Arno von Rosen

Exlux


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es in ihm noch brodelte.

      „Dass ihre Kollegin, Frau Koenig, ihren Vater besuchen wollte, kann ich nicht verhindern, aber was wollten sie an dem Tag bei Dr. Koenig, Herr Kremer?“

      Kurt Weiler betonte das „Herr Kremer“, sodass es sich anhörte wie ein Peitschenhieb, und nicht wie eine höfliche Anrede. Bevor Frank antworten konnte, meldete sich Sarah zu Wort.

      „Mein Vater hatte mich und meinen Kollegen zum Herbstfest eingeladen, und Polizeihauptkommissar Kremer wollte sich dafür persönlich bedanken. Das macht man in der Regel, wenn man eine gute Kinderstube genossen hat, Herr Polizeipräsident. Wäre mein Kollege übrigens an diesem Tag nicht mit gekommen, könnten wir jetzt nicht so entspannt miteinander plauschen, denn dann wäre ich bereits tot. Im Übrigen wusste ich nicht, dass wir für unser knappes Privatleben auch noch Rechenschaft ablegen müssen.“

      Während bei Kurt Weiler eine dicke Ader auf der Stirn anfing zu pochen, konnte sich Frank ein Grinsen nicht verkneifen. Anscheinend fand Sarah zu ihrer alten Form zurück. Gut so! Weiler konnte nur mühsam seinen Zorn unterdrücken.

      „Bevor sie wieder zurückkehren können, werden sie von unserem psychologischen Dienst untersucht, und den Gesundheitscheck müssen sie dann auch noch bestehen. Ich denke also, dass sie noch eine Weile keinen Dienst tun, und sich so ihrem Privatleben widmen können. Soweit es sie betrifft, Kremer, haben sie noch etliche Überstunden und Urlaub zu nehmen.

      Ich will sie beide mindestens drei Wochen nicht mehr sehen, und noch weniger von ihnen hören!“

      Er riss die Tür auf, und schlug sie krachend hinter sich zu. Als er den Gang hinunter eilte, hörte es sich an, als ob Sturmtruppen das Gebäude verließen.

      „Ich weiß nicht, ob es so klug war, den Alten so zu provozieren. Der Spaß könnte nach hinten losgehen.“

      „Es ist mir lieber, er ist auf mich sauer, als auf dich, Frank. Wer weiß, ob ich bald wieder im Dienst bin, zumindest damit hatte er ja Recht. Ich muss mich jetzt auch noch um den Nachlass meines Vaters kümmern, und mir Gedanken machen, ob ich die Firma weiter führe, oder ob ich das Unternehmen veräußere. Diese Woche habe ich einen Termin beim Rechtsanwalt meines Vaters, und dann habe ich eine Vorstellung davon, was auf mich zukommt. Ich würde mich freuen, wenn du mitkommst, Frank. Zeit hättest du ja jetzt dafür.“

      Frank dachte kurz nach, und brummte zustimmend.

      „Mein Sohn ist ohnehin noch in den Ferien, und ich kann sehen, ob du eine gute Partie bist.“ Er grinste über das ganze Gesicht, und Sarah zog einen Schmollmund, und tat leicht beleidigt. Sie gab ihm einen Klaps auf den Po, und schob ihn in Richtung Ausgang.

      „Na, dann gehen wir jetzt etwas essen, und anschließend darfst du mir dann eindrucksvoll beweisen, warum ich mich weiter für dich interessieren sollte.“

      Frank rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum, und sah in Richtung Tür, als ob er sich auf eine plötzliche Flucht vorbereiten wollte. Sie saßen in einem Büro, das eher wirkte wie ein Ballsaal, und an dessen Wänden etliche Regale befestigt waren, mit noch mehr Büchern, die bis hinauf zur Decke reichten, welche annähernd drei Meter hoch war.

      Der Anwalt saß hinter einem gewaltigen Schreibtisch, der uralt war, gedrechselte Beine hatte, und eine auf Hochglanz polierte Schreibtischplatte, auf der nur sehr wenige Dinge zu finden waren. Einen Computer, oder andere technische Einrichtungsgegenstände waren nicht zu sehen. Der Anwalt war in ein umfangreiches Schriftstück vertieft, was er durch eine kleine Brille las, die bis auf seine Nasenspitze gerutscht war.

      Sarah wirkte sehr entspannt, aber Frank wusste, dass dies nur vorgetäuscht war. Sie hatte nicht damit gerechnet, hier überhaupt irgendwann zu sitzen, um sich das Testament, oder die Vermögenswerte ihres Vaters, erläutern zu lassen. Der Anwalt räusperte sich, und blinzelte über den Rand der Brille zu seiner Mandantin hinüber.

      „Nun Sarah, wir kennen uns jetzt, seit du fünf Jahre alt bist, und mit deinen Vater habe ich noch einige Jahre länger zu tun. Ich habe mich im Laufe der Zeit mehr als einen Freund gesehen, und nicht mehr so sehr als euren Anwalt“, teilte er in väterlichem Tonfall mit.

      „In dem Nachlass deines Vaters, stehen viele persönliche Dinge für dich, die du besser selber liest, als das ich alter Knopf sie dir vorlesen sollte. Mit deiner Erlaubnis fasse ich die Situation zusammen, und du kannst dir anschließend das Testament durchlesen, und mir Fragen stellen, falls du welche hast, wovon ich ausgehe.“

      Bernhard von Mühlen warf einen prüfenden Blick auf den Kriminologen, und Sarah ergriff die Hand von Frank zur Bestätigung, dass sie die Anwesenheit ihres Freundes wünschte. Bernhard von Mühlen war weit über siebzig, und betreute nur noch wenige Mandanten selber. Die meisten Klienten wurden von seinen Partnern bearbeitet, und nur hin und wieder kam er selber in die Kanzlei, um einen seiner langjährigen Freunde zu beraten. Die Stunden stellte er selten in Rechnung, es sei denn, dass sich daraus ein wirklicher Fall ergab, der ein Verfahren nach sich zog.

      Er hatte nicht die üblichen Hobbys seiner Kollegen, wie Golf, teure Autos, oder noch teurere Frauen, sondern verbrachte seine freie Zeit auf einem Landgut in der Toskana, baute seinen eigenen Wein an, und das schon seit mehr als 30 Jahren. Er war seit fast einem halben Jahrhundert mit derselben Frau verheiratet, welche immer seltener mit nach Deutschland kam, wenn er einen Termin wahr nahm, sondern blieb lieber in Italien, um die Sonne zu genießen, oder Spaziergänge durch die eigenen Rebstöcke zu machen. Er nahm einen Schluck Wasser, und legte die Papiere vor sich auf den Schreibtisch.

      „Dein Vater war ein schwerreicher Mann, nach sämtlichen Maßstäben, die man anlegen kann. Die meisten Geschäfte haben wir gemeinsam abgewickelt, und selten hat Karl Geld verloren, wenn er ein Projekt angefasst hat. Natürlich hat in den letzten Monaten das Unternehmen gelitten, seit er tot ist, und sich kein Familienmitglied um die Geschäfte kümmert, aber es läuft alles andere als schlecht.

      Seit ein paar Jahren hat dein Vater allerdings sein Vermögen umgeschichtet. Die Immobilien sind fast alle verkauft, bis auf die Villa und ein Ferienhaus in Italien. Anschließend hat er die Immobilien, soweit notwendig, wieder zurück gemietet. Seine Aktienpakete wurden mit beträchtlichen Gewinnen veräußert, und die Beteiligungen an anderen Unternehmen und Produktionsstätten hat er zu Bargeld gemacht. Einige dieser Geschäfte habe ich für ihn selber abgewickelt, aber was er mit den Erlösen gemacht hat, weiß ich nicht.“

      Bernhard von Mühlen machte eine kurze Pause, um sich zu sammeln, und um mit seinen dünnen, feinen Händen, die Dokumente zu ordnen.

      „Dein Vater hat in den letzten Jahren insgesamt fast 1,1 Milliarden Euro an Bargeld eingenommen. Er hat einen Fond für dich und Carola eingerichtet, mit 20 Millionen Euro, aus dem eure Versorgung gewährleistet wird. Dazu kommen die laufenden Einnahmen aus den Geschäftstätigkeiten, und ein Bargeldkonto mit knapp 2 Millionen Euro, über das ihr sofort verfügen könnt.“ Er machte eine Pause, und Sarah hatte das Gefühl, dass jetzt etwas von Bedeutung folgen würde.

      „Solltest du dich dafür entscheiden, dass Unternehmen zu leiten, gehört es in zwei Jahren dir, und du kannst dann damit machen was du willst, ansonsten gehen die Geschäftsanteile auf die Partner über, und du wirst mit einem Betrag von 1 Million Euro abgefunden. Durch den plötzlichen Tod deines Vaters, ist das Unternehmen allerdings in eine Schieflage geraten, und es fehlen im Moment zirka 5 Millionen liquide Mittel, für Steuervorauszahlungen und Produktionen, die bereits letztes Jahr in Auftrag gegeben wurden.“

      Der Anwalt führte weiter die Geschäftstätigkeiten von Karl Koenig aus, und zählte die vielen Standorte auf, an denen Sarahs Vater geschäftliche Verbindungen unterhielt. Nur Frank hörte zu, auch wenn er nicht alle Unternehmungen für nachvollziehbar hielt. Wahrscheinlich waren manche Firmen nur als Steuerschlupflöcher gegründet worden, aber das war nicht sein Metier. Sarahs Gedanken jedoch, überschlugen sich.

      Wer war ihr Vater? Bereits letztes Jahr, kurz vor seinem Tod, hatte sie durch die Affäre mit dem ehemaligen Polizeipräsidenten Stoll, und ihrer märchenhaften Beförderung, erste Hinweise erhalten, die ihren Vater hatten in einem anderen Licht erscheinen lassen. Danach gab es Indizien, über parallel laufende Aufenthaltsorte, mit dem mutmaßlichen Mörder von Blanke