Charline Dreyer

Waves


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Versteht kein Mensch, ich habe nur genickt und den Cocktail entgegen genommen.

       „Eine unbekannte Substanz, schmeckt ein wenig nach Orange und stark nach Geheimnis“, hatte Elijah vorhin versucht zu identifizieren. Ich sehe mich suchend um, aber er ist mit der Rothaarigen verschwunden. Na ganz fantastisch.

       Wo soll ich jetzt hin? Zurück in die Villa? Zurück zu dem verräterischen Pack? Zurück zu dem Typen mit der hoffentlich gebrochenen Hand und der Scheischlamme? Apropos, ob Joe wirklich ernsthaft verletzt ist? Wie läuft das eigentlich, mit Krankenhaus im Ausland?

       Mir raucht der Kopf und ich überlege, den netten Barkeeper um Asyl zu bitten. Was Joe, Isabella und Elijah können, kann ich schon lange.

      ***

      E L I J A H

      Fuck, ich habe die Kleine einfach an der Bar zurück gelassen. Mit diesem Pseudo-Barkeeper und seiner hässlichen Superman Locke, die er sich ständig aus der Stirn gestrichen hat, was Ady jedes Mal einen Seufzer entlockt hatte.

       Verdammt, was haben Frauen immer mit diesen südländischen Barmixern. Ich erinnere mich, wie Isabella in unserem ersten gemeinsamen Urlaub auf Sizilien genauso ähnlich auf diese Art von Mann scharf gewesen war. Es hatte mich wahnsinnig gemacht, wie sie damals mit dem Kellner geflirtet hatte.

       „Hey? Elijah? Everything okay?“, quatscht diese – wie hieß sie gleich? – Jules mich von der Seite an und zieht mich wieder an sich. Ihr englisch ist noch schlechter als Adys und es regt mich mindestens genauso sehr auf. Alles regt mich auf. Ihre Küsse sind nass und sie stinkt nach Gras. Nein, schlimmer. Nach abgestandenem Bongwasser. Ich erschaudere und habe sofort Bilder aus üblen Zeiten vor Augen.

       Überhaupt, was tue ich hier?!

       Ich löse mich ruckartig aus ihrem klammernden Griff und taumele zwei Schritte rückwärts. Wir stehen anscheinend an der Tür ihres Bungalows. Ich habe gar nichts mehr mitbekommen, verdammte Scheiße. „Sorry, Jules. I can't do this right now ... I have ...“ A girlfriend? Nein. Ich have no fucking girlfriend, weil sie my fucking best friend gefuckt hat. „Have to go. Tschüss.“ Ich drehe mich um und gehe den kleinen beleuchteten Weg entlang, ohne zu wissen, wo der eigentlich hinführt.

       „Seriously?!“, keift sie mir hinterher, ihre künstlich gefärbten, roten Haare schimmern im Licht der Laternen in einem grässlichen orange. Was genau fand ich gerade noch attraktiv an ihr? „Bitch...“, murmle ich und sie schreit noch irgendetwas auf einer fremden Sprache hinterher. Vielleicht russisch. Oder polnisch? Keine Ahnung, Mann.

       Mir ist schwindelig und übel. Mein Hirn wirbelt alles durcheinander, ich sehe immer wieder Bilder von Isabella und Joe, von einer weinenden Ady und dieses Geräusch. Zerbrechendes Glas, gemischt mit ihren Schluchzern. Ich habe noch nie einen Menschen so herzzerreißend weinen hören, wie Adeline vorhin. Alleine dafür hätte ich Joe am liebsten sein beschissenes Maul blutig geschlagen. Die Kleine hat ihn so geliebt. Tut es sicherlich noch. Ihre Liebe schien rein ... Anders als Isabellas es je gewesen ist.

       Worüber denke ich hier nach?! Ich schüttele wild den Kopf, was sich als Fehler herausstellt. Es fühlt sich an, als würde mir eine Klinge in die Schläfe gerammt. Ich taumele nach rechts, greife ins Nichts und falle unsanft auf trockenes Gras neben den Steinweg, schaffe es nicht, mich wieder aufzurichten. Ich rolle mich auf den Rücken und kneife sie Augen fest zusammen.

       Alles dreht sich. Dreht sich.

       Die Grillen zirpen so laut, das Geräusch hat mich sonst immer beruhigt. Doch jetzt ist es einfach nur schmerzhaft, wie kleine, rasiermesserscharfe Stiche in meiner Schädeldecke. „Shit ...“ Ohne mich noch weiterhin unter Kontrolle zu haben, entfährt mir ein lauter Schluchzer, lässt meinen ganzen Körper beben und ich lasse es zu. Ich lasse die Tränen zu.

      Blühende Fantasien, realistische Fakten und beunruhigende Tatsachen

       Gulls in the sky and in my blue eyes

       You know it feels unfair

       There's magic everywhere.

       Seeed

      A D E L I N E

      „No, no, no“, lache ich und halte dem Typen den Mund zu. „Ssscccht! Not so loud.“ Sagt man das so? Egal, englisch war noch nie meine Stärke. Er nimmt meine Hand, sieht mir direkt in die Augen und küsst sie lange. Ich muss wieder kichern. Eher aus Nervosität. Nicht, weil es mich in irgendeiner Weise anmacht. Wir befinden uns direkt vor unserer Villa und mir ist total bewusst, dass mich jederzeit Joe erwischen könnte, wie ich mich von einem spanischen Barkeeper abschlabbern lasse.

       Perfekt. Genau das ist der Plan. Kindisch? Umso besser.

       Ich schließe die Tür auf und stolpere fast über einen Gegenstand, der in der Dunkelheit auf dem Boden liegt. Isabellas Strandtasche, wie sich herausstellt, als ich das Licht einschalte. Merkwürdig, wieso liegt sie auf dem Boden? Ihr gesamter Inhalt ist im Raum verstreut. Die Fliesen glitzern nass im Licht, Wasser rinnt zwischen die Fugen. Mir bleibt keine Zeit, darüber nachzudenken, denn der Typ, sein Name ist Alejandro, packt mich von hinten und hebt mich hoch. Er küsst mich, schießt die Gegenstände auf dem Boden zur Seite und trägt mich zielstrebig zum Schlafzimmer. Woher weiß er ... Nun ja, er arbeitet in dieser Ferienanlage. Da muss er ja auch die Häuser, Wohnungen und Bungalows kennen. Wir haben hier drei Schlafzimmer, er trägt mich in das bisher ungenutzte, schmeißt mich auf das Doppelbett und beginnt, sich sein schwarzes Hemd aufzuknöpfen. Ich kichere extra laut, hoffe, dass Joe hier irgendwo ist und mich hört. „You're so hot“, sage ich und ziehe Luft zwischen zusammengebissenen Zähnen ein. Tatsächlich hat er einen relativ durchtrainierten Körper, gebräunte, glatte Haut und ... Sein Blick ist unfassbar intensiv. Okay, er ist einen Kopf kleiner als ich und benutzt definitiv eine ganze Menge zu viel Haargel, aber das tut gerade nichts zur Sache. Mit nacktem Oberkörper beugt er sich über mich, sagt irgendetwas auf spanisch, was sich verdächtig nach einem Pornotitel anhört, fährt mit der Zunge über meinen Hals und zerrt an meinen Klamotten. Die leichte Strickjacke lässt sich schnell abstreifen, nur das mit dem weißen Kleid ist etwas komplizierter, es liegt an meinem Körper wie eine zweite Haut.

       Mir schießen tausend Gedanken durch den Kopf. Wird Joe auftauchen und uns sehen? Was ist eigentlich mit Elijah und der Rothaarigen? Wieso liegen Isabellas Sachen verstreut auf dem Boden? Ob sie doch ins Krankenhaus gefahren sind, wegen Joes Hand?

       Ich weiß genau, dass ich mich jetzt nicht auf Sex mit diesem Mann hier einlassen werde, wieso habe ich ihn dann mitgenommen? Ich spüre rein gar nichts, wenn er mich küsst, bin wie betäubt. Seine Berührungen lösen nichts, außer Unwohlsein in mir aus. Das ist nicht richtig, das sollte so nicht sein. Joe sollte rechtzeitig hereinplatzen, Alejandro von mir zerren und sich mit männlicher Eifersucht und besitzergreifender Wut zwischen uns stellen. Das ist der Plan.

       Doch wo bleibt Joe? Im Krankenhaus, sagt mir eine kleine Stimme meines Unterbewusstseins. Mit Isabella, ergänzt es mit einem boshaften Lachen.

       Um noch einmal genau auszutesten, ob sich tatsächlich niemand im Haus befindet, stöhne ich so laut ich kann auf, als Alejandro mit seiner Hand zwischen meine Schenkel fährt. Aber niemand kommt zur Tür hereingestürmt, kein Joe stürzt sich beschützend zwischen mich und diesen Barmixer. Nichts passiert, außer, dass er mich überrascht anschaut, mit verschleiertem Blick und selbstgefällig grinst. Dass er nur Mittel zum Zweck ist, begreift er erst, als ich ohne Vorwarnung aufspringe und übertrieben geschockt zur Uhr schaue. Mit meinem schlechten englisch versuche ich zu erklären, dass meine Eltern jede Sekunde hereinschneien könnten und ich völlig vergessen habe, dass sie ja genau um zwei Uhr nachts von einer Veranstaltung zurückkommen sollten. Realistisch, ich weiß. Welcher normale Mensch ist bis zwei Uhr nachts während seines Urlaubs auf Fuerteventura bei einem Event?

       Das hatte er auch gefragt. „Save the wizards“, antworte ich schnell. Zu schnell. Er schaut mich an, als sei ich komplett übergeschnappt. „Lizards! Herrgott nochmal. Ich meine lizards. Save the lizards. Eidechsen, nicht Zauberer.“ Ich laufe knallrot