Sanne Prag

Geisterhäuser


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zu, dass er sich vorm Teufel fürchtet. Aber der Klang der geweihten Glocke vertreibt ihn, sagt man. Ich muss jetzt gehen und den Bock holen.“

       Welchen Bock?“

       Na Max. Unseren Ziegenbock. Sonst krieg ich unsere Milchkuh nicht nach Hause und kann sie nicht melken“, meinte sie, „Sie liebt ihn“, und alles schien für sie völlig klar. Sie schritt kräftig über die Wiese.

       Ezra überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass er hier schlief und schon eine Nacht mit dem Teufel verbracht hatte. Er fühlte sich mutig und mächtig, aber gleichzeitig regte sich etwas Beunruhigendes. War die zweite Person, die in ihm war und gelegentlich das Steuer übernahm, der Teufel? Er war verunsichert. War seine nette Mitfünfzigerin in der Küche der verkleidete Höllenfürst? Nicht dass er an Teufel glaubte, aber was verstanden die unter Teufel? Spürte er teuflische Gefühle?

       Er jedenfalls wusste zu wenig über die Wesen aus der Hölle. Seine Erfahrung beschränkte sich auf Tante Rena mit Bart und Bischofsstab und einen gemieteten Teufel, der herumsprang wie ein Affe, aber nicht in die Nähe der Wohnungstür ging. Mutter war es nicht, denn sie stand neben ihm. Er hatte sofort an einen gemieteten Teufel gedacht. Er hätte nicht gewusst, wen die beiden sonst verpflichtet hätten, und nahm damals mit 6 Jahren an, dass sie die Nikolaus-Traditionen vollständig haben wollten. Daher die Anschaffung eines Teufels. Dann waren sie aber wiederum beunruhigt, dass Ezra sich ängstigen könnte. So hatte der Teufel anwesend zu sein, aber Verbot, näher zu kommen, und so war es ihm damals nie gelungen, ihn genau zu untersuchen.

       Spätere Bücher hatten ihn gelehrt, dass Teufel sexuelle Wesen waren, dass Feuer ihr Element war, was sie nicht eigentlich schlecht erscheinen ließ. Teufel hatten viele Haare und waren öfter mehr Tier als Mensch – was Ezra auch eher beruhigend fand. Der Teufel als haariges, ein wenig bissiges Haustier? Er wusste also tatsächlich über die Bedrohlichkeit von Teufeln nicht Bescheid. So etwas wurde an Unis kaum unterrichtet.

       Er ging langsam ins Haus zurück. Sicher hatte ein Geisterfahrer etwas Bedrohliches, auch etwas sehr Teuflisches, denn der Teufel ist dumm und rücksichtslos oder sinnlos zornig. Das stand in den Geschichten. Aber wie kamen die auf die Idee, dass der Teufel hier sein Unwesen trieb? Was für eine Art von Teufel war es, gegen den man elektronische Glocken in Kapellen hing, heimlich? Ein Mann hätte seine Frau fast erwürgt. Dazu brauchte man nicht wirklich einen Teufel, es genügten Hilflosigkeit, Wut, Abscheu… Und wer waren der Mann und die Frau, welches der Häuser gehörte zu ihnen?

       In Haus 1 schien es kein Ehepaar gegeben zu haben. Alles sprach dafür, dass dort nur eine einzelne Person wohnte. Im Haus mit den Pferden war scheinbar ein Ehepaar, denn es gab zwei verschiedene Lebensformen, zwei verschiedene Seelen, die Räume ausgestattet hatten. Der seltsam ängstliche, enge Saloon hatte ein anderes Gefühl in den Kissen als das große, helle Zimmer. Wahrscheinlich Raffa und die Ziege. Hatte Raffa seine Ziege gewürgt?

       Im Haufenhof gab es laut Tagebuch mehrere Personen. Da konnten ruhig zwei davon verheiratet sein und einer konnte den anderen fast erwürgt haben. In der Fabrik war völlig unklar und undurchsichtig, wer dort wohnte, außer der weißen Frau, die zornige Briefe schrieb. Weiße Frauen werden von niemandem gewürgt. Er musste noch viel mehr Information sammeln. So lange wollte er hier wohnen bleiben.

       Irgendeine Person schien nachschauen zu kommen und eventuell offene Türen zu versperren. Das einfachste Mittel gegen Entdeckung war deshalb, selbst die Türen zuzusperren.

      NACHMITTAG

       Der Schreibtisch und der Brief mit den Salzkörnchen hatten ihn wieder. Er nahm die Dinge vorsichtig aus der Lade. Er las den Brief nochmals. Es war eher der Brief einer Frau. Einer Frau, die klar etwas wollte, nicht eines der passiven Wesen, die auf Eroberung wartend an Bars und Kaffeehaustischen saßen. Eris, die gute Köchin? Nein, das da war kein praktisches Wesen. Wer diesen Brief geschrieben hatte, war … eine Fee. Er setzte seine Suche fort. Er fand weitere Abrechnungen, einen Briefverkehr mit einem Notar über die Besitzverhältnisse der Kapelle.

       Hier gab es einen Bertram und seine Gattin, Bertram war wohl ein Nachname für Raffael und Ziege. Sie besaß das Grundstück. Und nach den Rechnungen ein sehr teures Anwesen.

       Er fand noch einige alte Kataloge und Garantien für Elektrogeräte – nichts was man einsperren musste. Und was jetzt? Er musste zu Haus 1 – Hunger. Auch das Koch-Tagebuch wollte er systematisch durchschauen.

       Das Buch lag aufgeschlagen auf dem Tisch und vor ihm stand ein Teller mit Linsen und Wiesenzwiebeln, kalt. Er konnte kochen, aber nicht ohne Herd. In der Pubertät hatte er seine beiden Mütter damit aus dem Gleichgewicht gebracht, dass er kochen lernte. Heute tat es ihm leid, wenn er an die Szenen in der Küche dachte, wo beide mit ihren Gaben auf ihn gewartet hatten. Und er, nach einem müden Blick auf das Gebotene, nahm einen Topf aus dem Kasten, um selbst etwas bedeutend Schlechteres zu kochen. Selbstständigkeit ist eine harte Sache!

       Er dachte an den Schinken, das Damaszenermesser und den Wein.

       Vorsichtig schob er den Sessel zurück – er wollte kein scharfes Knirschen auf den Fliesen – und wanderte in die Speisekammer. Das Geschirrtuch hatte er wieder über den Arm gelegt, als ob das zum Verhalten in diesem Haus gehöre. Er versorgte sich schamlos und wanderte zum Tagebuch zurück. Als er sich dem Tisch näherte, sah er, wie einige Blätter des Buches sich umlegten. Nein, es war kein Luftzug, und kein Fenster offen! Aber alte Bücher hatten oft ihre eigene Vorstellung, auf welcher Seite sie sich aufschlagen wollten. Er stellte das Weinglas ab und las auf der neuen Seite:

       Ein sehr gutes, einfaches Gericht: Linsen mit Wiesenzwiebel

       Ein Stückchen weiter unten:

       Die Ziege ist sehr bemüht, und sie mag Hela nicht. Kann ich mir vorstellen mit ihrem Postroßhintern! Raffa hat mich wegen der Kapelle gefragt. Sie wollen irgendwas reintun oder rausnehmen.

       Ezra überflog die Kochrezepte jetzt nur mehr und suchte nach anderen Texten.

       Gott, ist mir heute schlecht! Ich hab nach gestern ein Beruhigungsmittel genommen und ich vertrag das Zeug einfach nicht.

       ICH HASSE DIESE SZENEN!

       Die kleine Hela kann einfach nichts ändern. Sie steht da, in völliger Hilflosigkeit, und die Tränen kullern ihr runter. Es ist Raphaels Sache, das mit Hilde zu regeln.

       Ich mag Eris. Sie kann kochen. Der Tod von Wolfram hat sie aus dem Gleis gebracht. Da hat sie eine Zeit lang lauter scheußliche Sachen am Herd gezaubert, aber prinzipiell ist sie eine ausgezeichnete Köchin. Ich versteh nicht, was sie von Wolfram wollte.

       Ich habe ihn einmal im Ofen gesehen, da hat er wie wild auf Hela eingeredet und sie ist wie immer nur unsicher dort gestanden und hat gar nichts gesagt. Ich glaube, er wollte sie überzeugen, vielleicht mit ihm was anzufangen.

       Vor Ezras Augen stieg eine Szene im Feuerofen auf – ein Blick in die Hölle? Der Ofen, auf dem Eris gute Sachen kocht, angeheizt durch Wolframs Gefühle.

       Da gab es also Eris, die kochte und war in Wolfram verliebt, der Petersiel anbaute. Und die kleine, zarte Hela war einer Szene ausgesetzt – Streit mit der Hilde - „Ziege“ wegen Raffa.

       Pilzragout von Eris…..