Martin Schlobies

Täubchen alla Boscaiola


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des Erzes, also des Blei- und Silbergehalts.“ Der Alte schien überrascht über die Zielsicherheit, mit der Raphael seine Fragen stellte, er sah ihn mit prüfenden Augen an, dann schnitt er eine Grimasse,

      „Die Resultate?“ wiederholte er höhnisch, „Die waren so, daß der Besitzer nach kurzer Zeit ruiniert war.“

      „Wann ist das gewesen?“

      „Vor vierzehn Jahren.“

      „Und hat sich später niemand gemeldet, um die Grube zu kaufen?“

      „Erstens weiß man noch gar nicht, ob es sich um eine solche handelt, das heißt, bis zu welcher Tiefe die Ader silberhaltigen Bleis reicht.“

      „Sonderbar,“, sagte Raphael, „aber ich sehe doch, daß bereits mehrere Schächte gegraben worden sind. - Und wo könnte ich den Besitzer finden?“ Der Alte brach das Gespräch mit einer raschen Gebärde ab, er bereute anscheinend, so viel gesprochen zu haben.

      Er streckte den Arm gegen die Biegung eines Pfades aus, der sich in einem dunklen Eichenwäldchen verlor, und sagte,

      „Die Ortschaft ist ganz in der Nähe. Gehen Sie hin und erkundigen Sie sich. Verlangen Sie nach der Familie Botello.“ Raphael versuchte eine letzte Frage,

      „Sie sind nicht von hier?“ Der Alte antwortete nicht, sondern entfernte sich kopfschüttelnd und murmelte dabei etwas vor sich hin.

      Raphael blickte ihm verblüfft nach, dann lachte er und sagte,

      „Hier kann ich vielleicht etwas machen! Wollen wir gleich von hier aus ins Dorf gehen? Das scheint der Weg dorthin zu sein.“ und er wies mit der Hand in die Richtung, die ihnen der Alte angegeben hatte.

      „Nicht heute!“ bat sie, „Bitte! Ich bin von der Fahrt noch vollkommen erschöpft! Diesen dunklen Pfad dort jetzt entlang laufen? Bitte nicht!“ - Oder etwa die Geröllpiste zum Dorf fahren!? Mit diesem niedrigen, tiefgelegten Auto? Das wollte sie auch nicht!

      „Gut!“, sagte er, „Meinetwegen. Fahren wir zurück.“

      „Ja!“, sagte sie, „ja, fahren wir, fahren wir!“ Wie war sie erleichtert, diesen unheimlichen Ort verlassen zu können! Und so machten sie sich auf den Rückweg zur Landstraße, wo sie das Auto hatten stehen lassen.

      7. Kapitel

      Signor Toccabelli hatte einige Tage in Palermo verbracht, in Geschäften. Er war spätabends erst zuhause in Castellina eingetroffen, hatte mit niemandem ein Wort gewechselt, und am Morgen war er nur seiner mürrischen Haushälterin begegnet, die sowieso mit niemandem aus dem Ort sprach. Der Frieden eines behaglichen Frühstücks lag noch in ihm, zum ersten Mal seit langem war er etwas ruhiger; zwar war seine Stimmung noch getrübt durch den Tod seines ältesten Sohnes Giovanni vor einigen Monaten, doch er konnte den schönen Herbstmorgen genießen, als er sein Haus verließ, das gegenüber der Kirche stand.

      Signor Toccabelli war ein stattlicher und gut aussehender Mann mit einem grauen Haarkranz. Er trug heute einen hellen Anzug, und hatte eine neue, gestreifte Krawatte umgebunden. Die ungewohnte Krawatte drückte ihn am Hals, und er ruckte ab und zu mit dem Kopf oder faßte mit der Hand nach, um sie zu lockern, als aus einer Seitengasse eilig ein kleiner dicker Mann auf einem Fahrrad auf ihn zukam.

      Dieser Mann war Giuseppe Fontana, der Schweinehirt Signor Toccabellis, in seinem verschlossenen Gesicht schienen nur die Augen lebendig zu sein. - Dabei war er der gutmütigste Mensch, den man sich denken kann, der seine Frau fast ebenso sehr liebte, wie die Schweine, die er hütete. Und diese liebte er sehr.

      Giuseppe stellte das Fahrrad an das schmiedeeiserne Gitter, das den Kirchplatz einfaßte, lief Signor Toccabelli entgegen und rief keuchend:

      „Sind Sie endlich zurück?“

      „Was ist los, Giuseppe?", erwiderte Signor Toccabelli, "Ist irgendwo eine Bombe explodiert?“ Giuseppe war geschwitzt und aufgeregt, er mußte erst einmal Atem schöpfen,

      „Signore! Wissen Sie denn schon?“

      „Was soll ich wissen?“

      „Denken Sie nur!“, sagte der Mann, „Nein, Sie können es sich nicht denken!“

      „Giuseppe, beruhige dich!“, Toccabelli begann ungehalten zu werden, daß er aufgehalten wurde, „Mach's kurz! - Ich muß fort!“

      „Es ist unmöglich!“ Giuseppe breitete in einer dramatischen Geste die Arme aus, da blickte er auf Signor Toccabellis Hals, „Was haben Sie denn für eine schöne neue Krawatte umgebunden!?“

      „Nun fasse dich, Giuseppe!“

      „Diese Halunken! - Ein Zaun!“, Giuseppe sah seinen Brotgeber anklagend an, „Stellen Sie sich vor, ein richtiger Zaun!“

      „Giuseppe, was faselst du! Von welchem Zaun sprichst du?“

      „Ein hoher Zaun aus Drahtgeflecht. - Ihre armen Schweine! Wie sollen sie jetzt zur Weide gelangen?“

      „Wo? - Was? - Was für ein Zaun?“

      „Oben, auf dem Weg zum alten Schießplatz, am Palottolaio!“

      „Ja?“

      „Da steht jetzt ein Zaun!“

      „Ein Zaun? Unmöglich!“, rief Signor Toccabelli, doch er wurde nun aufmerksam.

      „Schauen Sie selbst!“, lamentierte Giuseppe, „Ihre Schweine . . . Ich kann sie nicht mehr zur Weide treiben, sie müssen verhungern. Und gerade dieses Jahr sind es soviele Ferkel, Sie wissen ja, dreizehn Ferkel! Wenn das kein Unglück bringt, hat meine Frau immer gesagt, dreizehn!,- hat sie gesagt. - Und, nun!? Sehen Sie! Das Unglück ist da!“

      „Ein Zaun? - Das war doch niemand anders als dieser Teufel Signor Botello!“, zischte Toccabelli mit zusammengepreßten Zähnen.

      „Ja! Dieser Halunke, dieser Halsabschneider . . . “ Ein Schwall Beschimpfungen ergoß sich aus Giuseppes Mund. Signor Toccabelli sagte:

      „Das soll er bereuen! Giuseppe, ich muß fort. Treibe die Schweine einstweilen auf das abgeerntete Kohlfeld! - Oder führe sie über den Gemeindeweg, den Sintiero!“ Und damit ging er zu seinem Wagen.

      Giuseppe blieb mit offenem Mund zurück, während Toccabelli fahrig und behender als sonst seinen Wagen bestieg, Castellina verließ und in der nächsten größeren Ortschaft bei einem ihm bekannten Bauunternehmer anhielt und mit ihm ein kurzes Gespräch führte.

      Als er händereibend das tempelartige Büro-Gebäude des Bauunternehmers verließ, - es war übrigens derselbe, den Signor Botello beauftragt hatte, aber das verschwieg der schlaue Geschäftsmann natürlich, - war Signor Toccabelli so guter Dinge, daß er seine ursprüngliche Verabredung mit seinem Geschäftspartner in Cefalú vergessen hatte, obwohl es um eine beträchtliche Summe Geld ging.

      Gemütlich und mit neu gewonnener Seelenruhe trödelte er mit seinem Wagen die Landstraße entlang und erfreute sich an dem frischen Grün nach den ersten kurzen Regenfällen in diesem Herbst, plötzlich fiel sein Blick auf die Uhr und er wurde blaß, „Schon dreiviertel elf! - Um halb elf wollte ich dasein!“

      8. Kapitel

      Wenig hatte in den letzten Jahren so für Aufruhr in Castellina al Monte Largo gesorgt, wie die Sache mit dem alten Schießplatz. Der Schießplatz, der schon jahrelang nicht mehr benutzt worden war, war im Vorjahr von der Militärverwaltung versteigert worden, und Signor Botello und Signor Toccabelli, die neben dem Apotheker Signor Meirelas zu den wenigen Wohlhabenden im Ort gehörten, hatten jeder ein Stück davon ersteigert, - und jeweils einen Teil des dazugehörigen Militärweges, der zur Küste und zum Dorf und zur Bleigrube führte.

      Die Nachricht von dem Zaun, der den alten Militärweg absperrte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Castellina. Schon abends war der Ort in zwei Lager gespalten, die Anhänger von Signor