Arno von Rosen

Exlux


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      Burton und Julie erledigten ihre Arbeiten, die über den Tag liegen geblieben waren. Ein Meeting gab es nicht, da keine Nachrichten per E-Mail gekommen waren, die eine kurzfristige Konferenz nötig gemacht hätten.

      Burton las sich die Protokolle von Armin Wester durch. Wester hatte schnell begriffen, worin seine Aufgaben bestanden, soweit er sehen konnte. Er war froh, jetzt eine echte Hilfe beim Tagesgeschäft zu haben. Es würde bestimmt noch einige Wochen dauern, bis sein Assistent in der Routine war, aber er ging davon aus, dass er sich auf ihn verlassen konnte, wenn es darauf ankam. Er hoffte darauf, dass dann auch der etwas nervöse Charakter seiner rechten Hand nachließ, und er dann etwas entspannter mit ihm arbeiten konnte.

      Julie und er hatten beschlossen, den heutigen Abend nicht zusammen zu verbringen, um kein unnötiges Risiko der Entdeckung einzugehen. Außerdem wollte er noch für eine oder zwei Stunden in den Fitnessraum gehen. Vielleicht würde er das Rauchen aufgeben. Ohnehin war es bald Winter, und damit auch für Wochen dunkel, und höllisch kalt draußen. Dann würde er nur noch zu den notwendigen Arbeiten an die Oberfläche gehen, und rauchen gehörte nicht dazu. Zudem konnte er Julie beweisen, dass er aufhören konnte, wenn er es nur wollte, auch wenn die kleinen Angriffe von ihr, auf seine Kurzatmigkeit, heute Mittag nur Spaß gewesen waren.

      Die Sonne war bereits seit einer Stunde untergegangen, als der Hubschrauber neben dem Hangar der Eisstation landete. Burton und Julie überließen es der Bodencrew, den Heli wieder in die Halle zu stellen. Weitere Flüge waren in den nächsten Tagen nicht geplant. Insgesamt hatten sie jetzt vier Messstationen installiert, und die Sensoren waren kalibriert.

      Ein Alarm bedeutete nicht sofort das Ende der Bohrungen, aber es würde zusätzliche Kosten verursachen, und Personal binden. Vor allem Julie hätte dann alle Hände voll zu tun, um mögliche Auswirkungen auf die Ölförderung zu berechnen. Das würde dann wieder zu lasten der gemeinsamen Zeit mit seiner Geliebten gehen.

      Burton stapfte die Treppe zum Hauptgebäude hoch, und hielt sich am Geländer fest. Drei Tage Außeneinsatz hatten ihn Kraft gekostet. Das Wetter war zum Glück stabil geblieben, und Julie schuftete wie immer für zwei. Trotzdem brauchte er erst einmal eine Pause.

      Er nahm sich vor, jetzt regelmäßig zu trainieren, um wieder in Form zu kommen. Julie schien das alles nichts auszumachen. Sie lächelte, und hüpfte geradezu unanständig locker die Treppe hinauf, um ihm dann auch noch die Tür aufzuhalten.

      „Nach ihnen, mein lieber Herr Doktor Miles. Und vielen Dank für die Hilfe in den letzten Tagen.“

      Burton warf ihr einen grimmigen Blick zu, den sie ignorierte.

      „Danke für die Blumen, aber die Tür kann ich gerade noch selber öffnen. Lieber würde ich wissen, ob du mit Ergebnissen noch in diesem Jahr rechnest.“

      „Eigentlich rechne ich mit gar nichts. Es ist unmöglich vorherzusagen, mit welcher Geschwindigkeit ein Eisschelf schmilzt. Das kann dieses Jahr passieren, oder niemals. Genauso wenig kann man Vulkanausbrüche genau datieren. Im Moment jedenfalls haben wir alles getan, um auf dem Laufenden zu bleiben. Sollte es Änderungen geben, informiere ich dich als ersten, OK? Ich muss jetzt wieder ins Labor, und noch die Stationen online stellen. Treffen wir uns dann auf 214?“

      Burton dachte über die viele Arbeit nach, die in den letzten drei Tagen liegen geblieben war, und wann er das alles nacharbeiten sollte, aber er rang sich ein Lächeln ab, und nickte Julie zu. Sie war hier, für ihn, der einzige Lichtblick.

      Mehr und mehr fühlte er sich gefangen im Eisturm. Am Anfang seiner Arbeit war er froh gewesen, seine Heimat, und alle Probleme hinter sich zu lassen, aber seit er sich in Julie verliebt hatte, waren ihm Gedanken eines anderen Lebensplans durch den Kopf gegangen. Er konnte sich sogar vorstellen mit Julie nach Europa zu gehen, auch weil das über 14000 Kilometer von der Antarktis entfernt war, und weit genug weg von Massachusetts, und seinen Albträumen.

      Allerdings hatte er noch nie einen der Verantwortlichen gesehen, oder gesprochen. Wenn er Personal benötigte schrieb er eine E-Mail. Es war immer dieselbe Adresse, ob er ein Reporting verschickte, oder Ausfälle, durch Krankheit oder Unfall, meldete.

      Wenn er gehen wollte, würde er wahrscheinlich auch an diese Adresse schreiben müssen. Burton hatte nur keine Vorstellung davon, wie die Gegenseite reagieren würde. Konnte er dann einfach gehen, natürlich mit einer Übergangsfrist?

      Er wusste es nicht, und würde die Frage erst stellen, wenn es soweit war. Eines wusste er aber genau. Wenn Julie die Station verließ, würde er ebenfalls gehen. Wohin auch immer.

      6. Kapitel

      Sarah fröstelte, als sie aus dem Fenster, auf die verschneiten Wege blickte. Es war ein ungewohntes Gefühl, nach so langer Zeit in ihrem Büro zu sein. Frank reichte ihr einen Becher mit frischen Kaffee, und sie sog den Duft ein, bevor sie vorsichtig daran nippte.

      Eigentlich hatten die beiden Kripobeamten bereits getrennte Büros, aber der neue Polizeichef hatte sie zum gemeinsamen Rapport einbestellt.

      Es war bereits 10 Uhr durch, und die Besprechung sollte vor über einer Stunde stattfinden. Auf dem Revier war es ruhig, wie eigentlich immer, direkt nach solchen Feiertagen, als ob das Verbrechen auch eine Pause machte, um im Kreis der eigenen Familie zu feiern.

      Frank ärgerte nur, dass sie Urlaub hatten, und er etwas Besseres zu tun hatte, als auf den neuen Polizeipräsidenten zu warten. Er konnte Sarah ansehen, dass sie noch eine Weile brauchen würde, um ihren Job wieder so zu erledigen, wie er es von ihr gewohnt war. Da half die Warterei nicht wirklich.

      Im Gang konnten sie jetzt deutlich laute Schritte hören, die sich schnell auf ihr Zimmer zu bewegten. Die Tür wurde ohne anzuklopfen aufgerissen, und ihr neuer Chef stand im Raum.

      Frank konnte in seinem Gesicht keinen Anflug von Reue sehen, obwohl sie so lange auf ihn gewartet hatten. Eher wirkte Dr. Kurt Weiler ärgerlich, aber das würde sich sicher gleich aufklären.

      „Ich habe sie herrufen lassen, um ein paar mögliche Missverständnisse aufzuklären.“

      „Guten Morgen Herr Dr. Weiler, es ist schön sie kennen lernen zu dürfen. Leider war ich in den letzten Monaten verhindert, um mich persönlich bei ihnen vorzustellen, aber jetzt können wir das ja nachholen“, unterbrach die Kriminologin die harsche Ansprache.

      Kurt Weiler war der Unterton in Sarahs Stimme nicht entgangen, aber er ignorierte die Bemerkung, und fuhr in seinem Vortrag fort.

      „Ich bin von niemandem in den Posten gehoben worden, sondern habe jahrelang dafür hart gearbeitet. Wenn ich vor ein paar Monaten schon Präsident gewesen wäre, hätte es keine Beförderungen in dieser Abteilung gegeben, zumal sie in diesem Fall nichts erreicht haben. Es ist mir schleierhaft, warum Stoll das getan hat, aber seien sie beide versichert. Bei mir gibt es keine Lorbeeren für Versagen“, bellte er den Ermittlern entgegen, und fügte mit klebriger Stimme hinzu.

      „Vielleicht lässt sich noch etwas retten, mit den neuen Ermittlern. Die neigen wenigstens nicht zu Eigenmächtigkeiten.“

      Anscheinend war Kurt Weiler seinen Ärger losgeworden, denn er verstummte jetzt, und sah aus, als ob er auf einen Angriff wartete. Sarah und Frank blieben ruhig, denn der Ruf des Gerechten, war ihrem neuen Chef schon vorausgeeilt. Tatsächlich neigte ihr neuer Präsident nicht zur Arschkriecherei, was ihn eigentlich sympathisch machte, aber andererseits seine Karriere enorm verlangsamt hatte, was er jetzt an jedem ausließ, bei dem es anders verlaufen sein könnte. Frank ergriff das Wort.

      „Wenn sie die Ermittler Wimmer und Koslowski meinen, die bestimmt gut, aber sie haben noch nie alleine in einem Mordfall ermittelt, geschweige denn in einer Mordserie. Außerdem haben wir niemanden gebeten uns zu befördern, und uns hat auch keiner gefragt. Es wurde uns lediglich von Manfred Stoll mitgeteilt, als die Sache schon gelaufen war, und wir von dem Fall abgezogen wurden, jedenfalls so gut wie abgezogen. Sie können ihn ja selber fragen, Herr Weiler.“

      „Sie können mich Dr. Weiler nennen, oder Herr Polizeipräsident, Kremer, und sie können davon ausgehen, dass ich schon