Sebastian Liebowitz

Kindsjahre


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einem Schwatz mit Plumpsklo-Odeur hielten sich also schon alleine deswegen in Grenzen. Und wenn es was zu beissen gab, stand meist ohnehin bloss dünner Zichorien Kaffee und trocken Brot auf dem Speiseplan, manchmal sogar mit Marmelade in der beliebten Geschmacksrichtung „Brombeer-Plumpsklo“. Dazu gab es von Mäusen angefressenes Brot, welches, mit zahlreichen Mauskötteln garniert, auch gut als Vielkorn-Biobrot hätte durchgehen können.

      Die frugale Kost hatte weitreichende Auswirkungen. Dazu gehörte, dass Mama immer weniger Gelegenheit hatte, am Herd zu stehen. So schwang sie den riesigen Kochlöffel bald nur noch, um uns damit den Hintern zu versohlen. Das soll nun nicht heissen, dass sie eine schlechte Köchin war, ganz im Gegenteil. Nur gab es nach dem verfrühten Ableben unserer beiden Hasen kaum mehr Gelegenheiten, bei welchen sie ihre Kochkunst hätte unter Beweis stellen können. Aber wenn, dann konnte sie aus jedem überfahrenen Dachshund noch ein leckeres Ragout zaubern. Und manchmal, so meine Vermutung, wohl auch nur aus Hund, ganz ohne Dachs. Hätten wir an der Autobahn gelebt, würden wir heute wohl alle an Gicht leiden, so aber blieb Fleisch ein seltener Genuss. Nicht nur darum wird der Nationalfeiertag, an dem Tante Gerti eine Wurst für jeden spendierte, wohl für immer unvergessen bleiben.

      An diesem Nachmittag hatte sich die ganze Familie auf der Wiese versammelt, um die Ankunft der mit Spannung erwarteten Würste..

      Entschuldigung, noch mal von vorn.

      ..um die Ankunft der mit Spannung erwarteten Tante Gerti mitzuerleben.

      Als Tante Gerti dann endlich den Pfad hinaufschnaufte, umringten wir sie aufgeregt und versuchten, einen Blick auf ihre kostbare Fracht zu werfen. Selbst Papa bereitete seiner Schwester für einmal einen erstaunlich emotionalen Empfang und umarmte sie stürmisch.

      „Ja, das Hertilein“, rief er, während er hinter ihrem Rücken in die Einkaufstasche schielte, „ja, wenn das mal keine Überraschung ist. Was hast du denn da Feines?“

      Wir warfen uns verwunderte Blicke zu. Nachdem uns Papa schon eine Woche lang mit dem Spruch „und am ersten August kommt Tante Gerti und bringt uns allen feine Servelats“ den Mund wässrig gemacht hatte, konnte das für ihn so eine Überraschung nicht sein. Aber es sollte noch dicker kommen.

      „Ja, was denkst du denn, Servelats natürlich“, verriet Tante Gerti und strahlte stolz in die Runde. „Und zwar eine für jeden.“

      Wie erwartet, sorgte ihre Ankündigung für Freudentaumel bei den Kindern, während Papa zwar auch taumelte, sich dabei aber theatralisch an sein Herz griff.

      „Servelats? Du hast uns..“ stammelte er ergriffen, während er sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte, die aber keiner sehen konnte. „Also, das hätte ich ja nie erwartet, hätte ich das.“ Er leckte sich über die Lippen. „Äh, soll ich dir die Tasche abnehmen?“

      „Untersteh dich“, rief Tante Gerti und schlug lachend Papas Hand weg, die er bereits nach den Würsten ausgestreckt hatte. „Bis heute Abend rührt die keine an, dass du’s grad weisst.“ Sie wedelte spielerisch mit dem Zeigefinger. „Und das gilt auch für dich, Hermann. Ich kann mich noch gut genug an unsere Feiertage erinnern, wo du mir alles weggefressen hast.“

      Und mit diesen Worten packte sie die Tasche fester und liess sich von uns ins Haus eskortieren, wo die wertvolle Fracht in den Vorratsschrank wanderte. Es folgte eine semi-offizielle Amtshandlung, während dieser Mama den Küchenschrank feierlich verschloss und den Schlüssel mit grosser Geste in der Tasche ihrer Schürze verstaute. Und zu guter Letzt bezog Papa auch noch mit seinem Kleinkalibergewehr vor dem Schrank Stellung und liess diesen bis am Abend keine Sekunde aus den Augen. Oder zumindest nur dann, wenn er sich zur Stärkung einen Schluck Bier genehmigte, was schon ab und zu mal vorkam.

      Wir hingegen wanderten alle naselang in die Küche und schlichen uns unter einem Vorwand zum Vorratsschrank, um zumindest den herrlichen Geruch der knackigen Cervelats einzuschnuppern. Bis es Papa schliesslich zu bunt wurde. Wild brüllend und sein ungeladenes Kleinkalibergewehr schwenkend warf er uns hinaus und schloss auch noch die Türe zur Küche ab. Also verzogen wir uns, begleitet von Tante Gerti, nach draussen und versuchten uns mit verschiedenen Spielen abzulenken, was uns nicht so recht gelingen wollte. Immer wieder schielten wir zur Sonne, die sich heute, an diesem ersten August, besonders viel Zeit zu nehmen schien, bis sie endlich hinter dem Horizont verschwand.

      So lange wollten wir nicht warten. Schon beim ersten Anzeichen einer Dämmerung rannten wir zurück in die Küche und verlangten polternd nach Einlass. Papa hatte uns schon erwartet und führte die Prozession mit geschultertem Gewehr auf die Wiese vor dem Haus. Zuerst musste natürlich ein Lagerfeuer errichtet werden, welches in Rekordzeit vor sich hin prasselte. Dann zückten wir unsere Spiesse, die wir am Nachmittag schon zurechtgeschnitten hatten. Mit diesen stellten wir uns wie Soldaten in einer Reihe auf und liessen uns von Tante Gerti, die einem General gleich die Reihen abschritt, je eine Wurst auf den Spiess stecken. Nachdem dies erledigt war, zückte Tante Gerti zufrieden grinsend ihren Fotoapparat und machte ein Bild, welches lange unser Fotoalbum zieren und, soviel sei schon verraten, zum Alptraum zukünftiger Besucher avancieren sollte.

      Das damals entstandene Foto zeigt eine Grossfamilie, die stolz und mit glänzenden Augen ihre auf einen Ast gespiessten Würste in die Kamera hält. Es fällt allerdings auch auf, dass die glänzenden Augen nicht auf die Kamera, sondern auf die Würste gerichtet sind. Und wenn man genau hinsieht, kann man auch einige Zungenspitzen sehen, die sich über feuchte Lippen lecken.

      Das war kurz, bevor Papa endlich den Startschuss gab. Danach herrschte nur noch Chaos.

      Sofort entbrannte ein wildes Gerangel um die ersten Plätze am Lagerfeuer, bei dem es hart zur Sache ging. Jeder kämpfte gegen jeden, wobei wir die Rechnung ohne die Mädchen gemacht hatten. Diese stürzten sich gemeinsam auf uns Jungs und wenn Tante Gerti nicht entschlossen dazwischen gegangen wäre, hätte es übel enden können. Ich verlor bei dem Handgemenge einen Schneidezahn und nur seinen gestählten Reflexen ist es zu verdanken, dass mein Bruder German nicht ein Auge verlor. Am schlimmsten jedoch traf es Hans, der um seinen rechten Arm fürchten musste, weil sich die zahlreichen Bisswunden auf demselben zu entzünden drohten. Die Gemüter beruhigten sich erst wieder, als die Würste in unseren Mägen verschwunden waren, was in den seltensten Fällen mehr als zehn Sekunden in Anspruch nahm. Danach zeugten nur noch ein Foto und ein paar leere Spiesse, von denen sogar die Rinde genagt war, von dieser unrühmlichen Episode in der sonst auch nicht viel ruhmreicheren Geschichte der Familie Liebowitz.

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