Maja M. Scharf

Die Galloway Geschwister


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gesenkt zu halten. Musste das denn sein? Ich hatte noch keine zwei Sätze mit Simon geredet und schon fing meine Mutter an, uns zu verkuppeln. Ich war das gewohnt; als ich Eric kennen lernte, hatte meine Mutter zunächst auch öfter peinliche Anspielungen gemacht, bis sie eines Tages endlich eingesehen hatte, dass es zwischen Eric und mir keinerlei Romantik gab. Meine Mutter würde es wahrscheinlich nie zugeben, aber es schien ihr viel mehr auszumachen als mir, dass ich mit meinen achtzehn Jahren noch nie einen Freund gehabt hatte.

      „Nein, Ma’am“, antwortete Simon höflich.

      Guck ihn jetzt bloß nicht an, sagte ich mir leise. Oder doch? Ich seufzte kaum merklich und erhob mich erstmal, um die Dessertteller abzuräumen. Ich war froh, dass ich meiner Mutter und Simon und Samuel Galloway für einen Moment den Rücken zuwenden und in aller Ruhe meine Augen verdrehen konnte.

      Ich hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel, und eine Sekunde später kam Steven in die Küche. „Guten Abend“, sagte er freundlich.

      Ich wandte mich wieder um und lächelte Steven an.

      Simon und Samuel erhoben sich und schüttelten Steven die Hand, während meine Mutter mir beim Abräumen half.

      „Samuel, haben Sie Lust, mit meinem Mann und mir noch ein Glas Cognac im Wohnzimmer zu trinken?“, fragte sie schließlich lächelnd.

      Ich funkelte meine Mutter unauffällig an; zwischen den Zeilen konnte ich ganz genau lesen, dass sie mich nur mit Simon allein lassen wollte, damit wir die Gelegenheit bekamen, uns näher kennen zu lernen. Ich seufzte genervt und fragte mich einen Moment lang, was wohl in dem Kopf meiner Mutter vorging.

      Ich räumte das Geschirr in die Spülmaschine und als ich mich wieder aufrichtete, waren meine Mutter, Steven und Samuel Galloway bereits im Wohnzimmer verschwunden. Simon stand am Küchentisch und sah mich an.

      Augenblicklich beschleunigte sich mein Herzschlag. Ich war allein mit ihm.

      „Hey“, war das erste Wort, das aus meinem Mund kam.

      Simon runzelte kaum merklich die Stirn, dann schmunzelte er belustigt. „Hey“, erwiderte er leise.

      Jetzt sprich ihn auf Samstag an!, sagte ich mir und ging einen Schritt auf Simon zu.

      Ich öffnete meinen Mund. „Und von wo seid ihr hergezogen?“ Feigling!

      Simon grinste. „Ich wusste doch, dass du vorhin überhaupt nicht zugehört hast“, meinte er.

      Ich lächelte. „Jedenfalls nicht aufmerksam“, gab ich verlegen zu.

      „Wir sind aus der Stadt hergezogen.“

      Ich biss mir auf die Lippe und überlegte fieberhaft, wie ich ihn am besten auf das, was im Einkaufszentrum passiert war, ansprechen sollte. „Hör mal, ich wollte dich etwas fragen“, begann ich zögerlich, „wegen Samstag … was da im Einkaufszentrum geschehen ist …“

      Simon sagte nichts, doch ich meinte zu merken, wie er sich leicht anspannte.

      „Das warst doch du, nicht wahr?“, fragte ich leise.

      Simon schluckte und sah mir unsicher in die Augen. „Würdest du mich kurz entschuldigen?“, fragte er unvermittelt und ließ mich allein in der Küche.

      Ich zog überrascht meine Augenbrauen hoch und wandte mich wieder der Spüle zu. Ich ließ heißes Wasser hinein und begann mit dem Abwasch der Töpfe und Pfannen, um mich vom Warten abzulenken.

      Es dauerte ein paar Minuten, bis jemand zu mir in die Küche kam. Ich wollte Simon gerade erneut nach Samstag fragen, als meine Mutter sich neben mich an die Spüle stellte und anfing, das saubere Geschirr abzutrocknen.

      Stirnrunzelnd sah ich mich um. „Wo sind Simon und Samuel?“, wollte ich wissen.

      „Sie sind gerade gegangen“, antwortete meine Mutter verblüfft. „Simon sagte, er hätte sich von dir verabschiedet.“

      „Nicht wirklich“, entgegnete ich. Beim weiteren Abwaschen war ich wütend.

      Als ich später in meinem Bett lag, fragte ich mich, warum Simon mir derart ausgewichen und abgehauen war, ohne sich zu verabschieden. Was sollte das denn?

      Glaubte er etwa, ich würde ihn nicht erneut darauf ansprechen? Natürlich würde ich das, wir gingen jetzt in dieselbe Klasse und waren Nachbarn. Plötzlich kam mir ein anderer Gedanke und ich musste grinsen; wir waren Nachbarn. Ich musste an Millie denken und was sie für ein Gesicht machen würde, wenn sie das erfahren würde! Vermutlich würde sie mich ab jetzt sehr viel öfter besuchen kommen.

      5

      Ich schlug meine Augen auf und kniff sie sofort zusammen, da ich in blendend helles Sonnenlicht geguckt hatte, das durch das Fenster in mein Zimmer schien. Für einen Moment befürchtete ich, dass ich verschlafen hatte und fuhr hoch, doch ein Blick auf meinen Radiowecker sagte mir, dass es gleich sieben Uhr morgens war. Erleichtert lehnte ich mich zurück und atmete tief durch.

      Dann stand ich auf, streckte mich und ging ins Badezimmer. Während ich mich im Spiegel betrachtete und meine dunkelbraunen Haare kämmte, tauchte automatisch Simon wieder in meinen Gedanken auf und blieb hartnäckig dort. Ich konnte ihn weder beim Frühstück noch beim Fertigmachen vertreiben und auch als ich zu meinem Auto ging, war ich noch in Gedanken an ihn versunken.

      „Amelia?“, hörte ich plötzlich eine Stimme rufen und ich zuckte zusammen.

      Als ich nach dem Inhaber der Stimme Ausschau hielt, fiel mein Blick auf niemand anderen als Simon Galloway, der über die Hecke von seinem auf unser Grundstück spähte und mich anlächelte. „Guten Morgen.“

      Ich trat etwas näher an die Hecke und erwiderte sein Lächeln. „Morgen“, sagte ich.

      Eine peinliche Stille folgte, in der wir uns nur ansahen und anscheinend beide nicht wussten, was wir sagen sollten. Ich wollte mich gerade abwenden und die Autotür öffnen, als Simon fragte: „Fährst du zur Schule?“

      Ich nickte und überlegte kurz, ihn zu fragen, ob ich ihn mitnehmen sollte, doch ich brachte schon wieder keinen Ton heraus.

      „Ja, ich auch“, sagte Simon. „Wollen wir zusammen fahren?“

      Nach der Art und Weise, wie er gestern Abend förmlich vor mir geflohen war, überraschte mich dieses Angebot. Dennoch brachte ich ein Lächeln zustande und nickte. „Okay.“

      „Willst du fahren oder ich?“, fragte Simon und setzte ein leicht gezwungen wirkendes Lächeln auf.

      Ich sah ihn nachdenklich an und beschloss, ihn auf der Fahrt erneut auf Samstag anzusprechen, dann sagte ich: „Ich fahre. Aber ich muss noch meine Freundin Millie mitnehmen.“

      „Okay“, nickte Simon und ging zur Straße, wo er auf mich wartete.

      Als ich meinen Audi aus unserer Einfahrt bugsiert hatte, hielt ich neben ihm an und er stieg auf der Beifahrerseite ein. Mein Herzschlag verschnellerte sich augenblicklich.

      So gelassen wie möglich, fuhr ich los und malte mir in Gedanken aus, wie Millie gucken würde, wenn sie sah, wer hier in meinem Auto saß. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

      Gerade als ich Simon wieder nach Samstag fragen wollte, kam er mir zuvor. „Wegen gestern bin ich dir vermutlich noch eine Erklärung schuldig“, sagte er ernst.

      Überrascht sah ich ihn an. „Ach was“, sagte ich sarkastisch und wandte meinen Blick wieder nach vorn auf die Straße. „Ich habe schon ein paar eigene Erklärungen für dein Verhalten gefunden.“

      „Und die wären?“, fragte Simon und klang amüsiert.

      „Entweder dir bekam das Essen meiner Mutter nicht“, sagte ich, „oder du bist einfach total verrückt. Oder du bist mir ausgewichen, weil du keine Erklärung für deine Rettungsaktion im Einkaufszentrum hast.“

      Simon lächelte. „Letzteres trifft zu“, meinte er.