Charline Dreyer

Waves


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was gegessen?“

       „Ja, Mom“, zische ich, halte mich an seiner Hüfte fest und ziehe mich auf die Beine, schwanke kurz und er hält mich an den Schultern.

       „Dass du alleine schwimmen gehst, gefällt mir auch nicht.“

       „Elijah.“

       „Die Strömungen sind nicht ungefährlich, sagte die Reiseleiterin.“

       „Die Reiseleiterin, der du so ausgiebig auf die Brüste geschaut hast?“, frage ich zuckersüß.

       „Wollte nur abwägen, ob sie echt sind.“ Er zieht die Unerlippe zwischen die Zähne, was irgendwie sexy ist, aber der Gedanke ist so falsch dass ich ihn schleunigst wieder verwerfe. „Du bist ein Arschloch“, sage ich stattdessen.

       „Ich?“, er lacht bellend auf. „Ich bin also ein Arschloch, weil ich eventueller weise aus Versehen und flüchtig einen Blick riskiert habe und meine reizende Freundin ist 'ne Heilige, während sie meinem besten Freund einen bläst?“

       Ew, nein, bitte keine Bilder. „Entspann' dich, kein Grund, gleich wieder auszurasten.“ Ich trete zurück und meine Füße sinken im nassen Sand ein, als eine Welle meine Fersen umspült. „Außerdem wusstest du zu dem Zeitpunkt noch nichts von ihrem Betrug.“

       „Und das soll es jetzt entschuldigen?“

       Ich atme tief durch, bekomme endlich wieder besser Luft, denn diese Diskussion mit Elijah lenkt mich ein wenig von meinen tristen Gedanken ab, die sich vom tiefsten Unterbewusstsein immer schwerwiegender an die Oberfläche zu bahnen versuchen. „Nein, das soll rein gar nichts entschuldigen. Ich mein' ja nur.“

       „Du denkst, ich habe sie schlecht behandelt, das ist es doch.“

       Ich presse die Lippen zusammen, heiße Windstöße trocknen allmählich meine feuchte Haut. „Nein, das ist es nicht.“

       „Dein Blick sagt etwas anderes.“

       „Ich denke nicht, dass du sie schlecht behandelt hast. Du hast Isabella behandelt, wie sie behandelt werden wollte. Eine Isabella so zu behandeln, wie sie es will, ist die einzige Möglichkeit, sie bei Laune zu halten, demnach kann ich dich verstehen. Konnte dich immer verstehen.“ Er sieht mich aufmerksam an, wartet, bis ich weiterrede. „Aber ich denke auch, dass es genau das war, was eurer Beziehung geschadet hat.“

       „Was denn, dass ich unter keinen Umständen das Biest in ihr wecken wollte?“ Elijah lacht wieder, hohl und oberflächlich, ein Lachen, welches einen nicht ins Herz trifft. „Dieses Biest, das will keiner sehen. Es ist hässlich und es sabbert.“

       „Es sabbert“, wiederhole ich barsch.

       „Ja, das tut es. Es sabbert, denn seine Eckzähne sind viel zu groß für sein Maul.“ Er gestikuliert vor seinem Gesicht herum.

       „Mit Biest habe ich mir immer Schneewittchens Stiefmutter vorgestellt, oder Professor Umbridge in jung, hübsch und brünett“, erläutere ich, „ich meine, kein wirkliches Biest. Kein Biest, wie monströs oder zombieartig.“ Oh mein Gott, ich habe gerade nicht ernsthaft Professor Umbridge gesagt, oder?

       „Dann hast du sie nie biestig erlebt. Denn glaub mir, das Biest ist keine grazile Stiefmutter mit Zauberkräften und vergifteten Äpfeln, es ist wahrhaftig monströs und abartig hässlich.“

       Also doch Umbridge, will ich sagen. Kann mich gerade noch so zurückhalten. Sein Blick ist wild und es liegt ein Ausdruck in ihm, der nicht zügelbar ist. Ganz genau wie gestern Abend, als er sich in Rage geredet hat und wieder weiche ich vorsichtshalber einen Schritt zurück. Elijah Granit ist eine Naturgewalt. Unaufhaltsam mächtig, bei Ausbruch lebensbedrohlich.

       „Ich habe das Biest sehr wohl gesehen, es war zehn Jahre lang meine beste Freundin. Ich kenne es dreimal so lange wie du es kennst, also erkläre mir bitte nicht, wie das Biest auszusehen hat.“ Während die Worte einfach so aus mir herausbrechen trete ich wieder näher, presse meinen Zeigefinger auf sein Brustbein und er starrt ihn an, als wäre er ein Vogelschiss auf seinem Shirt. „Aber verdammt, das Biest ist ein Teil von Isabella Rosa und die Frau hat Temperament, sie hat Feuer. Sie hat eine Hitze, um die ich sie immer beneiden werde und ich habe dieses Mädel geliebt, wie meine eigene Schwester.“ Ich hole zitternd Luft. Es stimmt, es ist die Wahrheit. Wir waren wie Pech und Schwefel. Adeline Weiß und Isabella Rosa. Wir waren Weißrosa, das Dreamteam, wir ergänzten uns einfach perfekt.

       „Du hast recht, es tut mir leid.“ Elijah sieht gequält drein, fährt sich durchs offene, schulterlange Haar.

       „Sie ist 'ne Bitch, aber sie ist 'ne verdammt heiße Bitch. Sie war meine Bitch“, schluchze ich. Also doch wieder Tränen, ganz wunderbar.

       „Ja, das ist sie.“

       „Wenn es irgendeine Bitch auf der Welt gibt, die wirklich Stil hat, dann ist sie es.“

       „Bis sie mit Joe gevögelt hat. Das war nicht wirklich stilvoll“, entfährt es Elijah. Ich antworte nicht, schaue durch ihn hindurch auf die Wellen, die stetig rauschen und sprudeln und hypnotisierend vor und zurück wiegen.

      ***

      E L I J A H

      Die Reiseleiterin ist nicht unbedingt das, was man als bombenscharf bezeichnen kann, aber sie hat echt Titten und Isabella nicht. Wenn man drei Jahre lang ein Brett küsst und dann diese wohlgeformten Süßen vor einem hin und her wackeln, dann bleibt der Blick ganz von allein an ihnen kleben.

       Verdammt, ja. Das ist Arschloch hoch zehn. Schon klar. Ich hab nichts gegen kleine Brüste, im Gegenteil. Aber das, was man nicht hat, will man erst recht. So ist es eben. Ich fühlte mich schlecht dabei und mir tut es leid, dass Isabella mich beim Starren erwischt hat, aber ich bin nicht der einzige, der sich das ein oder andere Mal an anderer Leute Körper satt gesehen hat.

       Isabella und der Kellner auf Sizilien. Isabella und ihr Fahrlehrer. Isabella und der Eisverkäufer aus dem Café im Kastanienpark. Isabella und Adelines Cousin. Und immer so weiter, ich könnte eine ganze Liste von Männern erstellen, denen sie schöne Augen gemacht hat, während ich daneben stand. Schweigend. Es über mich ergehen lassend. Es bringt nichts, bei Isabella etwas wie Eifersucht durchschimmern zu lassen, sie verspottet einen dafür und lacht, sie lacht immer über anderer Menschen Schwächen. Weil sie selbst keine hat.

       Gut, bis auf den Kellner aus Sizilien, ihren Fahrlehrer, den Eisverkäufer aus dem Café im Kastanienpark und ... Na ja, ihr wisst schon.

       Es ist nicht einfach, eine Freundin zu haben, die tadellos ist. Eine Freundin, die einen ständig kritisch mustert, abwertend kommentiert oder den Kopf über etwas schüttelt, was einem selbst wichtig ist. Mein Blog ist mir wichtig, er ist mein Leben, aber sie hat den Kopf darüber geschüttelt wobei ihr glattes, dunkles Haar um ihr kantiges Kinn gewippt ist. Ich glaube mittlerweile fast, dass sie gar nicht mehr anders kann, als kritisch zu gucken, den Kopf zu schütteln oder entnervt die Augen zu verdrehen. Ich glaube, sie ist nun einmal eine kühle Person, ohne einen Hauch von Tiefsinnigkeit, Einfühlsamkeit. Vielleicht ist es ihr selbst nicht einmal bewusst, vielleicht erscheint es ihr als völlig normal, so zu sein, wie sie eben ist.

       Im Grunde ist es für uns alle normal so zu sein, wie wir eben sind.

       Nicht so für Adeline. Adeline denkt über vieles nach. Sie denkt darüber nach, wie sie ist. Sie denkt darüber nach, wie andere sie sehen und es ist ihr wichtig. Sie ist Schriftstellerin, sie beobachtet die Menschen genauestens und bildet sich ein Urteil, sie nimmt jeden ihrer Makel und Fehler auf, sowie jede Eigenart und auch jeden Funken Gutes, der in einem jeden von uns schlummert. Nur, weil sie so genauestens über ihre Mitmenschen nachdenkt, meint sie, die anderen würden gleichermaßen auch über sie nachdenken. Und genau deshalb macht sie sich einen Kopf.

       „Wir sollten zur Rezeption gehen, vielleicht haben sie sie dort gesehen“, schlägt Ady vor und beugt sich herunter, um ihre Füße zu entsanden, was völlig lächerlich ist, denn ihr gesamter Körper ist voll von Sandkörnern.

       Ich trete an ihr vorbei auf die Veranda, darauf bedacht meinen