Martin Winterle

Brief an Marianne


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Sie hätte den Hansjörg gar nicht erkannt, in dem Aufzug. Heute ganz Ingenieur, nicht mehr der sonstige Standartpunker, modischer Haarschnitt frisch vom Friseur, mit weinroter Krawatte zum hellgrauen Anzug. Er lotste sie zu den ausgestellten, bereits bewerteten Projekten, tippte einem Kollegen auf die Schulter.

      >Darf ich dir deine Mutter übergeben, sie hat dich gesucht! <

      Marianne wäre nun wirklich um ein Haar aus den Latschen gekippt. So elegant hatte sie ihren eigenen Sohn, letztmals bei seiner Firmung gesehen. Zum fast schwarzen, leicht in sich gemusterten Anzug mit passendem Gilet, trug er ein weißes Hemd, eine schmale, hochmodische, leicht silberblau glänzende Krawatte.

      >Hi Mutsch, super das du schon da bist, es ist noch Zeit, komm ich erklär dir gleich mein Projekt. <

      Nun war er doch ein wenig aus dem Häuschen, zeigte deutliche Merkmale steigernder Nervosität, ihr großer Sohn. Zog sie an der Hand ein paar Meter zur Seite. Blieb an einem der aufgestellten Tische stehen. Ein angeklebtes Schild mit seinem Namen, zeigte schon von weitem, wer der Aussteller war, was das präsentierte Teil darstellen sollte bzw. für was es Verwendung finden könnte. Sie ließ sich in aller Ruhe, mit wachsendem Stolz, sein Wunderwerk erklären.

      Alleine schon, mit welcher Selbstverständlichkeit(die linke Hand in der Hosentasche…), er ihr, sein Meisterstück vorführte, gab ihr die Sicherheit, dass es bei der Matura gut gegangen sein müsste. Darauf angesprochen, meinte ihr Filius locker, alle Fragen, schriftliche wie mündliche, beantwortet zu haben. Die Projektpräsentation sei auch nicht schwieriger gewesen, als deren jetziges Da capo für seine „Mutsch“. Froh darüber zu sein, dass endlich alles vorüber war, gab er schon zu…

      Das Professorenkollegium versammelte sich auf dem Podium.

      Zunehmend wurde es ruhiger in dem großen Raum.

      Solange es Sitzplätze gab, wurden diese besetzt, die restlichen Schüler, Eltern, Freunde warteten stehend, auf den Beginn der Festlichkeit. Für Marianne und ihren Sprössling, waren sich nur noch Stehplätze, diese aber dafür mit guter Sicht zum Podium, ausgegangen. Sie hatte sich umgesehen, von den Müttern war sie eine der Jüngsten, wenn nicht überhaupt die Jüngste. Sie war Einundzwanzig gewesen, bei der Geburt, ihr Großer wurde neunzehn, macht zusammen vierzig. Sie konnte rechnen so oft sie wollte, es blieb bei diesem Ergebnis.

      Eine Dame, etwa in ihrem Alter, betrat die Bühne, stellte das Mikrofon auf sich ein und sich vor.

      In Vertretung, des leider erkrankten Institutsleiters, habe sie als dessen Stellvertreterin die Ehre und Freude, die diesjährige Maturafeier leiten zu dürfen. Stellte die fünf technischen Richtungen vor, welche die anwesenden Damen und Herren, in den letzten fünf Jahren belegt hatten. Deren Erfolg nun gefeiert werden soll.

      Alphabetisch riefen die Klassenvorstände ihre Schüler auf die Bühne, übergaben mit Gratulationsworten das Maturazeugnis. Die Vizedirektorin, in perfekt sitzenden modisch kurzem, hellbeigen Kostüm kombiniert mit weinroten Pumps(Marianne hatte sie genau im Visier, die Frau Dipl.-Ing…), gab ebenfalls jedem, ihrer, nun ehemaligen Schüler, gratulierend die Hand.

      Jetzt war die Klasse ihres Sohnes an der Reihe. Nur, nach dem Alphabet, wäre er längst aufgerufen worden, wieso fehlte er in der logischen Reihenfolge? Marianne sah ihren Nachwuchs etwas ratlos an, dieser hob nur, sich unwissend stellend die Schultern, lächelte seine Mutter schräg an, sagte kein Wort. Nachdem alle fünf Lehrrichtungen, ihre Zeugnisse erhalten hatten, trat die Direktorin erneut vor das Mikrofon:

      >Verehrter Herr Rektor(der techn. Universität…), sehr geehrte Herren der Ingenieurs- und Architektenvereinigung, der Wirtschaftskammer, ich darf sie herzlich zu dieser würdigen Feier in der Aula unseres Instituts willkommen heißen, schön dass sie sich Zeit nehmen konnten. Ich bitte sie nun, zu mir auf die Bühne zu kommen(devoter Applaus…).

      Dankbar willkommen heißen, darf ich das komplette Professorenkollegium unseres Hauses, das so wesentlich am Zustandekommen, dieses außerordentlichen erfolgreichen Jahrganges, mitgewirkt hat(dankbarer Applaus…).

      Liebe Eltern, Großeltern, Freunde unserer heute Gefeierten, sie alle heiße ich hiermit besonders herzlich willkommen. Und natürlich, last but not least, die heute zu recht gefeierten, Abgänger, die erfolgreich, wie selten ein Jahrgang zuvor, ohne einen einzigen Ausfall, alle einen positiven Abschluss erarbeiten konnten(stürmischer Applaus…).

      Nun aber darf ich zum Höhepunkt unserer Feier kommen. Erfolgreich eine so schwierige Ausbildung zu absolvieren, dabei besser noch zu sein als die Guten. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die Ausgezeichneten. Und da haben wir in diesem Jahr gleich mehrere. <

      Sich an die, zwischenzeitlich neben ihr Aufstellung genommenen Honoratioren wendend, fuhr sie fort:

      >Sehr verehrter Herr Rektor, für die Fachrichtung Maschinenbau, konnten wir in diesem Jahr eine besonders verdiente Auszeichnung vergeben. Der junge Mann hat für sein Projekt auch gleichzeitig den Ehrenpreis der VÖST erhalten. Wir gratulieren herzlich, bitten jetzt zu uns auf die Bühne zu kommen – Herrn…

      (diesmal ehrlicher, gewaltiger Applaus…)

      Ihr begannen die Knie zu schlottern, konnte nicht glauben, gerade laut und deutlich, den Namen ihres Großen, vernommen zu haben. Rasch noch ein kurzer, liebevoller Blick von ihr, ein schelmisches Lächeln als Antwort. Lässig schwang er sich die drei Stufen hinauf. Der Rektor übergab, mit sehr persönlichen Worten die Urkunde, das Zeugnis und eine elegante, dunkle Mappe. Die Direktorin gratulierte mit stolz geschwellter Brust ebenso herzlich. Beim nächsten Gratulanten blieb er ein paar Sekunden länger, dessen Hand drückend, sich herzlich bedankend, stehen, seinem Klassenvorstand.

      >Mein Großer, mein Gott, bin ich stolz auf dich! Ich kann´s gar nicht fassen, du bist echt der reine Wahnsinn! Ich glaub´s einfach nicht. Mein Sohn der Beste von der ganzen Klasse! <

      Marianne drückte ihn an sich, so fest sie konnte, gab ihm einen dicken Schmatz auf die Wange, hatte nasse Augen bekommen. Sie war außer sich vor Freude. In diesem Moment nur eines, die restlos glückliche Mama.

      >Lädst du mich dafür zum Griechen ein, Mutsch? Hab ich mir ein Festessen verdient, oder nicht? Ich hab ehrlich gesagt schon Kohldampf. Wird aber noch ein wenig dauern, bis alles vorüber ist. Wir sollten anstandshalber bleiben. <

      Fragte ihr Großer, leise in ihr Ohr flüsternd, um die Veranstaltung nicht zu stören.

      Natürlich lud sie ihn zum Griechen ein, hatten sie doch heute wirklich allen Grund zum ausgiebig feiern.

      Während sie, immer wieder unterbrochen durch applaudieren, sich mit den anderen Ausgezeichneten, über deren Erfolg freuten, fielen ihr Bilder ein, aus der Kinderzeit, ihres heute, so erfolgreichen Maturanten.

      Wie sehr hatte er sich immer mit seinen Legosteinen abgemüht, um eine neue Maschine, wie er es nannte, zu erfinden. Stundenlang konnte er, am Boden seines Kinderzimmers sitzen, die bunten Steine zusammenfügen, wieder zerlegen um sofort erneut mit dem Zusammenbau zu beginnen. Diese Konstruktionen dann, voll Stolz mit hochrotem Kopf, ihr in die Küche brachte, nicht fertig wurde, mit erklären.

      Wie lange ist das schon her, wieviel Zeit dazwischen vergangen, wieviel passiert, in ihrem Leben…

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