter Präsentkorb für die Ehefrau im zugigen Alptraumhaus und Schluss-Klappe.

      Daraufhin konnten dann auch die Medienvertreter im Studio, breitgrinsend, in die Kameras brabbeln, wie toll und hilfreich, gerade in diesem Fall, das eifrige Team aus der überragenden Verbraucher-Sendung gewesen war. „Quote! Quote! Quote!“ so hieß die Leistungs-Karotte für so manch ein „…Kompetenz-Team, das auch nach Jahren und Jahren…“, wie Köchmüller unter zynischem Gelächter feststellen musste, nicht einmal die Begriffe „Besitzer“ und „Eigentümer“ oder „Gewährleistung“ und „Garantie“ korrekt zuordnen konnte.

      Das reguläre Geschäft, mit den wenigen hundert Häuslebauern, welches sowohl durch Köchmüllers Hände ging, als auch in seiner direkten Umgebung alljährlich ablief, stellte, in seiner geringen Menge, auch nur einen winzigen Teil des Immobilien-Geschäftes dar, an dem sein Arbeitgeber kräftig mitverdiente. Den Löwenanteil in diesem Geschäftsbereich machten, selbstverständlich, die so genannten „Kooperationspartner“ der Bank. Da ging dann richtig die Post ab. Auf dieser Ebene, die geradezu unter der regierungsamtlichen Überschrift „Altersvorsorge durch Beton-Gold“ auftrat, engagierten sich Köchmüllers Bosse – bis zum lukrativen Seitenwechsel – selbstverständlich nur als ganz seriöse Kapital-Makler. Wer will sich schon die eigenen Finger schmutzig machen?! Dort, in der hochglanzpolierten Ecke, emotionsgeladener