Maja M. Scharf

Die Galloway Geschwister


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ein paar Schichten Haut gekostet“, gab Eric trocken zurück.

      Ich schüttelte lachend den Kopf. „Das kommt davon, wenn man auf einer Party einschläft“, meinte ich.

      „Eine Party, auf der du Gast bist“, korrigierte Eric mich und wir tauschten einen kurzen grinsenden Blick aus.

      Wir hatten unsere Wohnsiedlung inzwischen hinter uns gelassen und fuhren jetzt eine Straße hinunter, an deren Seiten sich keine Villen mehr, sondern ganz normale Ein- oder Mehrfamilienhäuser befanden.

      „Heute Morgen hatte ich schon fast einen Unfall“, sagte ich nach einer Weile.

      Eric sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wie denn das?“, wollte er wissen.

      Ich stieß einen genervten Seufzer aus. „Wie’s aussieht, sind die neuen Nachbarn eingezogen“, antwortete ich. „Jedenfalls hat ihr blöder Geländewagen mir vorhin die Vorfahrt genommen und meinen kleinen Audi beinahe platt gemacht.“

      „Oh Mann“, sagte Eric, dann grinste er belustigt. „Dann passen sie ja in eure Wohngegend.“

      Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse und verdrehte die Augen. „Sieht so aus“, seufzte ich.

      „Im Moment scheinst du ungewöhnlich viele Beinahe-Unfälle zu haben“, murmelte Eric nachdenklich.

      Ich schnaubte.

      „Hast du dich denn mittlerweile von dem Ereignis im Einkaufszentrum erholt?“, wollte Eric wissen.

      Ich zwang mich dazu, den mysteriösen Jungen nicht allzu weit in meine Gedanken hineinzulassen. Schweigend nickte ich.

      „Gestern in den Nachrichten hieß es, die Ursache sei immer noch unklar“, sagte Eric nachdenklich, „und dass es ein Wunder sei, dass niemandem etwas passiert ist.“

      „Naja, wenn dieser komische Junge nicht gewesen wäre, dann wäre mir ganz schön viel passiert“, meinte ich.

      Daraufhin schwiegen wir eine Weile, bis Eric mich schließlich fragte, ob wir Millie mit zur Schule nahmen.

      Ich nickte und hielt zwei Minuten später vor Millies Haus an. Sie stand bereits an der Straße und erwartete uns. Zum Glück hatte mein Auto vier Türen und so konnte Millie jetzt bequem hinten auf die Rückbank steigen.

      „Der Typ von der Party hat sich gestern wieder bei mir gemeldet“, lautete ihre genervte Begrüßung.

      Prompt breitete sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus. „Ist nicht dein Ernst?“, entgegnete ich amüsiert.

      „Irgendjemand hat ihm wohl meine Handynummer gegeben“, seufzte Millie. „Jetzt muss ich mir wohl eine neue besorgen.“

      „Tja, er war ja am Samstag schon total anhänglich“, grinste ich und fädelte mich wieder in den Verkehr ein. „Und jetzt hat er sich offenbar zu einem professionellen Stalker entwickelt.“

      Millie stöhnte genervt. „Ich will’s nicht hoffen.“

      Eric wandte sich zu ihr um und fragte vergnügt: „Dein wievielter Stalker wäre das denn?“

      Millie funkelte ihn an. „Ich hoffe, du warst nicht derjenige, der ihm meine Nummer gegeben hat.“

      Eric schüttelte den Kopf, grinste aber weiterhin breit. „Nö, aber ich finde es trotzdem lustig.“

      „Ist es aber nicht“, entgegnete Millie.

      „Ach, das ist doch nicht dein erster Stalker, Millie, du kennst dich doch damit aus und weißt, was zu tun ist“, meinte Eric, wandte sich wieder nach vorne und lehnte sich in seinem Sitz zurück.

      Millie schien es vorzuziehen, darauf nicht einzugehen. Stattdessen wandte sie sich mir zu. „Wie geht’s dir, Am’?“, fragte sie.

      Ehe ich antworten konnte, rief Eric: „Amelia hatte heute schon fast einen Unfall.“

      Ich runzelte belustigt meine Stirn und warf Millie im Rückspiegel einen Blick zu. Sie sah mich fragend an und ich erzählte ihr von dem schwarzen Geländewagen, der aus der Einfahrt gerast kam und mich zu Tode erschrocken hatte.

      „Oh je“, sagte Millie, als ich auf den Schulparkplatz fuhr. „Das klingt ja nach einem typischen Nachbarn für eure Gegend.“

      „Hab ich auch gesagt“, grinste Eric.

      Ich verdrehte meine Augen und parkte in einer freien Parklücke. Wir stiegen aus dem Wagen aus, ich schloss ihn ab und wir machten uns auf den Weg ins Gebäude.

      Als wir bei unseren Spints stehen blieben und ich meinen öffnete, lehnte Millie sich mit dem Rücken gegen ihren und fragte lustlos: „Hast du die Physikhausaufgaben gemacht?“

      Ich schmunzelte. „Du etwa nicht?“

      Statt zu antworten verzog Millie ihr Gesicht zu einer Grimasse.

      „Hast in Gedanken wohl schon Ferien, was?“, spottete Eric.

      Millie verengte ihre Augen zu Schlitzen und funkelte ihn böse an.

      Eric grinste nur und sagte: „So, ich muss los. Wir sehen uns in der Pause.“ Und mit einem letzten Augenzwinkern drehte er sich um und lief den Flur runter, wo seine Freunde bereits in der Tür zum Klassenzimmer auf ihn warteten.

      Ich packte meine mitgebrachten Bücher und Ordner in meinen Spint und nahm nur die Unterlagen für die erste Stunde in die Hand.

      Plötzlich richtete Millie sich unvermittelt auf und fuhr mit ihrer Hand durch ihr langes blondes Haar. Stirnrunzelnd sah ich sie an, doch ihr Blick war starr geradeaus gerichtet, auf irgendetwas – oder irgendjemanden – hinter mir.

      „Wer ist denn das?“, hauchte sie aufgeregt.

      Ich folgte ihrem Blick, konnte allerdings niemand wirklich Interessanten entdecken. „Wen meinst du?“, erwiderte ich verwirrt.

      „Wer auch immer es gewesen ist, er ist gerade in den Klassenraum gegangen, in dem wir jetzt Unterricht haben“, meinte Millie und klang so entzückt, dass ich mir ein Lachen verkneifen musste.

      Kopfschüttelnd ging ich auf unseren Klassenraum zu.

      Millie folgte mir aufgeregt. „Das bedeutet, er kommt in unsere Klasse!“

      „Na und?“, fragte ich achselzuckend.

      „Na und?“, wiederholte Millie ungläubig und packte mich am Arm. „Wie sehe ich aus?“

      Ich grinste und musste mich zusammenreißen, um nicht wieder die Augen zu verdrehen. „Gut“, antwortete ich und ging an Millie vorbei in den Klassenraum. Wer auch immer unser neuer Mitschüler war, er musste ziemlich hübsch sein, um Millie derartig aus der Fassung zu bringen. Ich schaute mich jedoch nicht großartig im Raum um, sondern setzte mich direkt an meinen Platz und wartete darauf, dass Millie sich zu mir gesellte. Ich schlug meinen Ordner auf und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum, als Millie endlich das Klassenzimmer betrat. Mit einem halb belustigten, halb genervten Stirnrunzeln stellte ich fest, dass sie sich auf dem Flur offenbar noch ein wenig nachgeschminkt hatte. Sie stolzierte geradezu in den Raum hinein, schüttelte ihre blonde Mähne kurz, warf einen auffälligen Blick nach hinten in die letzte Reihe und ließ sich dann endlich neben mir nieder.

      Ich beobachtete sie fasziniert. „Muss ja ziemlich gut aussehen“, wisperte ich ihr belustigt zu.

      Sie wandte sich mir zu und starrte mich an. „Ziemlich gut?“, wiederholte sie. „Hast du ihn denn noch gar nicht gesehen?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Nein, und jetzt will ich mich lieber auch nicht umdrehen“, sagte ich leise.

      „Ziemlich hübsch ist die Untertreibung des Jahrhunderts“, murmelte Millie ernst, als unser Physiklehrer Mr. Fisher das Klassenzimmer betrat. Augenblicklich wurde es ruhig und Mr. Fisher begrüßte uns freundlich. Er war einer meiner Lieblingslehrer und ich – oh Mann, nicht zu fassen, dass ich das sagte – eine seiner Lieblingsschülerinnen, was wohl hauptsächlich daran lag, dass ich im