Alfred Broi

Genesis II


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dann würde er, Kabus, ihr zur Seite stehen, um ihn zu überwinden. Vielleicht konnte er letztlich davon dann profitieren.

      Ja, das wäre kein schlechter Gedanke und Kabus ertappte sich bei dem Gedanken, dass er sich beinahe wünschte, dass Shamos nicht mehr am Leben war.

      Doch kaum hatte er diesen Gedanken ausgedacht, da verwünschte er sich auch schon dafür und wies sich innerlich rüde selbst zurecht.

      Hier waren persönliche Gefühle völlig unangebracht, hier galt es, sich mit einem Krieg auseinander zu setzen. Und er hatte sich entschlossen, diesen beiden Frauen bei der Suche nach ihren Männern zu helfen. Wenn das beendet war, dann würden sich ihre Wege wieder trennen und er selbst mit Biggs weiter versuchen, anderen zu helfen.

      Sollte Shamos tatsächlich ein Opfer geworden sein, dann war es für ihn nicht nur aus Sympathie selbstverständlich, Esha in ihrem Schmerz beizustehen. Über alles weitere konnte und durfte er jetzt nicht nachdenken.

      Kabus schüttelte einmal den Kopf, wandte seinen Blick ab und atmete tief durch. Dadurch wurde Esha aus ihren eigenen Gedanken geholt, sie drehte ihren Kopf zu ihm, ihre Blicke trafen sich und sie lächelte ihm offen, aber doch traurig und erschöpft zu.

      „Wir haben es bald geschafft!“ sagte er aufmunternd, nachdem er die Entfernung zu ihrem Ziel überprüft hatte. „Vielleicht noch zehn Minuten!“

      Esha nickte, lächelte nochmals und erhob sich dann. „Ich sehe mal hinten nach dem Rechten!“

      Kabus nickte ihr zu und konzentrierte sich wieder auf ihren Flug, jedoch erneut in seiner Annahme bestätigt, dass Esha in der Tat sehr hübsch und ausgesprochen attraktiv war.

      ¤

      Pivos nahm sein Funkgerät zur Hand und ließ sich von der Kommandostelle zu Mavis durchstellen.

      „Commander Mavis?“

      „Ja?“

      „Hier spricht Captain Pivos!“

      Mavis Augen vergrößerten sich schlagartig. „Captain, haben sie...?“

      „Nein, Sir!“ erwiderte Pivos sofort, um Mavis keine unnötige Hoffnung zu machen. „Es tut mir leid. Ich konnte Melia noch nicht finden!“

      Mavis Blick am anderen Ende der Leitung wurde tieftraurig. Dann nickte er. „Ich verstehe!“ Für einen Moment war es still in der Leitung. „Dann gibt es einen anderen Grund für ihre Meldung!?“ sagte er dann.

      „Ja, ich...ähm...stehe hier unmittelbar an der Absturzstelle der Anomalie!“

      „Und?“ fragte Mavis unsicher.

      „Nun, Sir, ich glaube, sie sollten herkommen und sich das selbst anschauen!“

      Im ersten Moment wollte Mavis ablehnen und ihm sagen, dass er dafür keine Zeit hatte und aus einem gleichzeitigen Gefühl der Hoffnungslosigkeit heraus anordnen, dass Pivos außerdem wieder zurückkehren sollte, dann erst erkannte er am Tonfall des Captain, dass es wirklich wichtig zu sein schien. „Ich komme!“ sagte er dann nur knapp und kappte die Verbindung.

      Captain Mistak tauchte neben ihm auf.

      „Halten sie hier die Stellung, Captain. Ich werde zur Absturzstelle der Anomalie fliegen!“

      Mistak nickte und Mavis übergab ihm das Fernglas.

      „Ach und Captain?” Mavis hielt inne. „Stellen sie eine Verbindung zum Hauptquartier her und sagen sie dem Nuri, dass es sinnvoll wäre, wenn er ebenfalls dorthin kommen würde!“

      Mistak nickte erneut und ging zurück ins Zelt.

      Mavis lief zum nächstbesten Transporter und stieg hinein. Ja, es war eine gute Idee, Vilo dorthin zu bitten. Mavis hatte zwar keine Ahnung, was sie dort erwartete, aber er wollte und musste mit seinem Freund reden. Und das nicht über den Äther.

      ¤

      Kabus umflog die Landzunge, an deren Küste sich die Felsen gut einhundert Meter senkrecht in die Luft erhoben. Sie boten sehr guten Schutz, verhinderten jedoch gleichzeitig den Blick auf Ara Bandiks.

      Die gewaltige Metropole lag direkt hinter dieser Landzunge, doch mehr als einen hell erleuchteten Himmel konnte Kabus nicht ausmachen. Und er wusste, dass dieses Licht diesmal nicht die normale Helligkeit einer Großstadt widerspiegelte, sondern auf die Verwüstung hindeutete, die heute dort stattgefunden hatte. Deutlich konnte er das Flackern erkennen.

      Nachdem sie die Landzunge hinter sich gelassen hatten, tauchte vor ihnen der Hafen von Ara Bandiks auf, in dem sich einige Dutzend Schiffe befanden und weiterhin Flüchtlinge und Verwundete aufnahmen.

      Im Hintergrund hielten sich einige Kriegsschiffe der Marine, um die Flucht zu sichern und die Truppen im Kampf über der Stadt zu unterstützen.

      Kabus war sofort tief geschockt, aber auch beeindruckt von dem gewaltigen Treiben im Hafengelände. Es war wirklich alles, was man nur aufbieten konnte dabei, gemeinsam Leben zu retten. Aber dennoch war es ja auch ein deutliches Zeichen für die Katastrophe, die sich heute hier ereignet hatte und noch immer anhielt. Er bekam unweigerlich eine Gänsehaut.

      Doch der Hafen war nicht ihr Ziel und so lenkte er den Transporter nach rechts weiter auf das Stadtgebiet zu. Kaum hatte er die entsprechende Kurve geflogen, konnte er die Hölle vor ihm erblicken. Wieder liefen ihm eiskalte Schauer durch den Körper, die ihn frösteln ließen. Ein unfassbares Meer aus Zerstörung und Flammen tat sich vor ihm auf und beleuchtete das Cockpit in einem schmutzigen Gelb. Sein Blick fiel sofort auf das Stadtzentrum, aus dem sie vor nur wenigen Stunden geflüchtet waren. Er war entsetzt zu sehen, dass die irrsinnige Zerstörung, die doch schon zu diesem Zeitpunkt vorhanden war, noch weiter fortgeschritten war. Die einstmals grandiose Skyline mit unzähligen Hochhäusern und atemberaubenden architektonischen Highlights, die auf dem gesamten Planeten absolut ihres Gleichen suchten, war buchstäblich zu Staub zerfetzt worden. Nur noch eine Handvoll Türme ragten in den Himmel, wie widerliche Pickel, die dort nicht hingehörten. Zu seiner Überraschung stellte Kabus jedoch fest, dass das höchste Gebäude von allen, der Paliawith-Fernsehturm mit seinen über eintausend Metern Höhe noch immer stand. Mehr noch: Trotz seiner fast dürren Bauweise bot er der Spitze des neben ihm stehenden, gut achthundert Meter hohem Gebäude, die auf einer Länge von rund zweihundert Metern abgeknickt, zur Seite und gegen ihn gefallen war, Halt. Doch selbst aus dieser großen Entfernung von ein paar Meilen war klar, dass es sich hierbei nur um eine äußerst instabile Verbindung handeln konnte und Kabus fragte sich, warum sie überhaupt bis jetzt gehalten hatte.

      Doch seine Gedanken wurden sogleich in eine ganz andere Richtung völlig abgelenkt, denn natürlich fiel auch sein Blick in den Himmel über Ara Bandiks und in der nächsten Sekunde verharrte er mit starrem Blick. „Was zum Teufel...?“

      Esha im Raum hinter dem Cockpit horchte auf. Sie hatte sich neben Kaleena gesetzt und kurz mit ihr geredet, bevor sie sich zurücklehnte und ebenfalls für einen Moment die Augen schloss. Ihre Gedanken waren sofort bei Shamos, doch sie zwang sich, nicht nervös zu werden und positiv zu denken.

      Sie drückte ihren Kopf von der Sessellehne und öffnete ihre Augen. Sofort erkannte sie das gelbe Licht im Cockpit und ihr war klar, was es bedeutete. Ohne zu zögern, erhob sie sich und ging zurück zu Kabus.

      „Was ist los?“ fragte sie, während sie sich neben ihn setzte.

      Kabus sah sie nicht an, sondern hob nur seinen rechten Zeigefinger und deutete nach vorn. „Sie ist weg!“ sagte er.

      Esha folgte seinem Blick und als auch sie erkannte, dass die Anomalie vom Himmel über Ara Bandiks verschwunden war, öffnete sie unwillkürlich ihren Mund und ein leiser Schrei entfuhr ihr. „Oh mein Gott!“ erwiderte sie zunächst erschüttert, bevor ihr klar wurde, dass es ja eigentlich eine gute Nachricht war. „Oh mein Gott!“ wiederholte sie dann nochmals, jedoch schon weit weniger geschockt, sondern eher hoffnungsvoll. Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen und sie schaute Kabus mit strahlenden Augen an.

      „Der Himmel ist ruhig!“ sagte Kabus bestätigend.